Die hei­lende Kraft des Geistes

Geistige Heilung, Spon­tan­re­mis­sionen und uner­klär­liche medi­zi­nische Gene­sungen wurden lange Zeit als „Wunder“ oder außer­ge­wöhn­liche Ereig­nisse inter­pre­tiert, die sich wis­sen­schaftlich nicht erklären lassen. Oft werden diese Formen der Heilung einem Hei­ligen oder dem Ein­greifen eines Heilers, Hyp­no­ti­seurs, Priesters, Scha­manen oder Geist­lichen zugeschrieben.

Albert Amao Soria sucht seit Jahren nach einer ratio­nalen Erklärung für diese Phä­nomene und trägt hier seine Hypo­these vor: Ihm zufolge sind alle Methoden der geis­tigen oder spi­ri­tu­ellen Heilung eine Form der Selbst­heilung, und selbst die Wirk­samkeit medi­ka­men­töser Behand­lungen lässt sich häufig auf den Pla­ce­bo­effekt zurückführen.

Ein Appell an die uns inne­woh­nenden Kräfte zur Selbstheilung.

His­to­rische Vor­läufer der geis­tigen Heilung

Das Phä­nomen der men­talen oder geis­tigen Heilung ent­stand Mitte des 19. Jahr­hun­derts mit dem heil­kun­digen Laien Phineas P. Quimby (1802 – 1866), einem Uhr­macher aus Neu­england in Nord­amerika.1

Nachdem Quimby sich selbst ohne Zuhil­fe­nahme von Medizin geheilt hatte, kam er zu dem Schluss, dass die meisten mensch­lichen Krank­heiten durch negative Über­zeu­gungen ver­ur­sacht werden.

 

Phineas Parkhust Quimby (1802 – 1866)

Seine Ärzte hatten bei Quimby eine unheilbare Krankheit dia­gnos­ti­ziert, in deren Folge sich seine Nieren und seine Leber abbauten. Darüber hinaus litt er an Tuber­kulose. Des­il­lu­sio­niert ange­sichts solcher Pro­gnosen gab Quimby sein erfolg­reiches Geschäft auf und zog sich in Erwartung des nahenden Todes auf seinen Hof zurück. Um es kurz zu machen: Er schaffte es, sich mit der Hilfe seines eben­falls unge­lernten Assis­tenten Lucius Burkmar selbst zu heilen, und ent­deckte dadurch das, was man heute als spi­ri­tuelle oder geistige Heilung bezeichnet. Anschließend begann Quimby ver­schie­denste Krank­heiten zu heilen, indem er einfach den Geis­tes­zu­stand der erkrankten Person ver­än­derte. Dieser Arbeit ent­sprangen einige gewagte Thesen, wie zum Beispiel:

  1. Men­schen erschaffen ihre eigenen Krank­heiten durch ihren Geist. Ändert man seine Glau­bens­muster, kann man seine Krank­heiten heilen.
  2. Krankheit ist eine Erfindung des Men­schen und hat keine Bedeutung für den spi­ri­tu­ellen Bereich.
  3. Krank­heiten sind in unserem Glauben verankert.

Im Laufe der Jahre machte sich Quimby einen Namen als Vater des Neuen Denkens, einer Bewegung, die Behand­lungen mit men­talen und spi­ri­tu­ellen Methoden befür­wortet. Sie bezieht sich auf die Bibel und stützt ihre Doktrin mit den Lehren Jesu. Quimby war davon über­zeugt, die Methoden wie­der­ent­deckt zu haben, mit denen Jesus seine Hei­lungen an den Men­schen voll­zogen hatte, und er gab sein Wissen bereit­willig an jeden weiter, der sich dafür inter­es­sierte. Einige Pati­enten, die Quimby geheilt hatte, wurden später zu seinen Jüngern und fingen eben­falls an, Geist­heilung zu prak­ti­zieren. Das war der Beginn einer neuen Denk­weise, die als „Neu­geist­be­wegung“ bekannt wurde.

Die bekann­testen reli­giösen Führer der Neu­geist­be­wegung haben gemeinsam, dass sie zunächst unter ver­meintlich „unheil­baren“ Krank­heiten litten und ihre Gesundheit durch mentale und spi­ri­tuelle Methoden wie­der­erlangten. Sie hatten das, was sie prak­ti­zierten, also zuvor am eigenen Leib erfahren.

So kam es gegen Ende des 19. und Anfang des 20. Jahr­hun­derts zu einem wahren Boom des Neuen Denkens und der Gründung zahl­reicher Kirchen, deren Anhänger sich nicht nur in ganz Amerika, sondern inter­na­tional aus­brei­teten. Basierend auf Quimbys Lehren wid­meten sie sich der Heilung ohne Medizin. Heute gibt es weltweit Hun­derte solcher Orga­ni­sa­tionen und Kirchen. Bei­spiele dafür sind Reli­gious Science, die Church of Divine Science, die Unity Church, die Quimby Memorial Church und andere Ableger im Rahmen der Christ­lichen Wissenschaft.

Das Neue Denken sieht die Welt und die Rolle des Men­schen in einem neuen Licht. Diese Phi­lo­sophie ermächtigt uns, indem sie den Men­schen als Schöpfer seiner eigenen Rea­lität und Lebens­um­stände begreift. Dem zugrunde liegt das Axiom, dass ein Indi­viduum durch die Ver­än­derung seiner Geis­tes­haltung auch seine Rea­lität ver­ändern kann. Die Neugeist­ideologie war der Ursprung des posi­tiven Denkens und anderer Methoden zur Stei­gerung des mensch­lichen Potenzials.

Mil­lionen von Men­schen auf der ganzen Welt haben bereits davon pro­fi­tiert und ihre Gesundheit ohne den Einsatz von Medi­ka­menten wie­der­erlangt. In einigen Fällen war die Heilung nicht nur auf phy­sische Aspekte beschränkt, sondern wirkte sich all­mählich auch auf das geistige und spi­ri­tuelle Wohl­be­finden aus. Darüber hinaus hat sich gezeigt, dass die Anwendung dieser Prin­zipien einen außer­or­dent­lichen Anreiz zur erfolg­reichen Ver­wirk­li­chung von Zielen in allen Bereichen des Lebens bietet, sowohl in Bezug auf mate­ri­ellen Wohl­stand als auch auf Bezie­hungen und see­lische Zufriedenheit.

Das Gesetz der Anziehung und Heilung

Seit dem 19. Jahr­hundert pro­pa­giert die Neugeist­bewegung das meta­phy­sische Konzept des Gesetzes der Anziehung. In jüngster Zeit erlangte es Popu­la­rität durch die „Abraham“ genannten Meister, eine Gruppe nicht­phy­si­scher Enti­täten, die durch Esther Hicks sprechen. Der Ter­minus selbst wurde im frühen 20. Jahr­hundert von William Walker Atkinson geprägt. Atkinson ver­wendete ihn in seinem 1906 ver­öf­fent­lichten Buch „Gedan­ken­vi­bration oder das Gesetz der Anziehung in der Gedan­kenwelt“ zur Beschreibung des Phä­nomens, dass „Gedanken Umstände anziehen“. Mit der Ein­führung dieses Kon­zepts bot Atkinson der breiten Öffent­lichkeit Zugang zu einem Thema, das damals als okkulte Lehre galt. Er behauptete, dass Gedanken Gegen­stände im geis­tigen Bereich wären und Men­schen abhängig von ihren vor­herr­schenden Gedanken andere Men­schen und Umstände anzögen.

Das Gesetz der Anziehung spielt auch auf dem Gebiet der Heil­kunst eine wichtige Rolle, wird jedoch oft falsch ver­standen, da viele es als eine Art Wunsch­denken inter­pre­tieren. Dabei steckt viel mehr dahinter. Ich nehme an, dass die Anziehung eines Indi­vi­duums sich nach seinem „Seins­zu­stand“ richtet und nicht danach, was es sich wünscht. Die Gedanken sind der Rahmen, die Gefühle der Anziehungspunkt.

Außerdem impli­ziert das Gesetz der Anziehung auch seinen Gegen­entwurf, den Begriff derAbstoßung(oder des Wider­stands), der in der Glei­chung meistens ver­nach­lässigt wird. Ich ver­trete die These, dass Men­schen abhängig von ihrem Seins­zu­stand bestimmte Umstände anziehen oder unbe­wusst abstoßen – unab­hängig davon, was sie erreichen oder ver­hindern wollen. Zur Klar­stellung: Der „Seins­zu­stand“ ist etwas anderes als das „Selbst“ oder das „Ich bin“. Der Seins­zu­stand kann als Schwin­gungs­punkt defi­niert werden und besteht aus den Kern­über­zeu­gungen einer Person sowie ihren gewohn­heits­ge­mäßen Zuständen des Denkens und Fühlens. Daher wird eine Person, auch wenn sie sich ständig auf das kon­zen­triert, was sie sich wünscht oder was sie ver­meiden möchte, die Dinge ent­spre­chend ihrem Seins­zu­stand erleben, nicht ent­spre­chend ihren Wün­schen. Der Seins­zu­stand ist dem­zu­folge der Anzie­hungs- oder Ableh­nungs­punkt, was dem „Schwin­gungs­zu­stand“ ähnlich ist.

Nor­ma­ler­weise ahnen die Men­schen nichts von den Glau­bens­mustern ihres Unter­be­wusst­seins. Eine Person mit der Tendenz, urteilend, kri­tisch und zynisch zu sein, hegt höchst­wahr­scheinlich auch Gefühle der Unsi­cherheit, Unzu­läng­lichkeit und Unwür­digkeit. Auf­grund des Letzt­ge­nannten über­trägt sie ihre Gefühle auf andere. Dies steht im Ein­klang mit dem Prinzip der Ana­logie: „Wie innen, so außen.“ Wenn ein Indi­viduum seinen Wunsch nach Erfolg, Liebe und Glück an das Uni­versum her­an­trägt, reagiert das Uni­versum eher auf seinen Seins­zu­stand als auf seine Wünsche. Es muss also eine Kon­gruenz bzw. Über­ein­stimmung zwi­schen dem inneren Ver­langen und dem Seins­zu­stand der Men­schen bestehen.

Auto­ma­tische Reak­ti­ons­weisen auf bestimmte Situa­tionen in Form von Gedanken und Gefühlen sind reale anzie­hende oder absto­ßende Kräfte. Welt­an­schau­ungen können jedoch eine selektive Rolle bei ihrer Wirkung spielen. Indi­viduen treffen Ent­schei­dungen gemäß ihren Kern­über­zeu­gungen. Sie inter­pre­tieren ihre Erfah­rungen und Beob­ach­tungen so, dass diese Über­zeu­gungen gestärkt werden. Gleich­zeitig werden Erfah­rungen, die diesen Über­zeu­gungen wider­sprechen, auto­ma­tisch aus­ge­blendet oder igno­riert. Die Ereig­nisse im Leben eines Men­schen ent­wi­ckeln sich ent­spre­chend seinem vor­herr­schenden Glauben, auch wenn er sich dessen meist nicht bewusst ist.

Es ist wichtig, das Gesetz der Anziehung näher zu erläutern und den geheim­nis­vollen Schleier zu lüften, von dem es lange ver­hüllt worden war. Ein Indi­viduum ist in der Lage, mit­hilfe seines Unter­be­wusst­seins sowohl seine mate­ri­ellen als auch seine spi­ri­tu­ellen Ziele zu ver­wirk­lichen. Dahinter steckt das Grund­prinzip, dass vom kol­lek­tiven Bewusstsein auf der Astral­ebene belebte Gedan­ken­formen und Bilder geschaffen werden (positive wie negative). Ich nenne dieses Phä­nomen einen „Egregor“. Wie in meinem Artikel in NEXUS 91 beschrieben, handelt es sich bei Egre­goren um mit psy­chi­scher Energie auf­ge­ladene Gedan­ken­formen, die besonders an hei­ligen Orten, in Kathe­dralen, Schreinen, alten Kirchen und an ein­zig­ar­tigen Orten der Anbetung zu spüren sind.2 Men­schen ziehen jene Gedan­ken­formen an, die mit ihren eigenen im Ein­klang stehen. Positive Gedan­ken­formen, unter­stützt von Emo­tionen, ziehen positive Ereig­nisse und Men­schen an, während negative Gedan­ken­formen Nega­tives anziehen. In manchen Fällen kann die Mani­fes­tation des ange­strebten Ziels durch einen Mangel an emo­tio­naler Resonanz ver­hindert werden.

Das Gesetz der Anziehung beruht auf dem Gesetz der Affi­nität. Die Idee dahinter ist, dass ein Indi­viduum von einem elek­tro­ma­gne­ti­schen Feld umgeben wird, das durch seine Gedanken und Gefühle magne­ti­siert wird. Dieses Feld zieht Ereig­nisse und Situa­tionen zum Indi­viduum hin, die dessen vor­herr­schenden Gedanken und seinem Seins­zu­stand ähneln. Wenn sich ein Indi­viduum dieses Prinzips bewusst ist, kann es durch rich­tiges Denken, Fühlen und Handeln Kon­trolle über seine äußeren Umstände ausüben.

All­gemein aus­ge­drückt besagt das Gesetz der Anziehung, dass das, worauf man seine Auf­merk­samkeit richtet, sich früher oder später in den eigenen Erfah­rungen mani­fes­tiert. In ein­fachen Worten lässt sich dieses Gesetz wie folgt aus­drücken: „Man bekommt das, woran man gewohn­heits­mäßig denkt.“ Die Quan­ten­physik scheint der Annahme zuzu­stimmen und geht davon aus, dass es sich bei unserer Umgebung um eine Pro­jektion unseres Geistes handelt.

Die Kraft des Glaubens

Die eigene Welt­an­schauung spielt also eine ent­schei­dende Rolle. Men­schen treffen Ent­schei­dungen ent­spre­chend ihren vor­herr­schenden Über­zeu­gungen und inter­pre­tieren Erfah­rungen und Beob­ach­tungen auf eine Weise, die ihre Kern­über­zeu­gungen stärkt. Erfah­rungen, die im Wider­spruch zu diesen Über­zeu­gungen stehen, werden auto­ma­tisch ver­worfen. Mit anderen Worten: Alles, was den „Kern­glauben“ einer Person nicht stützt, wird sys­te­ma­tisch abge­wertet oder igno­riert. Die Ereig­nisse im Leben dieser Person ent­falten sich ent­spre­chend ihren vor­herr­schenden Über­zeu­gungen, auch wenn sie sich dessen die meiste Zeit über nicht bewusst sein mag. Deshalb kann man sagen: „Man schafft sich seine eigene Rea­lität und seine eigenen Lebensumstände.“

Es gibt einige Glau­bens­sätze, die sich so fest in unseren Köpfen ver­ankert haben, dass sie ein Teil unserer Lebens­ein­stellung geworden sind. Diese ver­bor­genen Über­zeu­gungen beein­flussen unser Leben und erschaffen unsere äußeren Umstände. Der Bibel zufolge ist der Mensch „in seinem Herzen […] berechnend“ (Sprüche 23,7). Das Wort „Herz“ sollte hier als das Unter­be­wusstsein ver­standen werden. Der mensch­liche Cha­rakter ist die Summe aller Über­zeu­gungen und Ein­stel­lungen einer Person, egal, ob bewusst oder unbe­wusst. Manche Men­schen sind zwar bemüht, ihre Lebens­um­stände zu ver­bessern, aber nicht bereit, sich ernsthaft mit den tief in ihrem Unter­be­wusstsein ver­an­kerten Kern­über­zeu­gungen aus­ein­an­der­zu­setzen. Daher bleiben sie an diese fal­schen Über­zeu­gungen gebunden, was dazu führt, dass sie die immer gleichen Umstände und Situa­tionen auf­recht­erhalten und wiederholen.

Die Erfolgs­formel von Napoleon Hill, einem berühmten Autor der Neu­geist-Bewegung, lässt sich in einem Satz zusam­men­fassen: Was immer dein Geist glauben und sich vor­stellen kann, kann er auch erreichen, egal, wie oft du in der Ver­gan­genheit gescheitert bist. Mit anderen Worten: Die vor­herr­schenden Glau­bens­sätze und Gedanken, die uns bewusst oder unbe­wusst durch den Kopf gehen, bestimmen unseren Erfolg oder unser Scheitern im Leben. Das ist die Essenz des Gesetzes der Anziehung.

Die Heil­kräfte von Placebos

Meine Nach­for­schungen und meine eigenen Erfah­rungen in Bezug auf dieses Thema brachten mich zu der Über­zeugung, dass Men­schen allein durch die Kraft ihres Geistes geheilt werden können. Auch in den Kreisen der modernen Main­stream­m­e­di­ziner wird die Relevanz der Geist-Körper-Beziehung im Hei­lungs­prozess mitt­ler­weile akzep­tiert. Außerdem befür­worten Medi­ziner heut­zutage eine huma­nis­ti­schere und ganz­heit­liche Art der Heilung, anstatt sich an eine tra­di­tio­nelle und mate­ria­lis­tische Auf­fassung zu klammern, die allein auf schäd­lichen Che­mi­kalien und tech­no­lo­gi­schen Ver­fahren basiert. Bei­spiele für diese ganz­heit­lichen Ansätze sind die Ein­be­ziehung von Prak­tiken wie Medi­tation, Yoga, bedin­gungs­loser Liebe, Fasten und der­gleichen. Inter­es­san­ter­weise ent­wi­ckelt sich dieses Phä­nomen des Heilens ohne Medizin in Amerika durch die auf­kom­mende Praxis der soge­nannten ener­ge­ti­schen Psy­cho­logie weiter. Dazu gehören unter anderem die Gedan­ken­feld­the­rapie (engl.: Thought Field Therapy) und deren Methoden, wie die Technik der emo­tio­nalen Freiheit (engl.: Emo­tional Freedom Tech­niques) und ähn­liche Behandlungskonzepte.

Ein Placebo kann die Hei­lungs­fä­hig­keiten des Unter­be­wusst­seins akti­vieren, was manchmal zu soge­nannten „Wun­der­hei­lungen“ führt. Viele alte Kul­turen ver­ließen sich bei der Behandlung von Krank­heiten auf Geist-Körper-Ver­bin­dungen. Scha­manen oder Medi­zin­männer hätten ihre Bemü­hungen sicher nicht als Pla­cebos ange­sehen, aber mög­li­cher­weise wirkten ihre Heil­kräfte auf die gleiche Weise, also durch den festen Glauben des Pati­enten an den Erfolg der Behand­lungen. Mög­li­cher­weise war der Kranke auch schon wieder auf dem Weg der Genesung, und das End­ergebnis wurde dann als Folge der Behandlung ange­sehen, die dabei mög­li­cher­weise gar keine Rolle gespielt hatte.

Placebo- und Nocebo-Effekte werden manchmal auch als Erwar­tungs­ef­fekte bezeichnet. Das bedeutet, dass eine Person, die ein Placebo ein­nimmt, etwas erlebt, auf das sie zuvor bereits spe­ku­liert hatte. Wenn der Patient sich wünscht, dass er sich besser fühlt, dann kann dies dem­zu­folge ein­treten. Die Über­zeu­gungen des Erkrankten spielen eine wichtige Rolle für die Wirk­samkeit eines Pla­cebos. Der Glaube des Pati­enten an die Behandlung, das Medi­kament und den Arzt macht den Erfolg möglich.

Manche gehen davon aus, dass die Wirkung von Pla­cebos auf den Mecha­nismus zurück­zu­führen ist, durch den viele Krank­heiten im Lauf der Zeit von selbst ver­schwinden, auch ohne Behandlung. So können natür­liche Endor­phine Schmerzen lindern, und einige For­schungs­er­geb­nisse zeigen, dass das Gehirn auf eine ima­ginäre Szene genauso reagieren kann wie auf etwas, das es tat­sächlich wahr­nimmt. Ein Placebo kann dem Gehirn helfen, sich an die Zeit vor dem Auf­treten der Krank­heits­sym­ptome zu erinnern, und so eine che­mische Ver­än­derung bewirken. Diese Theorie wird auch als „erin­ner­bares Wohl­be­finden“ bezeichnet.

Natürlich sollten wir psy­cho­so­ma­tische Erkran­kungen nicht aus dem Blick ver­lieren, die den modernen Men­schen infolge seines stress­an­fäl­ligen und anspruchs­vollen Lebens­stils immer stärker betreffen. Die Neu­ro­login Suzanne O’Sullivan bringt dieses Thema im Titel ihres 2006 erschie­nenen Buches „It’s all in your head“ auf den Punkt. Sie ver­tritt die These, dass die meisten Krank­heiten in den Köpfen der Men­schen entstehen.

Die Fähigkeit des Körpers zur Selbst­heilung wird oft als Spon­tan­heilung oder uner­klär­liche Remission bezeichnet. Das Problem ist, dass wir beim Auf­treten von Krank­heits­sym­ptomen meist keine Ent­giftung und Rei­nigung des Körpers anstreben, um ihn so wieder ins Gleich­ge­wicht zu bringen, sondern über­stürzt zu schäd­lichen Medi­ka­menten greifen, die das Immun­system schwächen. Dadurch wird der Körper dem Angriff von Mikroben, Keimen und Viren aus­ge­setzt. Es gibt drei grund­le­gende Kon­zepte, die bei einer geis­tigen Heilung berück­sichtigt werden sollten:

  1. Der Geist ist der Wagen­lenker des Körpers. Das nennt sich mind-body medicine bzw. Geist-Körper-Medizin.
  2. Der mensch­liche Körper hat die Fähigkeit, sich selbst zu heilen.
  3. Ein großer Teil der Heilung, ob mit oder ohne Medizin, lässt sich auf den Pla­ce­bo­effekt zurückführen.

Die Ironie dahinter ist, dass die meisten Men­schen auf­grund nega­tiver Sug­gestion erkranken. Diese geht unab­sichtlich und manchmal sogar „in guter Absicht“ von Fami­li­en­mit­gliedern, Lehrern oder Nachbarn aus, die glauben, dass Krank­heiten ganz normal seien und wir alle früher oder später damit kon­fron­tiert würden. Eine solche Sicht­weise wird auch in den Nach­richten und von den Mas­sen­medien ver­mittelt sowie durch die Werbung von Unter­nehmen, die ver­schrei­bungs­pflichtige Medi­ka­mente her­stellen. Phar­ma­un­ter­nehmen geben Mil­li­arden von Dollar aus, um uns zu jedem Jah­res­zei­ten­wechsel andere Krank­heiten zu unter­breiten. Außerdem werden Men­schen zu Ope­ra­tionen ermutigt, obwohl diese meist nicht nötig sind, und die meisten folgen diesen in der Regel ärzt­lichen Rat­schlägen. Für Laien ist das eine starke Form der Sug­gestion. Über Ärzte voll­zieht sich auch ein anderer indi­rekter Weg der Werbung: Phar­ma­un­ter­nehmen stellen Medi­zinern oft kos­tenlose Proben von Medi­ka­menten zur Ver­fügung und ermu­tigen sie so, diese zu verschreiben.

Die Kraft der Suggestion

Eine meiner Schluss­fol­ge­rungen zu diesem Thema ist, dass der Heiler, egal, welche Methoden er prak­ti­ziert, dem Pati­enten lediglich eine Sug­gestion (oder ein Placebo) gibt. Der Heiler prägt den Geist des Indi­vi­duums also mit einer „hei­lenden Suggestion“.

Dem­zu­folge führt die Person, die die Rolle des Heilers ein­nimmt, nicht per se eine Heilung durch, sondern akti­viert nur die dem Erkrankten inne­woh­nenden Mecha­nismen, damit die Heilung statt­finden kann. Mit anderen Worten: Die Technik des Geist­heilers ist ein aktives Placebo. Das Unter­be­wusstsein braucht einen Anreiz, um die Heil­kraft des Körpers zu akti­vieren. Wichtig sind auch die positive Erwartung und der Wunsch des Kranken, dass die Heilung ein­treten möge – sein Glaube wird die Arbeit leisten.

Die Wirk­samkeit eines Pla­cebos liegt demnach darin, dass es den bewussten Ver­stand umgeht und dem Unter­be­wusstsein eine positive Heil­sug­gestion ein­flößt. Die Aufgabe eines echten Heilers ist es, den Kranken von einem Ort der Angst zu einem Ort der Ermäch­tigung zu geleiten.

Bei den soge­nannten Wun­der­hei­lungen, die an reli­giösen Orten wie dem Schrein von Lourdes, alten Kathe­dralen und der­gleichen statt­finden, handelt es sich schlicht und ergreifend um kol­lektive Sug­gestion, die durch den Glauben an die über­na­tür­lichen Kräfte eines Gottes, eines Hei­ligen, einer Reliquie oder der hei­ligen Stätte ver­stärkt wird. Auch hier über­nimmt der Glaube die Arbeit.

In Bezug auf die Frage, warum Men­schen mit ver­schie­denen Methoden oder The­rapien geheilt werden können, denken Sie an das alte Sprichwort: „Jedem Tierchen sein Plä­sierchen.“ Oder auch: „Des einen Freud, des anderen Leid.“ Diese Aus­sagen bringen es auf den Punkt, denn bei der Heilung gilt das­selbe Prinzip: Eine The­rapie, die bei einem Pati­enten Wirk­samkeit zeigt, kann bei einem anderen ver­sagen. Bei der großen Menge ange­bo­tener Heil­me­thoden wird es eine geben, die zu den Bedürf­nissen des Erkrankten passt und den Hei­lungs­prozess ein­leitet. Das gilt auch für medi­ka­mentöse Behand­lungen und ver­schiedene Arz­neien, die unter­schied­liche Arten von Beschwerden lindern können. Ein Medi­kament, das bei einem Pati­enten positiv anschlägt, kann sich auf einen anderen negativ aus­wirken. Genauso wirken sich ver­schiedene kom­ple­mentäre und alter­native The­rapien aus. Das liegt daran, dass jeder Mensch ein­zig­artig ist und spe­zielle Eigen­heiten und Ver­an­la­gungen hat.

Im Bereich der Kom­ple­mentär- und Alter­na­tiv­me­dizin (KAM) kann ein beein­dru­ckender und selbst­be­wusster Heiler den Kranken manchmal positiv beein­flussen, oder er über­zeugt durch seine spe­zi­fi­schen Behand­lungs­me­thoden. Dies ent­spricht dem Prinzip, dass jeder Mensch eine psy­cho­lo­gische Ver­an­lagung hat, positiv oder negativ auf ver­schiedene Behand­lungs­arten zu reagieren. Man weiß, dass manche Men­schen durch das Schreiben von Tage­buch­ein­trägen oder Gedichten Erleich­terung von ihren Krank­heiten ver­spüren. Anderen hilft Tanzen oder die Nähe zur Natur bei einem Wald­spa­ziergang. Alle, die sich für reli­giöse oder spi­ri­tuelle Prak­tiken inter­es­sieren, können Heilung durch Gebete, innere Einkehr, spi­ri­tuelle Besinnung oder die Lektüre in Form von Hei­li­gen­bio­grafien und spi­ri­tu­ellen Themen erfahren. Andere wie­derum neigen zur Askese: Für solche Pati­enten sind Fasten und Medi­tation gute Alter­na­tiven. Manche Men­schen sind einfach dadurch gesund geworden, dass sie fröhlich waren, über lustige Filme oder Fern­seh­sen­dungen gelacht oder Zei­tungs­car­toons gelesen haben, so wie der ame­ri­ka­nische Her­aus­geber und Autor Norman Cousins.3

Eine Frage bleibt: Warum sind die Men­schen in unserer Gesell­schaft, die auf dem Gebiet der Medi­zin­technik und der Medizin selbst so enorme Fort­schritte gemacht hat, nicht gesünder? Meine Meinung dazu ist fol­gende: In unserer modernen mate­ria­lis­ti­schen und konsum­orientierten Gesell­schaft gibt es anscheinend eine riesige Ver­schwörung, die uns an Elend, Krankheit und Leid fesselt. Der Haupt­grund dafür ist der gesell­schaft­liche Konsens, dass Krank­heiten natürlich und ein Teil des Mensch­seins seien. Diese „kon­ven­tio­nelle Weisheit“ ist in Wirk­lichkeit gar keine, sondern eine Halb­wahrheit, die der Mensch für selbst­ver­ständlich hält. Sie führt uns zu der Annahme, dass wir krank werden, weil die Krank­heiten in unseren Familien vor­kommen, in unseren Genen ver­ankert oder auf den Wechsel der Jah­res­zeiten zurück­zu­führen sind.

Eine Mög­lichkeit, dieser sozialen Sug­gestion (oder diesem Egregor) ent­ge­gen­zu­wirken, besteht darin anzu­er­kennen, dass der Geist der Wagen­lenker des Körpers ist und dieser die Fähigkeit hat, sich selbst zu heilen und den Geist aus einem nega­tiven Zustand in einen auf­bau­enden und kon­struk­tiven umzu­lenken. Laut meta­phy­si­scher Auf­fassung leben wir in einem Ozean aus reiner elek­tro­ma­gne­ti­scher Energie, die auch „Lebens­kraft“ oder „uni­ver­selles Bewusstsein“ genannt wird. Diese Denk­richtung ver­tritt die Theorie, dass diese Lebens­kraft bzw. ‑energie für jeden ver­fügbar ist. In der Tat nutzen wir sie unser ganzes Leben lang durch unsere Gedanken und Gefühle. Das Problem ist, dass wir Men­schen uns dessen nicht bewusst sind und diese Energie in negative Gedanken und Gefühle wie Wut, Groll, Hass, Neid und der­gleichen umlenken. Dadurch bauen wir einen Schild aus nega­tiver Energie um unseren Körper herum, der den freien Fluss der Lebens­kraft ver­hindert. So wird dem Körper die vitale Lebens­kraft ent­zogen und er wird anfällig für die Invasion von Viren, Keimen und Mikroben aus der Umwelt.

Der richtige Umgang mit dieser Lebens­kraft besteht darin, sich auf das Gefühl des Friedens und der Liebe zu uns selbst und der Menschheit ein­zu­stimmen. Diese Ein­stellung wird den inneren Mecha­nismus akti­vieren und es der Lebens­kraft ermög­lichen, durch unseren Körper zu fließen. So kommt es zu Gleich­ge­wicht und Har­monie mit der eigenen inneren Natur und dem phy­si­schen Körper. Dazu ist es aller­dings not­wendig, Zugang zu unserem inneren Selbst zu finden, das vom Ein­fluss der mate­ri­ellen Welt und den Anfor­de­rungen unserer kör­per­lichen Sinne über­schattet wird.

Die meta­phy­sische Wahrheit ist, dass Gedanken und Gefühle unsere Rea­lität erschaffen. Was auch immer unser Unter­be­wusstsein als wahr akzep­tiert, wird sich früher oder später in unserer Rea­lität abspielen. Wenn Sie Krankheit als einen unmit­telbar bevor­ste­henden und natür­lichen Vorgang emp­finden, werden Sie sie bekommen. Behalten Sie eine opti­mis­tische Ein­stellung bei, und die Dinge wenden sich zum Guten. Sie haben es in der Hand, Ihren Geist zu kon­trol­lieren. Es wird emp­fohlen, sich nicht mit depri­mie­renden und nega­tiven Gedanken auf­zu­halten, sondern sein Unter­be­wusstsein mit kon­struk­tiven und erbau­lichen Gedan­ken­mustern zu füttern. Diese Gedanken werden sich schluss­endlich in der Rea­lität herauskristallisieren.

Alle Pla­cebos sind ver­steckte Suggestionen

Die Frage des Pla­ce­bo­ef­fekts kann nur psy­cho­lo­gisch und meta­phy­sisch ver­standen werden. Die Effek­ti­vität von Pla­cebos beruht auf der Mög­lichkeit, den Pati­enten glauben zu lassen, dass etwas getan wurde. Bei einem Placebo handelt es sich dem­zu­folge um eine Sug­gestion, die den bewussten Ver­stand umgeht und auf das Unter­be­wusstsein ein­wirkt. Sobald das Unter­be­wusstsein die Sug­gestion annimmt, beginnt der Hei­lungs­prozess, sofern der Patient einen echten Wunsch nach Genesung ver­spürt. Somit sind alle Pla­cebos ver­steckte Sug­ges­tionen: Sie ändern die Erwartung des Pati­enten von einer geis­tigen Haltung der Krankheit zum „Gesund­werden“. Darauf fußt das ganze Konzept.

Das Problem liegt auch in den Glau­bens­mustern des Pati­enten. Wenn der Betroffene nicht an den Behan­delnden oder die Behandlung glaubt, kann das Placebo nicht wirken und den Hei­lungs­prozess ein­leiten. Der Grund dafür, dass ver­schiedene The­rapien bei unter­schied­lichen Pati­enten anschlagen, liegt darin, dass irgendeine davon „eine Saite zum Klingen bringt“ und das Unter­be­wusstsein akti­viert. Das ganze Konzept des Pla­ce­bo­ef­fekts läuft darauf hinaus, so zu tun, als ob. Letzt­endlich heilt sich der Patient selbst mit­hilfe eines Pla­cebos als „psy­cho­lo­gi­scher Unterstützung“.

Meine Defi­nition von Pla­cebos unter den Tau­senden, die bereits for­mu­liert wurden, lautet wie folgt: Ein Placebo ist ein psy­cho­lo­gi­sches Phä­nomen, eine ver­steckte Sug­gestion, die dem Pati­enten durch Mittel wie phar­ma­ko­lo­gisch unbe­denk­liche Sub­stanzen, kom­ple­mentäre und alter­native The­rapien, Methoden des Neuen Denkens und der­gleichen mit dem Ziel ver­mittelt wird, ihn glauben zu machen, dass etwas getan wird, um sein Leiden zu lindern. Sprich: sein Denken vom Krank­heits­zu­stand in den Gesund­heits­zu­stand zu über­führen, sei es durch vor­ge­täuschte Arz­neien, KAM oder posi­tives Denken. Sobald die neuen Glau­bens­muster vom Unter­be­wusstsein akzep­tiert werden, tritt die Heilung ein.

Warum sprechen manche Men­schen über­haupt nicht auf Behand­lungen an, egal ob mit oder ohne Medi­ka­mente? Das liegt daran, dass sie unbe­wusst ihre Heilung sabo­tieren oder an selbst­zer­stö­re­ri­schen psy­cho­lo­gi­schen Mecha­nismen fest­halten, die ihrem Wohl­be­finden ent­ge­gen­wirken. Bei­spiele dafür sind die Über­zeugung, dass man es nicht ver­dient, glücklich zu sein, Vor­stel­lungen von Selbst­be­strafung oder eine Märtyrergesinnung.

R. Barker Bausell, PhD, ein eme­ri­tierter Pro­fessor der Uni­versity of Maryland und For­schungs­leiter des von den National Insti­tutes of Health geför­derten Pro­gramms für kom­ple­mentäre und alter­native Medizin, hat ein inter­es­santes Buch mit dem Titel „Snake Oil Science: The Truth about Com­ple­mentary and Alter­native Medicine“ geschrieben. Er liefert wis­sen­schaft­liche Belege, mit denen sich die Thesen in meinen Büchern unter­mauern lassen. Ein wei­terer Wis­sen­schaftler aus dem Gebiet der Medizin, der mit seinem Team seit 20 Jahren zum Thema KAM forscht, ist Edzard Ernst, MD, PhD. Er hält sogar einige kon­ven­tio­nelle medi­zi­nische Ver­fahren für Pla­cebos.4

Den schlüs­sigsten Beweis für die Rege­ne­ra­ti­ons­kraft des Körpers liefern neuere Wis­sen­schaften wie die Neu­ro­wis­sen­schaft, die neue Bio­logie (Epi­ge­netik), die Quan­ten­physik, Tie­fen­psy­cho­logie und Psychoneuro­immunologie (PNI). Dr. Bruce H. Lipton, ein renom­mierter Zell­biologe, pos­tu­liert, dass Gedanken und die Umwelt einen direkten Ein­fluss auf unsere Gene ausüben. Früher gingen Wis­sen­schaftler davon aus, dass die Bio­logie des Men­schen von Genen und DNA bestimmt wird. Neue Erkennt­nisse haben jedoch gezeigt, dass es in Wahrheit genau umge­kehrt ist. Unsere geis­tigen Über­zeu­gungen üben Kon­trolle über Gene und DNA aus.

Mit seinem Artikel „Mind Over Genes: The New Biology“ legt Dr. Lipton einen aus­ge­zeich­neten Essay vor, der unter Ein­bezug der Bedeutung des Geistes und der Seele eine wis­sen­schaft­liche Erklärung für den Mecha­nismus der Spon­tan­re­mission liefert. Dieser bio­lo­gische Durch­bruch ist aus­schlag­gebend für das ganze Gebiet der Heilung, denn er bestätigt, dass wir völlig andere Bot­schaften an unsere Zellen senden und diese neu pro­gram­mieren können, wenn wir unsere Wahr­neh­mungen und Über­zeu­gungen ändern. Der Fokus wird damit auf den bei­der­sei­tigen Glauben von Behan­delndem und Pati­enten an die Magie der Heilung gelegt.

Kom­ple­mentäre und alter­native Therapien

In meinen Büchern „Healing Without Medicine“ und „Awaken the Power Within“ ana­ly­siere ich die meisten der alter­na­tiven und kom­ple­men­tären The­rapien und liefere schlüssige Erklä­rungen für ihre Erfolge und Miss­erfolge. Auch Dr. Barker Bausell nimmt in „Snake Oil Science“ eine umfas­sende Unter­su­chung eines Groß­teils der auf dem Markt befind­lichen kom­ple­men­tären und alter­na­tiven Medizin (KAM) vor. Er gibt an, das Buch ver­fasst zu haben, nachdem er genügend Material für eine gründ­liche Bewertung der kom­ple­men­tären und alter­na­tiven Medizin zusam­men­ge­tragen hatte, und kommt zu dem Schluss, dass alle KAM-Methoden nichts weiter als Pla­cebos seien. Er schließt das Buch fol­gen­der­maßen ab:

„KAM-The­rapien sind nichts anderes als geschickt ver­packte Pla­cebos. Und das ist so ziemlich alles, was es über die Wis­sen­schaft der kom­ple­men­tären und alter­na­tiven Medizin zu sagen gibt.“5

Dr. Rick Ingrasci ergänzt die oben genannte Aussage mit den Worten:

„Der Pla­ce­bo­effekt liefert den spek­ta­ku­lären Beweis, dass alle Heilung im Wesent­lichen auf Selbst­heilung beruht.“6

Ein wei­terer Doktor der Medizin, Bruce Moseley, ein ange­se­hener euro­päi­scher Chirurg, führte eine Studie über die Wirk­samkeit von Pla­cebos bei Men­schen mit anhal­tenden Knie­schmerzen durch. Er kam zu dem Schluss:

„In dieser kon­trol­lierten Studie an Pati­enten mit Knie­ar­throse waren die Ergeb­nisse nach einer arthro­sko­pi­schen Lavage oder einem arthro­sko­pi­schen Débri­dement nicht besser als die Ergeb­nisse nach einem Placebo-Ein­griff.“7

Einfach aus­ge­drückt: Die Ergeb­nisse der von Moseley durch­ge­führten Ein­griffe waren nicht besser als die Ergeb­nisse der „Schein­ope­ra­tionen“, die den Pati­enten vor­ge­gaukelt wurden.

Bau­sells Buch über­zeugt durch eine umfang­reiche Doku­men­tation aus vielen Jahren der For­schung und kon­se­quente Wis­sen­schaft­lichkeit. Die Arbeit wurde von Medi­zinern und Ärzten befür­wortet. Und doch (es gibt immer ein Aber): Er ver­nach­lässigt dabei die enorme Fähigkeit des mensch­lichen Körpers, seine Gesundheit wie­der­zu­er­langen, ein Phä­nomen, das medi­zi­nische Wis­sen­schaftler als „Spon­tan­heilung“ oder „Spon­tan­re­mission“ bezeichnen.

Die Geist-Körper-Ver­bindung wird von vielen Autoren und Ärzten ange­führt, um einen Grund für uner­klär­liche Hei­lungen anzu­bieten. Aller­dings fehlt in der Dis­kussion darüber meist ein wesent­licher Faktor. In Wirk­lichkeit ist es nämlich nicht nur der Körper, der sich anscheinend selbst heilt. Jen­seits des bewussten Ver­standes gibt es einen unsicht­baren und mäch­tigen Wagen­lenker: das Unter­be­wusstsein, auch bekannt als sub­jek­tiver Ver­stand. Der meta­phy­sische Ansatz besagt, dass das Unter­be­wusstsein für Sug­ges­tionen emp­fänglich ist – und in den meisten Fällen handelt es sich bei diesen Sug­ges­tionen um ein Placebo.

Émile Coué, der in Frank­reich an der Schule von Nancy in Hypnose aus­ge­bildet wurde, war der Auf­fassung, dass Men­schen sich selbst durch Auto­sug­gestion heilen können. Demnach bräuchte man keinen Heiler, der die Sug­gestion vor­nimmt, da die Pati­enten die Auto­sug­gestion selbst durch­führen könnten. Die eigent­liche Rolle des Heilers bestehe darin, dem Pati­enten zu helfen, sich selbst zu heilen. Daher sollen den Lesern auch hier die Mittel an die Hand gegeben werden, zu ver­stehen, dass sie selbst die Macht über sich haben und Glück und Gesundheit ver­dienen. Das ist ihr unver­äu­ßer­liches Geburtsrecht.

Folglich ist der Pla­ce­bo­effekt ein schlüs­siger Beweis dafür, dass das Unter­be­wusstsein als Heiler des Körpers wirkt. Wenn ein Placebo den bewussten Ver­stand umgeht und den inneren Hei­lungs­me­cha­nismus in Gang setzt, dann kommt man unwei­gerlich zu dem Schluss, dass es sich beim größten Teil der Heilung im Wesent­lichen um Selbst­heilung handelt. Wie funk­tio­niert das? Die Lösung liegt in der uner­mess­lichen Fähigkeit des Körpers, seine Gesundheit wie­der­her­zu­stellen. Und wie können wir diese Fähigkeit akti­vieren? Die Antwort lautet: durch Sug­gestion und Placebos.

Das Problem dabei ist, dass die meisten Men­schen ihre Macht der Selbst­be­stimmung und die Kon­trolle über ihr Wohl­be­finden und ihre Gesundheit auf­ge­geben haben. Dadurch sind sie den Über­zeu­gungen und Mei­nungen anderer Men­schen und der All­tags­auf­fassung aus­ge­liefert. Unter All­tags­auf­fassung ver­stehe ich den Ein­fluss der Mas­sen­medien und eines tra­di­tio­nellen Irr­glaubens, der von Lehrern, Eltern und anderen Per­sonen wei­ter­ge­geben wird. Einige Phar­ma­firmen inves­tieren Mil­lionen Dollar in die Sug­gestion sai­so­naler Krank­heiten über die Kanäle der Mas­sen­medien, die zu starken Sug­ges­tionen werden, wenn die Ärz­te­schaft sich dem anschließt.

End­noten

  1. Die Region Neu­england im nord­öst­lichen Teil der Ver­ei­nigten Staaten von Amerika war eine der frü­hesten eng­li­schen Sied­lungen und setzt sich heute aus den sechs Staaten Maine, Mas­sa­chu­setts, New Hamp­shire, Vermont, Con­nec­ticut und Rhode Island zusammen. Die Neu­geist­be­wegung ist ein ame­ri­ka­ni­sches „Produkt“, das in dieser Gegend ent­stand, gedieh und sich von dort aus auf der ganzen Welt ausbreitete.
  2. Hier nehme ich Bezug auf mein Buch „Healing Without Medicine: From Pio­neers to Modern Practice“ (Quest Books, 2014)
  3. Vgl. Cousins, N.: „Anatomy of an Illness: As Per­ceived by the Patient“ (W. W. Norton & Company Inc., 1979)
  4. Edzar Ernst, MD, PhD, lässt auf seiner offi­zi­ellen Website ver­lauten: „Zwei Jahr­zehnte lang habe ich alter­native Medizin erforscht. Mit­hilfe meines Teams habe ich etwa 40 kli­nische Studien durch­ge­führt und mehr als 100 sys­te­ma­tische Über­sichts­ar­beiten im Bereich der Alter­na­tiv­me­dizin ver­öf­fent­licht. Wir waren die bei Weitem pro­duk­tivste For­schungs­einheit in diesem Stu­di­en­be­reich. 14 Jahre lang rich­teten wir eine jähr­liche inter­na­tionale Kon­ferenz für For­scher auf diesem Gebiet aus. Viele der füh­renden Kol­legen kenne ich per­sönlich und ver­stehe daher ihre Denk­weise. Ich habe jedes mög­liche Argument für oder gegen die alter­native Medizin Dut­zende Male durch­ge­spielt.“ Abge­rufen am 30.03.2013, https://tinyurl.com/y5mgxvht
  5. Barker Bausell, R.: „Snake Oil Science: The Truth about Com­ple­mentary and Alter­native Medicine“ (Oxford/New York: Oxford Uni­versity Press, 1977), S. 275
  6. Zitiert nach Fer­guson, M.: „The Aquarian Con­spiracy: Per­sonal and Social Trans­for­mation in the 1980s“ (Los Angeles: Tarcher, 1980), S. 249
  7. Moseley, B. et al.: „A Con­trolled Trial of Arthro­scopic Surgery for Osteo­ar­thritis of the Knee“ inN Engl J Med,2002, 347:81–88, https://tinyurl.com/y7juseqf

Quelle: nexus-magazin.de