Universität Cambridge, Bild von Pixabay.com Autor alexxxis

Neu­estes Opfer der geschichts­klit­ternden Sprach­po­lizei: Die Angelsachsen

Vor wenigen Tagen wurde in Teilen der bri­ti­schen Presse, in der Daily Mail, im Tele­graph und bei GB News von einer am 06. Mai bekannt­ge­ge­benen Ent­scheidung der Uni­ver­sität Cam­bridge berichtet, ihre seit dem Jahr 1972 exis­tie­rende und hoch­an­ge­sehene Zeit­schrift mit dem Titel “Anglo-Saxon England” (“Das angel­säch­sische England”) umzu­be­nennen in “Early Medieval England and its Neigh­bours” (“Das früh­mit­tel­al­ter­liche England und seine Nachbarn”).

Anglo Saxon Helmet, Sutton Hoo, Suffolk; A repro­duction of the helmet rebuilt from the frag­ments found in mound 1 in 1949. Photo by Chris Eccles; CC BY-ND2.0 DEED

 

Auf der Internet-Seite, die der Zeit­schrift gewidmet ist, heißt es (noch) treffend:

Anglo-Saxon England is reco­g­nised inter­na­tio­nally as the foremost regular publi­cation in its field. In fact it is the only one which con­sis­t­ently embraces all the main aspects of study of Anglo-Saxon history and culture – lin­gu­istic, literary, textual, palaeo­graphic, reli­gious, intellectual, his­to­rical, archaeo­lo­gical and artistic. Espe­cially it seeks to exploit the advan­tages of a broadly based inter­di­sci­plinary approach. Each volume pro­vides a sys­te­matic biblio­graphy of all the works published in every branch of Anglo-Saxon studies during the pre­ceding twelve months. The journal’s edi­torial board follows a strict policy of reviewing sub­mis­sions, and invites con­tri­bu­tions (in English) from expe­ri­enced and pro­mising scholars from any­where in the world”,

d.h.

“[Die Zeit­schrift] Anglo-Saxon England gilt inter­na­tional als die wich­tigste Publi­kation auf diesem Gebiet. In der Tat ist es die einzige [Zeit­schrift], die kon­se­quent alle Haupt­aspekte des Stu­diums der angel­säch­si­schen Geschichte und Kultur umfasst – lin­gu­is­tische, lite­ra­rische, text­liche, paläo­gra­phische, reli­giöse, intel­lek­tuelle, his­to­rische, archäo­lo­gische und künst­le­rische. Ins­be­sondere sollen die Vor­teile eines breit ange­legten inter­dis­zi­pli­nären Ansatzes genutzt werden. Jeder Band enthält eine sys­te­ma­tische Biblio­graphie aller Werke, die in den letzten zwölf Monaten in jedem Zweig der angel­säch­si­schen Studien ver­öf­fent­licht wurden. Die Redaktion der Zeit­schrift folgt einer strengen Richt­linie der Über­prüfung von Ein­rei­chungen und lädt Bei­träge (in eng­li­scher Sprache) von erfah­renen und viel­ver­spre­chenden Wis­sen­schaftlern aus der ganzen Welt ein”.

Was kann die Uni­ver­sität oder den uni­ver­si­täts­ei­genen Verlag dazu bewogen haben, die Angel­sachsen, um deren Geschichte und Kultur in allen ihren Aspekten es in der Zeit­schrift doch seit nunmehr über fünf Jahr­zehnten geht, aus dem Titel der Zeit­schrift zu verbannen?

Einige ver­muten, dass hinter der Ver­bannung der Angel­sachsen aus dem Titel der ihnen gewid­meten Zeit­schrift die Absicht steht, einer aus den USA impor­tierten Emp­find­lichkeit Rechnung zu tragen. So berichtet bei­spiels­weise “[Daily]Mail Online“, dass der His­to­riker Dominic Sand­brook auf die Umbe­nennung der Zeit­schrift mit der Ein­schätzung reagiert habe, dass die Her­aus­geber “‘didn’t have the courage to say no to a handful of mad Ame­ricans”’. Diese “Handvoll ver­rückter Ame­ri­kaner” will den Begriff “Anglo-Saxons” aus dem all­ge­meinen Sprach­ge­brauch streichen, weil er (angeblich oder tat­sächlich) von weißen Supre­ma­tisten in den USA benutzt worden sei oder würde, um Men­schen bri­ti­scher Her­kunft mit weißer Haut zu beschreiben.

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Bereits im Jahr 2019, so berichtet “[Daily]Mail Online” weiter, änderte die Inter­na­tional Society of Anglo-Saxo­nists” auf­grund der mit dem Begriff “Anglo-Saxon” ver­bun­denen “pro­ble­matic con­no­ta­tions” (“pro­ble­ma­ti­schen Kon­no­ta­tionen”) ihren Namen in “Inter­na­tional Society for the Study of Early Medieval England” (ISSEME), ohne diese “pro­ble­ma­ti­schen Kon­no­ta­tionen” jedoch in ihrer Erklärung zur Sache zu erläutern. Lediglich von “appro­pria­teness of the[…] lan­guage in terms of both scho­larly rigour and sen­si­ti­vities of col­le­agues from all back­grounds”, d.h. von “Ange­mes­senheit der[…] Sprache in Bezug auf wis­sen­schaft­liche Strenge und Emp­find­lich­keiten von Kol­legen aus allen Bereichen”, ist die Rede, gefolgt vom inzwi­schen üblichen “virtue signalling” mit Bezug darauf, dass man sich gegen Vor­ur­teile und Dis­kri­mi­nierung hin­sichtlich von Rasse, Natio­na­lität und sexu­eller Ori­en­tierung verwahre.

Irgendwie scheint der Begriff “Anglo-Saxons” für manche “Kol­legen” unter den His­to­rikern, viel­leicht “Kol­legen” eines “bestimmten Hin­ter­grundes” “sen­sibel” zu sein, und dies anscheinend mit Bezug auf Haut­farbe oder eth­ni­scher Zuge­hö­rigkeit der Angel­sachsen oder mit Bezug auf den Bezug auf Haut­farbe oder eth­ni­scher Zuge­hö­rigkeit der Angel­sachsen durch Leute, die die “Kol­legen” nicht mögen oder weil die “Sen­siblen” ihre höchst­per­sön­lichen Asso­zia­tionen zwi­schen Angel­sachsen, ihren bio­lo­gi­schen Nach­fahren, Eng­ländern und Natio­na­lismus her­stellen. Der “Tele­graph” berichtet dies­be­züglich:

“The publication’s editors include aca­demics from the University’s Department of Anglo-Saxon, Norse and Celtic which pre­viously claimed its tea­ching aimed to ‘dis­mantle the basis of myths of natio­nalism’ by explaining that the Anglo-Saxons were not a distinct ethnic group. The department said its approach also aims to show that there were never ‘coherent’ Scottish, Irish and Welsh ethnic iden­tities with ancient roots”,

d.h.

“Zu den Her­aus­gebern der Publi­kation [der nunmehr umbe­nannten Zeit­schrift] gehören Wis­sen­schaftler der Abteilung für Angel­säch­si­sches, Nor­di­sches und Kel­ti­sches der Uni­ver­sität, die zuvor behaup­teten, dass ihre Lehre darauf abzielte, die Grundlage der Mythen des Natio­na­lismus zu demon­tieren, indem sie erklärten, dass die Angel­sachsen keine eigen­ständige eth­nische Gruppe waren. Die Abteilung sagte, ihr Ansatz ziele auch darauf ab, zu zeigen, dass es nie ‘zusam­men­hän­gende’ schot­tische, irische und wali­sische eth­nische Iden­ti­täten mit alten Wurzeln gab”.

King Harold

Natürlich können die an dieser Abteilung Beschäf­tigten diese These ebenso wenig als fak­tisch zutreffend belegen wie die gegen­teilige These als fak­tisch zutreffend belegt werden kann. Aber darum geht es auch gar nicht. Es geht vielmehr darum, dass aktuelle poli­tische oder ideo­lo­gische Anliegen dafür aus­schlag­gebend gemacht werden sollen, welche Kon­zepte zur Beschreibung von his­to­ri­schen Fakten wün­schenswert sind und welche nicht. Das ist ein Versuch, politische/ideologische Inter­essen über den­je­nigen der Wis­sen­schaft anzu­ordnen, und es ist eine Unglaub­lichkeit, dass es Ange­hörige einer wis­sen­schaft­lichen Ein­richtung sind, die dieser Unter­ordnung von Wis­sen­schaft unter politische/ideologische Anliegen das Wort reden, ganz davon abge­sehen, dass mit der Behauptung der Existenz von Men­schen, die kul­tur­his­to­risch oder sprachlich sinnvoll als “Kelten” oder “Angel­sachsen” bezeichnet werden können, in keiner Weise die Behauptung ein­hergeht, die so bezeich­neten Men­schen hätten eine jeweils “zusam­men­hän­gende” eth­nische Iden­tität gehabt. (Ob sie eine hatten oder nicht, ist jedoch eine empi­rische Frage, die heute mangels Belegen weder in die eine noch in die andere Richtung ent­schieden werden kann.) Es besteht keine zwin­gende Impli­ka­ti­ons­be­ziehung zwi­schen kul­tur­his­to­risch sinn­voller Bezeichnung von Men­schen unter einem Namen und deren Gefühl eth­ni­scher Iden­tität, so dass man kon­sta­tieren muss, dass Leute, die dies meinen, nicht denken können. Und dass diese Leute an wis­sen­schaft­lichen Ein­rich­tungen ange­stellt sind, ist eine große Pein­lichkeit für die Wissenschaft.

Nichts­des­to­trotz war eine sub­jektive Emp­find­lichkeit eines oder einiger Kol­legen gegenüber “Anglo-Sachsen” viel­leicht ein will­kom­mener, weil pro­pa­gan­dis­tisch aus­nutz­barer, Anlass dafür, eine Kam­pagne gegen den Begriff zu starten, aber m.E. war dies sicherlich nicht der aus­schlag­ge­bende Grund dafür, “Ang­losachsen” mög­lichst aus dem aktu­ellen Wort­schatz zu streichen.

Vielmehr dürfte dahinter eine breit ange­legte Kam­pagne linker Akti­visten stecken, die ver­suchen, die geo­gra­phi­schen, his­to­ri­schen und kul­tu­rellen Grund­lagen, auf denen Men­schen eine geteilte Iden­tität ent­wi­ckeln oder pflegen können, zu zer­stören oder in Abrede zu stellen – es sei denn, es handle sich um von ihnen für “schüt­zenswert” erklärte Gruppen, denen das Recht auf Ent­wicklung oder Erhalt und Demons­tration ihrer – wie im Fall der LSGetc. oft neu und künstlich her­ge­stellter – Kultur als unver­brüch­liches Men­schen­recht zuge­standen wird. Dann ist es möglich, riesige Mengen sehr ver­schie­dener Men­schen mit einer für ihre Leben angeblich allent­schei­denden “Iden­tität” aus­zu­statten, z.B. mit einer angeblich allent­schei­denden Iden­tität als “Frauen” (schlechthin), die bis vor Kurzem von linken Akti­visten und Femi­nisten sogar bis in die Figur (und ent­spre­chende Rede von) der Frau (im Sin­gluar!) ver­kürzt wurde.

Ebenso werden Arbeits­mi­granten, Kri­mi­nelle auf der Flucht vor Ver­folgung im Hei­matland, Men­schen auf der Flucht vor poli­tisch moti­vierter Ver­folgung im Hei­matland und Ange­hörige aller Arten von Migranten, die ihnen nach­ziehen, derzeit pau­schal (und zum größten Teil fak­tisch falsch) als “Flücht­linge” bezeichnet. Dem­ge­genüber wird die Rede von “Ein­hei­mi­schen” oder “Deut­schen” von Linken als suspekt erachtet, so dass sie einer “Dekon­struktion” unter­zogen werden, um Leute davon zu über­zeugen, dass es gar keinen Sinn mache, von “Ein­hei­mi­schen” oder “Deut­schen” zu sprechen, weil die so zusam­men­ge­fassten Men­schen ja so gut wie nichts gemeinsam hätten – und deshalb auch keine (legitime) Grundlage für diese Men­schen exis­tiere, sich “Ein­hei­misch” oder “Deutsche” zu nennen, geschweige denn, eine geteilte Iden­tität auf der Basis ihrer geo­gra­phi­schen Her­kunft aus­zu­drücken oder auf­zu­bauen. Es handelt sich hierbei um sys­te­ma­tische Mani­pu­la­ti­ons­ver­suche im Dienst der Schaffung einer Dys­topie, in der Men­schen keine Iden­tität als die­jenige des Erden­be­wohners haben, der allen anderen Erden­be­wohnern (mit Aus­nahme einer selbst­er­klärten “Elite”, ver­steht sich) ohne Ansehen seiner per­sön­lichen Eigen­schaften, Bedürf­nisse oder Leis­tungen in Armut und Depri­vation “gleich­ge­stellt” ist.

In der Geschichts­wis­sen­schaft gibt es schon lange (bislang uner­folg­reiche) Ver­suche, den Begriff der “Kelten” aus der­selben zu löschen, und es war eigentlich nur eine Frage der Zeit, bis es auch die “Angel­sachsen” trifft. Wenn Begriffe wie “Kelten” und “Angel­sachsen” aus der Geschichte eli­mi­niert werden, dann – so dürfte die Hoffnung der “Sen­siblen” und “Dekon­struk­ti­visten” sein – ist damit eine Grundlage ent­zogen, auf der sich Men­schen all­ge­mein­kul­turell, his­to­risch, sprachlich, regional oder gene­tisch von­ein­ander absetzen bzw. mit­ein­ander ver­bunden fühlen können. Aber dies würde der Rea­lität Gewalt antun.

Es ist nicht nur so, dass diese Begriffe bereits his­to­risch ver­wendet wurden – so ist z.B. bereits in der Antike von den “Keltoi” zur Bezeichnung der Ein­wohner Gal­liens, Irlands und der Bri­ti­schen Inseln die Rede gewesen –, sie sind bis heute auch kul­tur­his­to­risch hilf­reiche Begriffe und außerdem geeignet, die fak­tische Geschichte der gene­ti­schen Abstammung der Bewohner bestimmter Regionen der Erde zu beschreiben:

Die Ency­clo­pedia Bri­tannica bringt auf den Punkt, wer die Angel­sachsen waren – und welche Bedeutung sie für England, wie wir es heute kennen,

hatten:

Anglo-Saxon, term used his­to­ri­cally to describe any member of the Ger­manic peoples who, from the 5th century CE to the time of the Norman Con­quest(1066), inha­bited and ruled ter­ri­tories that are today part of Englandand Wales. According to St. Bede the Venerable, the Anglo-Saxons were the des­cen­dants of three dif­ferent Ger­manic peoples—the Angles, Saxons, and Jutes. By Bede’s account, those peoples ori­gi­nally migrated from nor­thern Germany to the island of Britain in the 5th century at the invi­tation of Vor­tigern, a ruler of Britons, to help defend his kingdom against mar­auding inva­sions by the Picts and Scotti, who occupied what is now Scotland. Archaeo­lo­gical evi­dence sug­gests that the first migrants from the Ger­manic areas of mainland Europe included settlers from Frisia and ante­dated the Roman with­drawal from Britain about 410 CE. Their sub­se­quent sett­le­ments in what is now England laid the foun­dation for the later kingdoms of Essex, Sussex, and Wessex (Saxons); East Anglia, Middle Anglia, Mercia, and Nor­th­umbria (Angles); and Kent (Jutes). Eth­ni­cally, the Anglo-Saxons actually repre­sented an admixture of Ger­manic peoples with Britain’s pre-existing Celtic inha­bi­tants and sub­se­quent Viking and Danish invaders”.

D.h.

Angel­sachsen, Begriff, der his­to­risch ver­wendet wird, um jedes Mit­glied der ger­ma­ni­schen Völker zu beschreiben, die vom 5. Jahr­hundert n. Chr. bis zur Zeit der nor­man­ni­schen Eroberung (1066) Gebiete bewohnten und beherrschten, die heute zu England und Wales gehören. Laut St. Bede dem Ehr­wür­digen waren die Angel­sachsen die Nach­kommen von drei ver­schie­denen ger­ma­ni­schen Völkern, den Angeln, Sachsen und Jüten. Nach Bedes Angaben wan­derten diese Völker ursprünglich im 5. Jahr­hundert auf Ein­ladung von Vor­tigern, einem Herr­scher der Briten [der Bewohner der Bri­ti­schen Insel vor der Ankunft der Angel­sachsen], von Nord­deutschland auf die Bri­tische Insel aus, um ihm dabei zu helfen, sein König­reich gegen maro­die­rende Inva­sionen der Pikten und Scotti zu ver­tei­digen, die das heutige Schottland bewohnten. Archäo­lo­gische Funde deuten darauf hin, dass die ersten Ein­wan­derer aus den ger­ma­ni­schen Gebieten des euro­päi­schen Fest­landes Siedler aus Friesland ein­schlossen und dem römi­schen Rückzug aus Groß­bri­tannien um 410 n. Chr. vor­aus­gingen. Ihre nach­fol­genden Sied­lungen im heu­tigen England legten den Grund­stein für die spä­teren König­reiche Essex, Sussex und Wessex (Sachsen); East Anglia, Middle Anglia, Mercia und Nor­th­umbria (Angles) und Kent (Jutes). Eth­nisch stellten die Angel­sachsen tat­sächlich eine Ver­mi­schung ger­ma­ni­scher Völker mit den bereits bestehenden kel­ti­schen Ein­wohnern Groß­bri­tan­niens und den nach­fol­genden Wikinger- und däni­schen Inva­soren dar”.

Die Angel­sachsen hatten also mit Sicherheit eine weiße Haut­farbe, und eine regional eini­ger­maßen klare Her­kunft sowie eine eth­nisch eini­ger­maßen klare Zuge­hö­rigkeit (und das ist eben nicht das­selbe wie Iden­tität). Die “Ver­mi­schung” mit Kelten und “nach­fol­genden”(!) Inva­soren aus Skan­di­navien und Dänemark war eine bio­lo­gische und eine kul­tu­relle (und eben eine nach­fol­gende, weshalb für die ein­wan­dernden Ang­losachsen nicht sinnvoll von einer “Ver­mi­schung” die Rede sein kann!), wobei (bis?) heute kul­tu­relle Unter­schiede und ver­schiedene eth­nische Iden­ti­täten zwi­schen den Nach­kommen der Angel­sachsen (in England) und denen der “Kelten” (wie in Wales, wo keine gene­ti­schen Anteile von Men­schen aus Nord- und Nordwest-Deutschland sowie Nord­frank­reich zu finden sind; s. https://peopleofthebritishisles.web.ox.ac.uk/population-genetics) bestehen.

Die gene­tische Unter­su­chung der Bevöl­kerung auf den Bri­ti­schen Inseln im Rahmen des “People of the British Isles Project” (PoBI-Projekt), das von Sir Walter Bodmer im Jahr 2004 initiiert worden ist und dessen Ergeb­nisse im Jahr 2015 in der Zeit­schrift “Nature” ver­öf­fent­licht wurden, hat ergeben, dass große, im Großen und Ganze stark von­ein­ander abge­grenzte gene­tische Gruppen exis­tieren, die sich im Zuge his­to­ri­scher Wan­de­rungs­be­we­gungen erklären lassen (und teil­weise bis heute mit von den jewei­ligen Gruppen gespro­chenen Sprachen einhergehen).

Quelle: https://peopleofthebritishisles.web.ox.ac.uk/population-genetics
Quelle: https://peopleofthebritishisles.web.ox.ac.uk/population-genetics

Dies

“… sug­gests a remar­kable sta­bility of the British people over quite long periods of time. This is in marked con­trast to what is often assumed”,

d.h.

“zeigt eine bemer­kens­werte Sta­bi­lität der Briten [d.h. hier: Bewohner der Bri­ti­schen Inseln] über ziemlich lange Zeit­räume an. Dies steht im deut­lichen Gegensatz zu dem, was oft ange­nommen wird”.

Die Angel­sachsen hatten und haben bis heute gene­tische (und sprach­liche) Rea­lität auf den Bri­ti­schen Inseln, oder anders und genauer gesagt: Der größte Teil der Ein­wohner Eng­lands kann bis heute mit Fug und Recht behaupten, bio­lo­gisch von Angel­sachsen abzu­stammen bzw. gene­ti­scher Erbe der ein­wan­derten Angel­sachsen zu sein, während die Bewohner z.B. von Wales dies nicht von sich behaupten können. Für die Waliser gilt, dass sich drei gene­tische Gruppe unter­scheiden lassen, die jedoch eine große Gemein­samkeit haben, nämlich die, keine angel­säch­si­schen Gene zu tragen:

Quelle: https://peopleofthebritishisles.web.ox.ac.uk/population-genetics; Jedes Kreis­dia­gramm reprä­sen­tiert einen der 17 bri­ti­schen Cluster, und die rela­tiven Bei­träge der ver­schie­denen euro­päi­schen Gruppen zu diesem Cluster sind pro­por­tional zu den Größen der Sek­toren im Kreis­dia­gramm, wobei die Farbe des Sektors seine Quelle angibt.

“The three Welsh clusters are the most distinctive and com­pletely lack con­tri­bu­tions from North and North West Germany (EU3 pink) and Nor­thern France (EU17 red). They have the largest con­tri­bu­tions from West Germany (EU6 medium green) and North West France (EU14 dark green). This con­fi­gu­ration strongly sug­gests that the Welsh may be closest to the ori­ginal settlers who came to Britain after the end of the ice age. While there is no clear ‘Celtic Fringe’, as is so often assumed, there is evi­dence of ancient British DNA in common with other British popu­la­tions, espe­cially in Scotland and Nor­thern Ireland, but less in Cornwall, or Devon, in con­trast to what might have been expected”,

d.h.

“Die drei wali­si­schen Cluster sind die mar­kan­testen, und ihnen fehlen Bei­träge aus Nord- und Nord­west­deutschland (EU3 pink) und Nord­frank­reich (EU17 rot) völlig. Sie haben die größten [gene­ti­schen] Bei­träge aus West­deutschland (EU6 mit­telgrün) und Nord­west­frank­reich (EU14 dun­kelgrün). Diese Kon­fi­gu­ration deutet stark darauf hin, dass die Waliser den ursprüng­lichen Siedlern am nächsten sein könnten, die nach dem Ende der Eiszeit nach Groß­bri­tannien kamen. Es gibt zwar keinen klaren ‘Celtic Fringe’, wie so oft ange­nommen wird, aber es gibt Hin­weise auf alte bri­tische DNA, die den Walisern und anderen bri­ti­schen Popu­la­tionen gemeinsam ist, ins­be­sondere in Schottland und Nord­irland, aber weniger in Cornwall oder Devon, im Gegensatz zu dem, was erwartet wurde”.

Und warum wurde erwartet, dass in Cornwall und Devon die “alte bri­tische DNA” ebenso weit ver­breitet sein würde wie in Schottland, Nord­irland und Wales? Weil diese Regionen glei­cher­maßen von Spre­chern kel­ti­scher Sprachen bevölkert sind oder waren (in Devon ist die kel­tische Sprache anscheinend im 14. Jhd. weit­gehend aus­ge­storben) und die his­to­ri­schen Wan­de­rungs­be­we­gungen ver­muten lassen, dass ang­lo­säch­si­sches Kul­turgut (samt der Sprache) nach Cornwall und Devon ebenso wenig vor­ge­drungen sei wie nach Wales, Schottland oder Nordirland.

Und das illus­triert, welche wichtige Funktion Kon­zepte und Begriffe wie hier, “Kelten” und “Angel­sachsen”, für die Wis­sen­schaft haben: Sie basieren auf begründbar zusam­men­hän­genden Phä­no­menen, deren tat­säch­liche Zusam­men­hänge auf der Basis von aus der jewei­ligen Begründung abge­lei­teter Hypo­th­resen über­prüft werden können. Ohne Begriffe zur pro­be­weisen Beschreibung der Ver­hält­nisse ist die Über­prüfung der­selben nicht möglich!

Die wali­si­schen Cluster illus­trieren die oben bereits erwähnte große Sta­bi­lität der Bevöl­kerung der bri­ti­schen Inseln auch in einer wei­teren Hinsicht:

“The small dif­fe­rences between South and North Pem­bro­keshire, espe­cially the slightly larger con­tri­bu­tions from Belgium (EU11 yellow) and Denmark (EU18 dark red) (matching Danish place names in South Pem­bro­keshire) are con­sistent with the sug­gestion that this group may represent the area that is some­times called “Little England Beyond Wales”. This is because the farmers settled there by Henry II pro­bably mostly came from that part of Europe”,

d.h.

“[d]ie kleinen Unter­schiede zwi­schen Süd- und Nord-Pem­bro­keshire, ins­be­sondere die etwas grö­ßeren Bei­träge [in Süd-Pem­bro­keshire] aus Belgien (EU11 gelb) und Dänemark (EU18 dun­kelrot) (pas­sende dänische Orts­namen in Süd-Pem­bro­keshire) stehen im Ein­klang mit der Ver­mutung, dass diese Gruppe das Gebiet reprä­sen­tieren könnte, das manchmal “Little England Beyond Wales” [Klein-England über England hinaus, in Wales] genannt wird. Dies liegt daran, dass die Bauern, die dort von Heinrich II. ange­siedelt wurden, wahr­scheinlich haupt­sächlich aus diesem Teil Europas kamen.”

(Henry II. war von 1154 bis 1189 König von England!)

Die gene­tische, kul­tu­relle und sprach­liche Rea­lität der Angel­sachsen und ihre Bedeutung für England ist also eine Rea­lität; sie aus der Geschichte der Bri­ti­schen Inseln und ins­be­sondere Eng­lands ver­bannen zu wollen, kann daher keine ver­nünf­tigen Gründe haben (wenn man Ver­nunft als mit “rea­li­täts­be­zogen ver­bunden sieht), sondern bloß ideologische.

Man kann die Umbe­nennung der Zeit­schrift “Anglo-Saxon England” auch schlicht als eine Art Moder­ni­sierung aus­geben, wie es ein Sprecher des Ver­lages der Cam­bridge Uni­versity nach Infor­ma­tionen des “Tele­graph” getan hat:

“A spo­kesman for Cam­bridge Uni­versity Press said: ‘This new journal reflects the inter­na­tional, inter­di­sci­plinary and rapidly evolving nature of research in this field. ‘Early Medieval England and its Neigh­bours will be a forum for high-quality, ori­ginal new scho­larship on England, its closest geo­graphic and intellectual neigh­bours, and their wider cul­tural contacts from the 5th to the 11th century. ‘With an inter­na­tional Advisory Edi­torial Board, open access publi­cation for every author, more fre­quent publi­cation, and expanded scope, this journal builds on, and goes beyond, the remit of Anglo-Saxon England.”

D.h.

“Ein Sprecher von Cam­bridge Uni­versity Press sagte: ‘Diese neue Zeit­schrift spiegelt den inter­na­tio­nalen, inter­dis­zi­pli­nären und sich schnell ent­wi­ckelnden Cha­rakter der For­schung in diesem Bereich wider. Das früh­mit­tel­al­ter­liche England und seine Nachbarn werden ein Forum für hoch­wertige, ori­gi­nelle neue Studien über England, seine nächsten geo­gra­phi­schen und intel­lek­tu­ellen Nachbarn und ihre brei­teren kul­tu­rellen Kon­takte vom 5. bis zum 11. Jahr­hundert sein”.

Aber wenn allein eine solche Aus­weitung des für die Zeit­schrift rele­vanten For­schungs­feldes das Motiv für die Umbe­nennung gewesen wäre, warum hätte man die Zeit­schrift dann nicht einfach von “Anglo-Saxon England” in “Anglo-Saxon England and its Neigh­bours”, also “Das ang­lo­säch­sische England und seine Nachbarn”, umbe­nennen können?!

Nein, hier geht es darum, Geschichte so um- oder neu­zu­schreiben, dass sie einer bestimmten zeit­ge­nö­sis­schen Ideo­logie ange­passt werden kann, so dass die Letztere nicht durch die Erstere gefährdet ist. Die Wis­sen­schaft ist dabei ein Kol­la­te­ral­schaden. Wenn Wis­sen­schaft nicht in den Dienst der Ideo­logie gestellt werden kann, dann ist sie für Ideo­logen wertlos. Wenn Wis­sen­schaft dazu geeignet ist, ideo­lo­gische Erzäh­lungen als eben solche und falsch zu erweisen, dann muss sie bekämpft werden.

N

Das ist schlimm genug.

Noch schlimmer ist, dass sich die Ideo­logen in Anstel­lungs­ver­hält­nissen an (ehemals) wis­sen­schaft­lichen Ein­rich­tungen befinden und sich dort als Wis­sen­schaftler tarnen, also als angeb­liche Ver­treter dessen, was sie allzu bereit­willig der Ideo­logie zu opfern bereit sind.


Der Artikel erschien zuerst bei ScienceFiles.org.