Neue politische Vorhaben beginnen oft mit einem Flüstern, vielleicht auch mit einem kuriosen Artikel oder einer unbedeutenden Studie eines unbekannten Professors an einer Universität in der Provinz. Aufgabe ist, ein Problem zu lösen, auf das die Politik seit Jahrzehnten mit allem einschlägt, was sie in die Finger bekommt und damit alles nur schlimmer macht. Da sind unkonventionelle Lösungsvorschläge willkommen, selbst wenn sie ins aberwitzige Abbiegen. Deshalb erst mal ein Disclaimer: „Wer den Vorschlag des Regensburger Hochschulprofessors Steffen Sebastian zum Kampf gegen die Wohnungsnot erstmals hört, muss sich ein wenig schütteln“ schreibt die WELT treffend. Professor Sebastians Idee kann man vielleicht so zusammenfassen: weniger Mieterschutz und kein Bestandsschutz für Altverträge. Der dann steigende Mietspiegel soll mit mehr Wohngeld ausgeglichen werden. Für manche. Die Krux seien nämlich die Alten, die allein in ihren viel zu großen Wohnungen säßen, die sie sich trotz magerer Rente dank alter Verträge mit Bestandsschutz sogar leisten könnten. Junge, aufstrebende Fachkräfte mit ihren viele Kindern guckten indes in die Röhre. Wir haben, so Sebastian, eigentlich keinen Wohnungsmangel, sondern vielmehr ein Verteilungsproblem. Und wer, wenn nicht der Staat könnte sich wohl für derlei Logistik als Schaufel anbieten?
„Die Bundesregierung wird gar nicht um die Diskussion herumkommen, wie das Wohngeld oder das Gebäudeenergiegesetz finanziert werden sollen.“ Zitiert die WELT Sebastian weiter. Habecks Heizhammer, dass nur am Rande, wird hier übrigens so korrekt wie knapp als Finanzierungsrisiko eingestuft. Der Staat ist eben nicht nur ein fantastischer Problemlöser, er schafft die zu lösenden Probleme auch gleich! Und was macht der Staat, wenn ihm die Mittel für das Wohngeld ausgehen? Mehr Wohngeld zahlen, ist doch logisch:
„Der Ansatz, den das Forscherteam des Immobilieninstituts IREBS der Uni Regensburg um Sebastian vorgelegt hat, ist daher viel radikaler: Er sieht einen kompletten Systemwechsel vor, weg vom Schutz günstiger Mieten hin zum Wohngeld für sehr viel mehr Menschen als bisher. Durch zumindest annähernd marktgerechte Mieten sollen Menschen „motiviert“ werden, sich mit weniger Fläche zu begnügen. Oder sie sollten den Luxus ihrer großen Behausung eben zu fairen Konditionen bezahlen, jenen also, mit denen auch Neumieter konfrontiert sind.“
Weniger ist also das neue mehr. Wo nur habe ich das in jüngster Zeit schon gehört…ach richtig, das Schwab’sche Motto „You will own nothing and you will be happy“ geht ja auch in diese Richtung. Und ist es nicht großzügig, dass der Staat sich als helfende Hand in die Mietverhältnisse hineinschmeicheln möchte, weil er natürlich besser weiß als wir selbst, was „zu viel“ für uns ist? Aber was heißt hier „marktgerecht“? Märkte bilden sich durch freie Informationen im freien Spiel aus Angebot und Nachfrage, nicht durch wie auch immer genannte Subventionen, staatliche Zuteilungen und Kontrollen, die auch noch auf Permanenz gestellt werden sollen. Und was hat bitte „fair“, dieses Wieselwort aus Sozialkundeunterricht und Schulhofprügelei im Sinnzusammenhang mit „marktgerecht“ zu suchen?
„Die neuen Mietspiegel würden zwar zumindest zunächst immer noch unter der aktuellen Marktmiete liegen. Aber vor allem Mieter mit sehr niedrigen Mieten und vergleichsweise hohem Einkommen würden damit schon bald sehr viel mehr zur Kasse gebeten.“
Wir lernen: Miete, das ist nicht etwa der Preis, der für die Bereitstellung von Wohnraum, dessen Erhaltung, Sanierung, Risiko, Verwaltung und den Kapitaldienst fällig wird, den der Besitzer der Immobilie der Bank für die Nutzung eben dieses Wohnraums zahlt, sondern künftig ein Vorwand für den Staat, einkommensanhängig zur Kasse zu bitten. Gewissermaßen als zweite Einkommenssteuer.
Subventionen zurückfordern, die nie gezahlt wurden
„Wer es sich leisten kann, solle gern in seiner großen Wohnung bleiben, aber nicht länger durch die Gemeinschaft gefördert werden. […] Denn nichts anderes sei der Bestandsschutz, so Sebastian: eine Subvention, nach dem Gießkannenprinzip verteilt statt nach Bedürftigkeit. Sie enthalte dem Fiskus Einnahmen durch Steuern auf höhere Mieteinnahmen vor.“
Steuern, die mangels Anlasses nicht erhoben wurde, definiert Sebastian mal eben als Subvention. Wer zu billig wohnt und das auch noch länger vertraglich fixiert hat, enthält dem Fiskus also Einnahmen vor. Das ist so irre, dass mir vor Verblüffung die Analogien fehlen. Vielleicht passt diese: Sie kaufen im Supermarkt Butter für 1,50 Euro. Am nächsten Tag wird der Preis auf 2 Euro erhöht, der Staat zieht bei ihnen nun nachträglich 50 Cent ein, weil Sie nach dem „Gießkannenprinzip“ vom gestrigen Butterbestandsschutz und damit unberechtigterweise von Subventionen profitiert haben und andere Kunden sich Butter heute für 2 Euro nicht leisten können. Ich bin ja kein Jurist, aber mit Butter kenne ich mich aus. Solch eine Regelung verstieße mit Sicherheit gegen die Buttervertragsfreiheit und nähme mir Subventionen weg, die ich nie erhalten habe, für die ich mit meinen Steuern aber doppelt zur Kasse gebeten werde.
„Platz für Familien würde frei – und wer sich die hohe Miete für einen von der Größe her angemessenen Wohnraum nicht leisten kann, bekommt Wohngeld. Je nach Region und Miethöhe hätte womöglich dann auch der Polizist, die Grundschullehrerin, der Handwerksmeister mit drei Kindern Anspruch. Das alles würde aus einem „Vermieter-Soli“ finanziert, der gespeist würde aus Steuern auf die nun üppiger sprudelnden Mieteinnahmen.“
Vergessen wir für einen Moment, welche Familien der Professor für seinen Klienten Staat im Sinn hat, für die Platz frei werden muss. Es können ja nicht jene sein, für deren Belange die Demonstranten mit „Wir haben Platz“-Schildern auf der Straße standen. Das wäre ja…nun ja…albern. Entscheidend in der Formulierung ist, dass die Mieteinnahmen und Steuern „üppig sprudeln“. So etwa stellen sich nämlich die Etatisten aller Zeiten und Farben das Schlaraffenland vor. Mit feinem Spachtel nimmt der Staat, dieser Künstler und Humanist, hier und da weg, fügt dort und da hinzu, reguliert, balanciert, kontrolliert…doch wir sprechen hier vom selben Staat, der die durch ihn verursachte Energiepreisexplosion durch Pauschalen und Preisdeckel (unter Robespierre hieß das noch pragmatisch „maxima“) unter Kontrolle bringen will, der Inflation mit Gelddrucken bekämpft, der Mietpreisbremsen das Wort redet, der das Baurecht gefühlt jede Woche ändert, Flughäfen und Bahnhöfe mit dem Tempo der Plattentektonik baut, Immobilienfirmen mit Enteignungen droht und seinen Bürgern eine Grundsteuerreform um die Ohren haut, dass es das halbe Land vor Wut schüttelt. Dieser Staat soll also wirklich…und das soll gut ausgehen? Für wen eigentlich?
Nun, die Parteien, die diesen Staat als Beute unter sich aufgeteilt haben, sind da laut WELT-Artikel auch noch etwas skeptisch. Noch! Für die SPD wäre eher „eine Steuererhöhung für Gut- und Besserverdienende zur Refinanzierung eines erhöhten staatlichen Wohngeldetats denkbar“. Wer hätte das gedacht! Und sogar die Grünen halten (noch) nichts davon, die Alten aus ihren großen Wohnungen zu werfen und kommen uns mal ausnahmenweise sprichwörtlich deutsch: „Alte Bäume verpflanzt man nicht. Daran werden wir uns halten.“ Grüne holzen solche alten Bäume bekanntlich lieber ab, wie wir vom hessischen Reinhardswald wissen.
Doch wie gesagt, alles beginnt mit einem Flüstern, einem Gerücht, das sich mit einem ungläubigen „die können doch nicht…“ oder einem schon verzweifelter klingenden „die werden doch wohl nicht…“ anfangs leicht wegwischen lässt. Bis es sich zu „gestaltender“ Politik verfestigt und einen weiteren Bereich der Gesellschaft unter Ideologie begräbt. Denn sie wollen und werden. Und sie haben auch längst.
Und dann waren plötzlich Vertragsfreiheit und Bestandsschutz weg. Oder die Freiheit zu entscheiden, wie man heizt oder wann und wie man eine Immobilie saniert. Oder die Möglichkeit, dank individueller, erschwinglicher Mobilität aufs Land bzw. an die Stadtränder zu ziehen, wo Mieten und Immobilienpreise günstiger sind. Oder auf politische Zusagen und Verträge vertrauend selbst zu bauen. Kurz: sich so zu verhalten, wie das freie Menschen auf freien Märkten mit soliden, vom Staat geschützten Regeln tun. Doch Eigentum verpflichtet nicht mehr in diesem Land und bindet die Bürger nicht mehr durch Verantwortung an ihre Heimat, sondern es fesselt sie mehr und mehr, macht sie zu Geiseln einer überdrehten Politik und kann zum existenziellen Risiko werden. Glück erlangt in dieser Dystopie erst wieder, wer nichts mehr besitzt. Wohin man auch schaut in diesem Land, überall wird gerade das Märchen vom „Hans im Glück“ aufgeführt. Wohl dem, der seinen Klumpen Gold in Sicherheit bringen kann, bevor ihm die Politik Schleifsteine um den Hals geredet hat.
Quelle: unbesorgt.de
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