Es war ein ruhiger und angenehmer Samstagabend, als die damalig 16-jährige Lena zusammen mit einer Freundin auf eine Party gehen wollte. Frohen Mutes erreichten die beiden Mädchen gegen 18.00 Uhr das anvisierte Haus in der Ingolstädter City. Das bunte Treiben dort nahm recht schnell Fahrt auf und alle schienen ihren Spaß zu haben. Die Stunden vergingen daher recht schnell und die Feier neigte sich allmählich dem Ende. Nach und nach verließen daher immer mehr Gäste das Geschehen, was die Zahl der Verbliebenen überschaubar machte. Am Ende, so etwa um 23.00 Uhr, waren es noch ungefähr 8 Personen – der vermeintlich „harte Kern“. Auch Lena und ihre beste Freundin gehörten dazu. In gemütlicher Runde vergnügte man sich nun mit lustigen Gesellschaftsspielen, alterstypischen Gesprächsrunden und dem Genuss leichter alkoholischer Getränke, was die allgemein eh schon gelockerte Stimmung noch zusätzlich entspannter werden ließ. Kaum verwunderlich also, dass nun auch zunehmend dumme Ideen und relativ fragwürdige Beschäftigungsvorschläge kursierten. Eine davon, die aber alle recht interessant und spannend fanden, war das Abhalten einer vermeintlichen Geisterbeschwörung.
(von Thorsten Läsker)
Der Gastgeber und zugleich Urheber des brisanten Vorschlags besaß ein entsprechendes Utensil für derlei okkulte Zeremonien. Angeheizt durch die allgemeine Begeisterung der Anwesenden stürmte der junge Mann sogleich los, um das sogenannte „Ouija-Board“ aus dem Keller zu holen. Und dann lag es vor ihnen ausgebreitet auf dem Tisch, ein mit allerlei Zahlen, Buchstaben, Symbolen und Wörtern versehenes Spielbrett. Alles wirkte sehr mystisch und faszinierend auf die Jugendlichen. Die stetig größer werdende Verlockung, sich nun endlich näher damit zu beschäftigen, wuchs daher von Sekunde zu Sekunde. Das mutmaßliche Spiel, durch welches man angeblich mit verstorbenen Seelen, Geistern und Dämonen kommunizieren könne, konnte demnach beginnen.
Zuerst wurde das Licht ausgeschaltet, stattdessen ein paar Kerzen entfacht, bevor sich anschließend alle um den Tisch herum versammelten und der Gastgeber kurz den Ablauf und die Regeln erläuterte. Als Nächstes platzierte der junge Mann noch eine kleine dreieckige Platte, die sogenannte „Planchette“, auf dem bunt bedruckten Spielbrett, welche als eine Art Zeiger dienen sollte. Und schon konnte es losgehen. Jeder der Anwesenden legte nun einen Finger auf diese bewegliche Planchette, sollte sich dabei aber so still wie möglich verhalten. Dann wurden die ersten Fragen gestellt. Erwartungsgemäß passierte erst einmal gar nichts, was natürlich einige dumme Sprüche und Witzeleien nach sich zog. Michael, der Chefveranstalter des Ganzen, reagierte leicht verärgert auf die unpassenden Reaktionen seiner Mitstreiter und bestand daher erneut auf Ruhe und Konzentration, da ein Erfolg seiner Meinung nach ansonsten schwerlich zu bewerkstelligen wäre. Nachdem sich die anfängliche Aufregung gelegt hatte, wurde ein nächster Versuch gestartet. Abermals wandte sich Michael an die imaginäre jenseitige Welt und bat um einen direkten Kontakt. Die Stimmung nahm nun zunehmend gruseligere und düstere Züge an, und selbst die größten Zweifler und Spaßmacher waren inzwischen voll bei der Sache.
Die Erwartungshaltung wuchs ins Unermessliche. Auch Lena war die Anspannung deutlich anzumerken. Mit festem Blick fixierte sie das Ouija-Brett und lauerte dabei auf ein anfängliches Zeichen. Und plötzlich schien tatsächlich etwas zu passieren, denn auf einmal zeigte die Planchette erste zaghafte Regungen. Sofort intensivierte der gastgebende Geisterbeschwörer seine Bemühungen und versuchte so die Kontaktaufnahme zu verstärken. Dabei wiederholte er stets die gleichen Fragen und Beschwörungsformeln, wollte so dem Ganzen ein wenig mehr Nachdruck verleihen. Diese Hartnäckigkeit schien sich letztendlich sogar auszuzahlen, da das bewegliche Zeigebrettchen nun wahrlich an Dynamik zunahm und mit immer deutlicheren Bewegungen agierte. Auf klare Fragen folgten inzwischen klare Antworten, indem die Planchette entweder auf das „Ja“- oder das „Nein“-Feld zog. Nach und nach wurden nun auch immer häufiger die einzelnen Zahlen und Buchstaben mit einbezogen, wodurch sich zunehmend längere Wörter und sogar ganze Sätze bildeten. Es entstand ein regelrechter Dialog, bei dem die Teilnehmer immer mehr Details über ihren unbekannten Besucher zu erfahren schienen. Im Zuge dessen erhöhte sich aber auch die Bewegungsgeschwindigkeit der Planchette zusehends, bis sie irgendwann regelrecht über das Brett raste. Die Jugendlichen hatten zwar nach wie vor einen Finger darauf, doch geschahen diese Züge dennoch angeblich selbstständig, also ohne manuelles Zutun der Anwesenden, zumindest behaupteten das alle.
Natürlich wurde dies durch gegenseitiges Hinterfragen abgeklärt, aber jeder schwor felsenfest, für keine der erfolgten Bewegungen verantwortlich gewesen zu sein, sondern den eigenen Finger stets völlig still gehalten zu haben. Es schien demnach so, als hätten sie es tatsächlich mit einer unsichtbaren und fremden Präsenz zu tun, welche auf diese Weise mit ihnen zu kommunizieren versuchte. Lena bezeugte zwar ebenfalls ihre Unschuld, trotzdem kam ihr das Ganze schon sehr seltsam und unglaubwürdig vor. Für einige der anwesenden Mitstreiter wollte sie anfänglich zumindest keine Garantie dafür übernehmen, dass diese nicht vielleicht doch alles nur manipulierten und die Bewegungen demnach selbst ausführten. Doch dann geschah etwas Unverhofftes. Etwas, das Lenas vorherrschende Skepsis vollends verfliegen und sie wahrlich an ihrem Verstand zweifeln lassen sollte, denn mit einem Mal ertönte plötzlich ein lauter Knall, wie wenn etwas mit voller Wucht gegen das Zimmerfenster gedonnert wäre. Als Nächstes gingen auch noch einige der aufgestellten Kerzen wie von Geisterhand aus. Zudem fühlte es sich so an, als würde den Jugendlichen ein kalter Hauch um das Gesicht ziehen, einem nach dem anderen, einmal reihum.
Alle erschraken natürlich fürchterlich und nahmen sofort die Hand von der Planchette. Doch dann der nächste Schock, denn kurz darauf schoss das losgelassene Teil mit einem Affenzahn über das Ouija-Brett hinaus und flog krachend gegen die etwa 2 Meter weit weg liegende Wand. Der Aufprall war so hart gewesen, dass sogar eine kleine Beschädigung am Mauerwerk entstand. Der selbstständig gewordene Zeiger wiederum schien den Zusammenstoß recht unbeschadet überstanden zu haben. Stattdessen lag dieser nun auf dem Boden herum und drehte sich dabei in einem Wahnsinnstempo um die eigene Achse, völlig selbstständig und immer an der gleichen Stelle. Dieses unfassbare Schauspiel dauerte etwa 30 Sekunden, bevor die sprichwörtlich wildgewordene Planchette urplötzlich stoppte und anschließend keinerlei Regung mehr von sich gab. Kurz darauf zog den Jugendlichen noch einmal dieser kalte Windhauch um das Gesicht, der ihnen allen förmlich die Haare zu Berge stehen ließ. Dann hörte der Spuk auf und alles wurde ganz still.
Mit offenstehenden Mündern und vollends entgleisten Gesichtszügen saßen sie nun da und rangen sichtlich um Fassung. Ungläubig suchten sie gegenseitig nach einer Erklärung für das eben Erlebte, doch keiner hatte auf Anhieb eine vernünftige Antwort parat. Einige der Mädchen begannen daraufhin zu weinen und zu toben, woraufhin der Gastgeber einen ersten Versuch unternahm, beschwichtigend auf seine sichtlich verstörten Gäste einzuwirken. Auch Lena hatte es regelrecht die Sprache verschlagen. Mit ängstlicher Mine saß sie da und schnappte nach Luft. Dennoch wollte und konnte sie nicht an die Echtheit des Ganzen glauben, genauso wie einige andere auch nicht. Daher begannen nun langsam die ersten Verdächtigungen und Manipulationsvorwürfe untereinander, doch niemand bekannte sich schuldig. Besonders Michael stand im Kreuzfeuer und musste sich einiger böser Anschuldigungen erwehren. Nichtsdestotrotz bestand er darauf, diese spiritistische Sitzung ordnungsgemäß abzuschließen, da es seiner Meinung nach ansonsten zu unvorhergesehenen Folgen hätte kommen können. Obwohl die meisten zwar noch immer an ihrer Betrugstheorie festhielten, ließen sich dennoch alle zu einer letzten Zusammenkunft überreden. Zu groß schien am Ende dann doch die Ungewissheit und zu verängstigend wirkten wohl auch die mahnenden Worte des Gastgebers.
Daher folgte zähneknirschend das notwendige Schlussritual, durch welches der Geist bzw. der Dämon zurück in seine Welt verabschiedet und jegliches offenstehende Portal verschlossen werden sollte. Das Ganze verlief dann auch recht ruhig und unspektakulär ab. Anschließend wurde das Ouija-Board samt Zubehör eingepackt und schnellstmöglich zurück in den Keller gebracht. Die Party schien somit ihr Ende gefunden zu haben und alle verließen recht zügig den Ort des Geschehens. Lena war eine der Ersten, die aufbrach, zusammen mit ihrer besten Freundin. Unterwegs sprachen sie fast kein Wort miteinander, zu tief saß wohl noch immer der offensichtliche Schock.
Selbst Tage später versuchte jeder, dieses brisante Thema irgendwie zu umgehen. Man wollte dieses Erlebnis offenbar aus dem Gedächtnis verbannen und am besten nie wieder erwähnen. Ein harmlos wirkendes Partyspiel wurde somit bitterböser Ernst und dürfte für alle anwesenden Jugendlichen eine Lehre gewesen sein. Mit dem Jenseits oder irgendwelchen fremden Sphären sollte man nicht spielen oder seine Späße damit treiben und besonders kein Portal dorthin öffnen, denn am Ende weiß man nie, wer da alles so durchkommt und vielleicht nicht mehr dahin zurück möchte.
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