Europas Mas­sen­mi­gration — Führer vs. Öffentlichkeit

Ein Gast­beitrag von Douglas Murray

Ist Bill Gates ein Nazi, Rassist, “Isla­mo­phober” oder Faschist? Wie der berühm­teste Butler von PG Wode­house gesagt hätte: “Die Even­tua­lität erschiene äußerst ent­fernt”. Bisher hat niemand in irgend­einer ein­fluss­reichen Position solche Ansprüche gegenüber dem weltweit größten Phil­an­thropen erhoben. Mög­li­cher­weise — nur mög­li­cher­weise — ändert sich etwas in Europa.

In einem Interview, das am 2. Juli in der deut­schen Zeitung “Welt Am Sonntag” ver­öf­fent­licht wurde, hat der Mit­be­gründer von Microsoft die anhal­tende euro­päische Migra­ti­ons­krise ange­sprochen. Was er sagte, war überraschend:

„Einer­seits willst du Groß­zü­gigkeit demons­trieren und Flücht­linge auf­nehmen, aber je groß­zü­giger du bist, desto mehr spricht sich das herum — was wie­derum mehr Men­schen moti­viert, Afrika zu ver­lassen. Deutschland kann unmöglich die riesige Anzahl von Men­schen auf­nehmen, die ihren Weg nach Europa machen wollen.”

Diese Worte wären für den Durch­schnitts­bürger Europas unum­stritten. Die jähr­liche Umfrage der EU-Bürger, die kürzlich von Project 28 durch­ge­führt wurde, fand eine Ein­stim­migkeit über die Frage der Migration, die fast über den ganzen Kon­tinent uner­reicht war. Die Umfrage ergab zum Bei­spiel, dass 76% der Bevöl­kerung in der EU glaubt, dass der Umgang der EU mit der Migra­ti­ons­krise der letzten Jahre “arm­selig” sei. Es gibt kein Land in der EU, in dem sich die Mehrheit der Bevöl­kerung von diesem Konsens unter­scheidet. In Ländern wie Italien und Grie­chenland, die an der Front der Krise der letzten Jahre waren, ragt diese Zahl steil in die Höhe. In diesen Ländern glauben neun von zehn Bürgern, dass die EU schlecht mit der Migran­ten­krise umge­gangen ist.

Wie sollten sie auch anders denken? Die Ankün­digung der Bun­des­re­gierung von 2015, dass normale Asyl- und Grenz­ver­fahren nicht mehr in Kraft seien, ver­schärfte eine bereits kata­stro­phale Situation. Die Popu­la­tionen von Deutschland und Schweden stiegen in diesem Jahr auf­grund des Zustroms von Migranten allein um 2% an. Dies sind monu­mentale Ver­än­de­rungen, die mit einer für jede Gesell­schaft rie­sigen Geschwin­digkeit geschehen.

Zur gleichen Zeit, wie die Öffent­lichkeit gewusst hat, dass das, was die Poli­tiker tun, nicht nach­haltig ist, hat es eine große Anstrengung gegeben, zu kon­trol­lieren, was die euro­päische Bevöl­kerung sagen darf. Bun­des­kanz­lerin Merkel ging so weit, den Facebook-Gründer Mark Zuckerberg zu drängen, die Bei­träge auf Social Media zu beschränken, die kri­tisch gegenüber ihrer Politik waren. Dies war nur ein Bei­spiel für einen viel brei­teren Trend. Auf dem ganzen Kon­tinent war jede private oder öffent­liche Per­sön­lichkeit, die es wagte, zu warnen, dass die Einfuhr so vieler Men­schen in solch einer unor­ga­ni­sierten Weise der Beginn einer Kata­strophe war, die sich mit den dun­kelsten denk­baren Motiven beschäftigte.

Selbst nach den Ter­ror­an­griffen vom November 2015 in Paris und der Ent­de­ckung, dass die Mit­glieder der Ter­ror­zelle über die Migran­ten­routen in und aus Europa gelangt waren, wiesen die euro­päi­schen Staats- und Regie­rungs­chefs die Besorgnis über die Migra­ti­ons­krise zurück. Der Prä­sident der Euro­päi­schen Kom­mission Jean-Claude Juncker belei­digte die Öffent­lichkeit und die wenigen Poli­tiker, die nach den Pariser Angriffen Merkel ablehnten:

“Ich würde die in Europa ein­laden, die ver­suchen, die Migra­ti­ons­agenda zu ändern, die wir ver­ab­schiedet haben — ich möchte sie daran erinnern, ernst zu machen und nicht diesen Basis­re­ak­tionen nach­zu­geben, die ich nicht mag.”

Es ist ver­ständlich, dass in einer Zeit, in der Tau­sende von Men­schen das Mit­telmeer über­querten und viele ertranken, einige huma­nitäre Impulse vor­herr­schen konnten. Damals im Jahr 2015, auf dem Höhe­punkt der Krise, hat selbst Bill Gates Amerika dazu auf­ge­rufen, Migranten auf dem­selben Niveau auf­zu­nehmen, zu dem Deutschland sie aufnahm. Seitdem hat Gates jedoch bemerkt, was die meisten Men­schen, die in Europa leben, bemerkt haben — nämlich dass die Öffnung der Grenzen ihres Landes eine kurz­fristige mora­lische Anzie­hungs­kraft haben mag, sie aber eine Vielzahl von lang­fris­tigen gesell­schaft­lichen Sorgen verursacht.

Es sind diese Sorgen — die die euro­päische Öffent­lichkeit rund um sich herum sowie auf den Titel­blättern ihrer Zei­tungen sehen kann — die die Mehrheit der Öffent­lichkeit in ganz Europa dazu bringt, den Fluss der Migranten redu­zieren zu wollen. In seinem jüngsten deut­schen Zei­tungs­in­terview hat Bill Gates auch dieses Gefühl aus­ge­drückt — und zwar sehr deutlich — indem er sagte: “Europa muss es den Afri­kanern erschweren, den Kon­tinent über die lau­fenden Tran­sitwege zu erreichen.”

Das alles ist natürlich wahr. Es ist nicht möglich für Europa, die Heimat für alle und jeden in Afrika, dem Nahen oder Fernen Osten zu werden, der es schafft, eine ziemlich kurze Was­ser­strecke zu über­queren. Die Men­schen in Europa wussten das schon lange. Einige Leute — schwer kri­ti­siert von den Main­stream-Medien und der poli­ti­schen Klasse — haben das sogar aus­ge­drückt. Aber viel­leicht, jetzt, wo ein bekannter und sicher nicht-Nazi Phil­an­throp wie Bill Gates es bemerkt hat, wird sich etwas ändern. Es ist wahr­scheinlich zu viel erhofft, dass die west­eu­ro­päische poli­tische Klasse tat­sächlich auf seinen Rat hören könnte. Aber könnten sie wenigstens ihre Ver­achtung für die ver­nünf­tigen Anliegen der breiten Öffent­lichkeit im Zaum halten?

Douglas Murray, bri­ti­scher Autor, Kom­men­tator und Öffent­lich­keits­analyst lebt in London, England.
Dieser Artikel erschien zuerst auf https://de.gatestoneinstitute.org/10682/europas-massenmigration-bill-gates