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Der erste Vampir: Die Akte Plogojowitz

Heut­zutage jagen sie Men­schen „nur“ noch einen kalten Schauer den Rücken hin­unter. Doch im 18. Jahr­hundert ver­setzen sie ganz Europa in Angst und Schrecken: Vampire. Von Ema­nuell Charis

Denn zu dieser Zeit trieben die gefähr­lichen Blut­sauger ins­be­sondere in Ost­europa ihr Unwesen. Unzählige Zei­tungs­ar­tikel liefern hiervon ein schreck­liches Zeugnis ab. Der Schre­ckenszug der Vampire begann dabei im Jahr 1725 im kleinen und unschein­baren Kisilova.

Denn in diesem Jahr trugen sich in dem diesem ser­bi­schen Dorf, das ver­mutlich dem heu­tigen Kisiljevo ent­spricht, schaurige Dinge zu, die neun unschul­digen Dorf­be­wohnern das Leben kostete und schluss­endlich sogar den öster­rei­chi­schen Staat in höchste Alarm­be­reit­schaft versetzte.

Der Vampir, der ein ganzes Dorf terrorisierte

Alle Vam­pirer­zäh­lungen gehen in Ihrem Kern auf den ser­bi­schen Bauer Peter Plo­go­jewitz (ser­bisch: Petar Bla­gojević, kyril­lisch: Петар Благојевић) zurück. Denn zehn Tage nachdem dieser mys­te­riöse Mann im Alter von 62 Jahren ver­starb, zog der eisige Hauch des Todes durch das bis dato fried­liche Bauerndorf.

Innerhalb kurzer Zeit ver­starben neun bis dato kern­ge­sunde Dorf­be­wohner unter äußerst mys­te­riösen Gege­ben­heiten. Denn allen Opfern war gemein, dass sie vor ihrem Tod berich­teten, dass ihnen der kürzlich ver­storbene Plo­go­jewitz des Nachts erschienen war.

Dieser hätte, während ein eis­kalter Wind­hauch durch das Zimmer wehte, seine wehr­losen Opfer gewürgt und sich sogar auf sie gelegt oder sogar brutal ver­prügelt. Während die wehr­losen Opfer ver­zweifelt nach Luft rangen und um ihr Leben kämpften, schien es dem ver­stor­benen Bauern Plo­go­jewitz ein nahezu dia­bo­li­sches Ver­gnügen zu bereiten, seine Opfer derart zu quälen.

Kurze Zeit später waren alle neun Opfer der schreck­lichen Tat qualvoll ver­storben. Das Ent­setzen suchte das Dorf heim und schnell ver­breitete sich die Geschichte des blut­rüns­tigen ser­bi­schen Vampirs nicht nur im gesamten habs­bur­gi­schen Reich, sondern machte auf­grund vieler ent­setzter Zei­tungs­ar­tikel schon bald in ganz Europa die Runde. (DUMBs: Legende und Folklore – Die Erde, unsere Mutter)

Der Staat sieht sich gezwungen, ein grau­sames Ritual durchzuführen

Lange Zeit wei­gerte sich die staat­liche Obrigkeit, den geschun­denen Dorf­be­wohnern zu Hilfe zu eilen. Denn ihr war der „Aber­glauben“ ein Dorn im Auge. Doch eines Tages konnte der habs­bur­gische Staat dem zuneh­menden öffent­lichen Druck nicht mehr wider­stehen und ent­sandte einen kai­ser­lichen Pro­visor in die kleine Ort­schaft in Serbien.

Dieser sollte sich ein eigenes Bild von der dor­tigen Situation machen und dadurch den Dorf­be­wohnern ihren Aber­glauben aus­treiben, indem er mit Hilfe wis­sen­schaft­licher Methoden Beweise für eine etwaige Krankheit, die das Dorf heim­ge­sucht haben könnte, liefern sollte. Doch das Gegenteil war der Fall.

Denn als der brave Beamte seine Nach­for­schungen durch­führte, konnte er kei­nerlei Spuren einer Krankheit finden. Dar­aufhin ließ er das Grab des ver­stor­benen Bauern Plo­go­jewitz öffnen. Im Grab fand er dessen Leichnam in einem optisch unna­türlich gut erhal­tenen Zustand vor. Darüber hinaus schien fri­sches Blut, das er ver­meintlich aus seinen wehr­losen Opfern gesaugt haben könnte, aus seiner Mund­höhle zu dringen.

Diese Erscheinung ließen die letzten Zweifel des Pro­visors über die Ursache der mys­te­riösen Todes­fälle ver­schwinden. Erschrocken notierte dieser in seiner Akte: „Daß erstlich von solchem Cörper und dessen Grabe nicht der min­deste, sonsten der Todten gemeiner Geruch, ver­spühret, der Cörper, ausser der Nasen, welche abge­fallen, gantz frisch, Haar und Barth, ja auch die Nägel, wovon die alten hin­weg­ge­fallen, an ihm gewachsen, die alte Haut, welche etwas weißlich war, hat sich hinweg gescheelet, und eine neue frische dar­unter hervor gethan, das Gesichte, Hände und Füsse und der gantze Leib waren so beschaffen, daß sie in seinen Leb­zeiten nicht hätten voll­kom­mener seyn können:

In seinem Munde habe ich nicht ohne Erstaunen einiges fri­sches Blut erblicket, welches, der gemeinen Aussage nach, von denen durch ihn Umge­brachten gesogen. In Summa, es waren alle Indicia vor­handen, welche der­gleichen Leute (wie schon oben bemercket) an sich haben sollten.“

Um dem grau­samen Spuk ein Ende zu bereiten, wurde dem Leichnam des Bauern Plo­go­jowitz ein Pfahl durch das Herz gerammt. Anschließend wurde er verbrannt.

Dar­aufhin kehrte wieder Ruhe im beschau­lichen Kisilova ein, da dort nie wieder ein Bürger unter ver­gleich­baren Umständen ver­starb. Der Fluch, der über dem Dorf lag, schien somit gebrochen. Der erste Vampir. Die Geschichte des blut­rüns­tigen Leichnams in einem ser­bi­schen Dorf beherrschte die Schlag­zeilen in ganz Europas.

Überall ängs­tigten sich die Men­schen vor dieser Schau­er­ge­schichte. Eine regel­rechte Hys­terie war somit auf dem gesamten Kon­tinent zu beob­achten. Durch diese wurde auch der Begriff des „Vampirs“ als Beschreibung für einen blut­rüns­tigen Untoten geprägt.

Peter Plo­go­jewitz ging folglich als der erste Vampir in die Geschichte ein. Auf diese unglaub­liche Erzählung folgten im gesamten Verlauf des 18. Jahr­hun­derts viele weitere.

Noch heute lassen uns diese das Blut in den Adern gefrieren und den Schauer den Rücken hin­un­ter­laufen, obwohl wir dank wis­sen­schaft­licher Erkennt­nisse längst wissen, dass Vampire Fabel­wesen sind und nicht real exis­tieren. Oder etwa doch?

Nachtrag der Pravda TV Redaktion:

Namen­s­her­kunft

Über die ety­mo­lo­gische Her­kunft des in Europa gebräuch­lichen Wortes „Vampir“ herrscht Unei­nigkeit. Gesi­chert ist nur, dass der unga­rische, wie­derum aus dem Pol­ni­schen abge­leitete Begriff „Vampir“ spä­testens 1732 in der inter­na­tio­nalen Lite­ratur domi­nierte. Her­vor­ge­gangen aus dem sla­wi­schen Sprachraum, ver­breitete sich das Wort nach West­europa, wo es in den ein­zelnen Ländern abge­wandelt wurde; in Italien, Spanien und Por­tugal nennt man das Wesen bei­spiels­weise vampiro, in Dänemark und Schweden vampyr.

Auch die bal­ti­schen Sprachen kennen das Wort, das mit dem bul­ga­ri­schen vapir in Ver­bindung gebracht wird, das aus einem maze­do­ni­schen Dialekt stammt und so viel wie „geflü­geltes Wesen“ bedeutet. Andere führen das Wort „Vampir“ auf die serbokroatische[3] oder die litauische Sprache zurück.

In Süd­russland, Böhmen, Mon­te­negro und Teilen Ser­biens nennt man das Vam­pir­wesen wuko­dalak, vur­kulaka oder vry­kolaka, was sich aus dem Sla­wi­schen ent­leitet und „wolf­haarig“ bedeutet, aber im Grie­chi­schen über­nommen ein Wort für Vampir wurde.

Die Serben kennen die Begriffe vampir, lampir, lapir, upir und upirina. Im Alba­ni­schen werden die Vam­pir­wesen als vampir oder dhampir bezeichnet. Letz­teres besteht aus den Wort­teilen dham „Zahn“ und pir „trinken“. In der Ukraine heißt die Gestalt Upyr, in Belarus und der Slo­wakei upir und in Polen sind die Bezeich­nungen upior, upierzyc und wapierz gebräuchlich.

Das Suffix pir steht dabei für ein „geflü­geltes oder gefe­dertes Wesen“. Die erste Bezeichnung als Upir findet sich für einen im Jahr 1047 n. Chr. erwähnten Fürsten namens Upir Lichyi in der Umgebung von Now­gorod, im Nord­westen von Groß­russland. In West­russland finden sich zudem Orte, die Upiry und Upirow heißen und deren Bewohner sich damit brüsten, von Vam­piren abzustammen.

Her­kunft des Vampirglaubens

Eth­no­logen sind sich weit­gehend einig, dass die Vor­lagen für den in Europa bekannt gewor­denen Vam­pir­glauben ursprünglich im süd­ost­eu­ro­päi­schen Raum ent­standen. Lediglich in der genauen Loka­li­sierung sind die For­schungs­er­geb­nisse unein­heitlich. Einige Quellen ver­orten den Ursprung des Vam­pir­glaubens in Bul­garien und Serbien, andere gehen von Ana­tolien aus.

Der Vam­pir­glaube ist im Kar­pa­tenraum und Balkan ver­breitet, in Rumänien (Trans­sil­vanien), Ungarn, im öst­lichen Öster­reich, Bul­garien, Albanien, Serbien und in Grie­chenland. Nach sozi­al­an­thro­po­lo­gi­schem Ver­ständnis ist es ein Phä­nomen, bei dem für die Schä­digung Ein­zelner oder der Dorf­ge­mein­schaft durch Krank­heiten, Miss­ernten oder Ähn­liches ein Ver­ant­wort­licher gesucht wird.

Das „Blut­saugen“ der Vampire gehört nicht zu den im Volks­glauben in erster Linie über­lie­ferten Ele­menten, wich­tiger ist das Ver­lassen des Grabes, das von der Dorf­ge­mein­schaft unter­sucht werden musste. Fand sich im ver­däch­tigen Grab (Peter Kreuter nennt in seiner Dis­ser­tation ein schiefes Kreuz oder ein Mau­seloch als Hin­weise) ein nicht ver­wester Leichnam, so wurde dieser auf ver­schiedene Weise nochmals getötet und dann ver­brannt, was auch in den meisten Filmen heute noch das Ende eines Vampirs darstellt.

Die im christlich-ortho­doxen Glauben in Süd­ost­europa relativ große Distanz von Priestern bei dem Ster­be­vorgang und das Fehlen eines Ster­be­sa­kra­ments können dabei als Begüns­tigung einer Ver­wi­schung der Grenze zwi­schen Lebenden und Toten gesehen werden.

Eine weitere Variation des Vam­pir­glaubens ist im alten rumä­ni­schen und im alba­ni­schen Volks­glauben zu finden; der strigoi. Das Wort ist latei­ni­schen Ursprungs, wo strix so viel wie „Hexe“ bedeutet. Strigoi sind im Gegensatz zu Upir und den grie­chi­schen Vam­piren, den Vry­ko­lakas, aus­schließlich mensch­liche und nicht dämo­nische Seelen, die von den Toten zurück­ge­kehrt sind.

Strigoi werden außerdem noch in zwei Kate­gorien auf­ge­teilt: in strigoi morți und strigoi vii. Erstere sind Untote, Letztere sind bereits zu Leb­zeiten ver­fluchte Men­schen, die nach ihrem Tod erst zu Strigoi werden müssen. Dies geschieht durch Abstammung von einem strigoi mort oder, sel­tener, durch schwere begangene Sünden der Mutter. Als Zeichen für einen solchen Fluch werden ana­to­mische Abwei­chungen gedeutet, wie etwa schwanz­ähn­liche Rück­grat­fort­sätze oder am Kopf ange­wachsene Teile der Frucht­blase, die im rumä­ni­schen Volksmund caul (von latei­nisch cal­autica ‚Frucht­blase‘, ursprünglich ‚Haube‘, siehe Glücks­haube) genannt werden.

Strigoi besuchen dem Glauben nach Ver­wandte des Toten und wollen sie teil­weise zu ihnen mit­nehmen. Um eine Grenze zwi­schen dem Reich der Toten und der Lebenden zu errichten, werden bei Beer­di­gungen Spindeln mit Garn um das Grab gesteckt und ange­zündet. Oft werden Seife, Rasierer und Spiegel als Grab­bei­gaben ins Grab gelegt, damit der Tote keinen Grund hat, wieder in das Reich der Lebenden zu kommen und als Strigoi auf­zu­treten. Dieser Glaube ist in Rumänien und in den öst­lichen Ländern (Europas) weit verbreitet.

Teil­weise wird Toten ein glü­hendes Eisen in das Herz gerammt. Das soll ver­hindern, dass der Tote zum Strigoi wird. In sel­tenen Fällen suchen Strigoi die Ver­wandten auf, um sie erkranken zu lassen oder zu töten.

Weltweit gibt es Mythen über Vampire bezie­hungs­weise Wesen, die wichtige Eigen­schaften mit diesen teilen, zum Beispiel:

Asan­bosam (Ghana, Togo, Côte d’Ivoire)
Aswang (Phil­ip­pinen)
Baobhan-Sith (Schottland)
die Lamien (Grie­chenland, schon seit der Antike)
Jiang Shi (China)
Dhampir (oder auch Vampir) (Albanien)
Vampir (Vampir), Vukodlak (Werwolf) (Serbien, Kroatien, Dalmatien)

Der erste bekanntere angeb­liche Vampir stammte aus dem heu­tigen Kroatien, aus dem kleinen Dorf Kringa (Istrien), welches damals zur Republik Venedig gehörte. Er soll dort im Jahre 1652 gestorben sein. Er war ein Bauer und trug den Namen Jure Grando. Im Jahre 1672 soll er aus seinem Grab gestiegen sein und des Öfteren das Dorf ter­ro­ri­siert haben. In dem Buch von Johann Wei­chard Val­vasor wird dieser Vampir das erste Mal in der euro­päi­schen Lite­ratur erwähnt.