Die ewige Diskussion um die Souveränität Deutschlands: Die einen behaupten, es sei alles in Ordnung, der Zwei-plus-Vier-Vertrag gar ein Geniestreich Genschers und unser Garant für eine zurückerlangte Selbstbestimmtheit. Andere, wie auch ich, sind davon nicht ganz so überzeugt. Um dieses leidige Thema nochmals auf ein paar ganz einfache Fakten zu reduzieren, möchte ich in diesem Beitrag auf einige Probleme des Zwei-plus-Vier-Vertrages eingehen.
Nachfolgend ein Auszug aus einem Interview, das Dan Davis mit mir führte:
Dan Davis: „Kannst Du etwas mehr zu dem Passus im Zwei-Plus-Vier-Vertrag sagen, der besagt, dass „wir“ (das deutsche Volk) die Geschichtsschreibung der Alliierten nicht mehr in Frage stellen dürfen?“
Andreas Falk: „Der Zwei-plus-Vier-Vertrag wird ja allgemein als der Beleg für die angebliche Souveränität Deutschlands angesehen. De facto ist es aber so, dass einige Artikel des Überleitungsvertrages von 1954 beibehalten wurden. Unter anderem Artikel 7 (1). Das bedeutet, die BRD hat weiterhin zu gewährleisten, dass Deutschland offiziell als alleiniger Kriegsverursacher betrachtet wird und Gegenmeinungen eventuell sogar mit rechtlichen Sanktionen belegt werden können. Wie passt ein solches Knebelgesetz zu einem angeblich freien, souveränen Land?
In einer Vereinbarung vom 27. und 28. September 1990 wurden einige Artikel aus dem Überleitungsvertrag schriftlich verlängert. Die Vereinbarung ist hier einzusehen: http://www.2plus4.de/chronik.php3?date_value=27.09.90–28&sort=000–000
unterzeichnet von dem damaligen Staatssekretär Hans Werner Lautenschlager.
Darüber hinaus ist im Zwei-plus-Vier-Vertrag Artikel 3 (2) die Truppenstärke der BRD auf 370.000 Mann beschränkt worden. Auch das dürfen wir nicht selbst entscheiden. Wir stehen also, zumindest in manchen Bereichen, immer noch unter Beaufsichtigung und sind dadurch eben nicht vollständig souverän. Wir dürfen ja nicht mal eigenständig über unsere eigene Geschichte nachdenken. Es geht mir bei der Sache gewiss nicht darum, etwas zu verharmlosen oder nicht vor der eigenen Türe kehren zu wollen. Die Aufarbeitung der eigenen Geschichte ist immer wichtig. Aber es ist trotzdem so, dass auch die Entscheidungsträger der anderen Nationen, manche mehr manche weniger, erheblich zur Eskalation des Zweiten Weltkrieges beigetragen haben. Vor allem Leute wie Churchill, Stalin und Roosevelt waren alles andere als harmlos und unschuldig. Es war ein Krieg, der viele Väter hatte, wie es schon in einem Buchtitel von Gerd Schultze-Rhonhof richtig zum Ausdruck kommt.“
Soweit mein Kommentar in dem Interview. Nachfolgend nochmals die genauen die Inhalte vom Überleitungsvertrag Erster Teil (Allgemeine Bestimmungen) Artikel 7 (1): „Alle Urteile und Entscheidungen in Strafsachen, die von einem Gericht oder einer gerichtlichen Behörde der Drei Mächte oder einer derselben bisher in Deutschland gefällt worden sind oder später gefällt werden, bleiben in jeder Hinsicht nach deutschem Recht rechtskräftig und rechtswirksam und sind von den deutschen Gerichten und Behörden demgemäß zu behandeln.“
Das Augenmerk sollte sich hier auch auf den Teil „später gefällt werden“ richten. Das bedeutet also, die Drei Mächte können auch noch später (jetzt) Urteile fällen. Überaus interessant…
Auf Wikipedia wird indessen versucht, die Sache herunterzuspielen. Dort steht: „Entgegen den Behauptungen von Revisionisten, die auf eine alliierte Festschreibung der Geschichte anspielen, hat der Artikel 7 des Überleitungsvertrages weder Auswirkungen auf die Lehrinhalte der Kultusministerien noch liegt dadurch ein Verbot der Abänderung und Wiederaufnahme von Urteilen und Verfahren der Besatzungsmächte oder eine anderweitige Einschränkung der mit der Einheit Deutschlands wiedererlangten vollen Souveränität vor.“
Eine interessante Behauptung, für die mir aber ganz klar der Beweis fehlt. Zudem widerspricht diese Sichtweise den Formulierungen im Artikel 7 (1) und dem Sinn, warum dieser dann überhaupt verlängert wurde. Zudem wird bei all den Erklärungs- und Beschwichtigungsversuchen nie mit nur einem Wort auf das „später gefällt werden“ eingegangen. Dieser Abschnitt wird einfach komplett ignoriert.
Mir drängen sich zwei Fragen auf: Erstens, wenn die Inhalte des Artikel 7 (1) doch angeblich keine Bedeutung mehr haben, warum wurde dessen Gültigkeit dann überhaupt verlängert? Und zweitens, was bedeutet dieses „später gefällt werden“? Auf eine erhellende Antwort können wir wahrscheinlich lange warten.
Neben Artikel 7 (1) sind jedoch noch weitere Artikel, deren Gültigkeit in der Nebenvereinbarung verlängert wurde, von Bedeutung – wie beispielsweise Zehnter Teil Artikel 4 (Ausländische Interessen in Deutschland): „Die Bundesrepublik bestätigt, dass nach deutschem Recht der Kriegszustand als solcher die vor Eintritt des Kriegszustandes durch Verträge oder andere Verpflichtungen begründeten Verbindlichkeiten zur Bezahlung von Geldschulden und die vor diesem Zeitpunkt erworbenen Rechte nicht berührt.“
Dieser Artikel bezieht sich auf den abscheulichen Versailler Vertrag (Versailler Diktat), der durch unmenschliche Erpressung zustande kam und dessen Auswirkungen hauptverantwortlich für den Ausbruch des Zweiten Weltkrieges waren. Die daraus resultierende Verpflichtung zu Reparationszahlungen von Seiten Deutschlands (für den Ersten Weltkrieg!) wurde somit weiter verlängert. Es wurde tatsächlich noch bis Oktober 2010 gezahlt. Also wir, die Steuerzahler, haben das bezahlt!
Dass wir auf der anderen Seite aber nicht auf die Idee kommen, selbst Reparationen zu fordern, haben sich die Siegermächte natürlich auch noch etwas einfallen lassen. Ebenfalls durch die Nebenvereinbarung zum Zwei-plus-Vier-Vertrag wurde folgender Artikel verlängert: Sechster Teil Artikel 3, Absätze 1 und 3 (Reparationen): „Die Bundesrepublik wird in Zukunft keine Einwendungen gegen die Maßnahmen erheben, die gegen das deutsche Auslands- oder sonstige Vermögen durchgeführt worden sind oder werden sollen, das beschlagnahmt worden ist für Zwecke der Reparation oder Restitution oder auf Grund des Kriegszustandes oder auf Grund von Abkommen, die die Drei Mächte mit anderen alliierten Staaten, neutralen Staaten oder ehemaligen Bundesgenossen Deutschlands geschlossen haben oder schließen werden.“
Interessant ist auch hier wieder die Wortfolge „werden sollen“. Es darf also auch weiterhin einbehalten und gestohlen werden, was eigentlich uns gehört.
Wenn man mit unverbesserlichen Systemanhängern diskutiert, sollte man folgende Fragen stellen:
- Wenn Deutschland ein souveränes Land ist, warum kann es dann nicht eigenständig über seine Truppenstärke entscheiden?
- Wenn Deutschland ein souveränes Land ist, warum darf man dort dann nicht frei und objektiv über die eigene Geschichte diskutieren?
- Wenn die Inhalte der Artikel, die durch die Nebenvereinbarung zum Zwei-plus-vier-Vertrag verlängert wurden, doch angeblich keine Bedeutung mehr haben, warum wurden sie dann überhaupt verlängert? Was macht das dann für einen Sinn?
Diese Fragen sind berechtigt! Und diese Fragen konnte mir bisher noch niemand zufriedenstellend beantworten. Jeder sollte selbst mal darüber nachdenken. Es ist was faul im Staate…
Dieser Artikel erschien ursprünglich hier:
https://www.pravda-tv.com/2016/10/um-es-deutlich-zu-sagen-deutschland-ist-kein-souveraenes-land/