Haben Sie’s auch schon bemerkt? Die Moderatoren unserer TV-„Qualitätsmedien“ tragen jetzt immer häufiger Schwarz. Dabei achten sie nicht auf schlichte Eleganz, sondern haben einen anderen – von oben angeordneten – Grund dafür: Sie sollen Trauer heucheln. Hatten die „Herren“ und „Damen“ bei den zahlreichen Terroranschlägen nicht immer das kleine Schwarze rausgesucht, ist das jetzt wohl Pflicht, zumindest, wenn Prominente betroffen sind. So trug die gesamte TV-Riege kollektiv Schwarz beim Tode Helmut Kohls, obwohl die meisten Nachwuchsmoderatoren in der Wirkungszeit des Ex-Bundeskanzlers noch Quark im Schaufenster waren.
Diese kollektive Trauer setzt jetzt auch beim Busunglück in Bayern ein, sozusagen als Gegenstück zur Trauer um die Prominenten, ein. Motto: Wir denken an alle, nicht nur an die Prominenten, wir sind nämlich anständig.
Anständig? Was ist das für ein Anstand, wenn Reporter (innen) am Unglücksort in die Kamera lächeln, als seien sie auf einer Modenschau? Was ist das für ein Anstand, wenn sie nach einer kurzen Schamfrist die Familienangehörigen der Opfer aufsuchen, um diese über das Leben der jetzt Toten auszufragen, dabei spricht der Autor aus Erfahrung, denn er war Polizeireporter u.a. bei Bild und RTL.
Es ist die Gier danach, die Story als erster zu haben, so genau wie möglich über das Leid der Familien zu berichten.
Ein typischer Bericht fängt so an: XY-Stadt, gepflegte Vorgärten, Einfamilienhäuser, spielende Kinder im Sonnenschein. Hier war das Zuhause von Anne K. (69). Die Seniorin hatte sich so auf die Busfahrt gefreut. Endlich andere Luft schnuppern, Spaziergänge in frischer Luft, im Café sitzen. Doch die Fahrt in den Sonnenschein endete in einer Flammenhölle auf der Autobahn. Anne K. kehrt nie wieder zurück, schließt nie wieder ihre Enkel in die Arme.
So habe ich es als Boulevardjournalist gelernt. Doch was bringt das?
Weder der am Computer sitzende Redakteur noch der in Schwarz gekleidete Moderator empfinden bei dieser Nachricht echte Trauer. Wie auch? Sie haben die toten Menschen nicht gekannt, haben keinerlei Beziehung zu ihnen, auch nicht zu den Angehörigen. Es handelt sich dabei nur um plakative Show, Motto: Oh, Tote, Schwarz tragen. Wenn die Sonne scheint, tragen sie bunt, wenn es regnet grau und wenn Deutschland im Fußball gewinnt, den sportlichen Pulli und die bequemen Schuhe.
Dieses Getue und das Jagen nach „Nachrichten“ (denn die Tränendrüsengeschichten sind keine echten Nachrichten) sind grauenhaft unmoralisch und sensationsheischend.
Ein Trauerflor wäre angebrachter, denn er kennzeichnet echte Anteilnahme, zeigt aber die Distanz zu den wirklich Betroffenen.
Die Moderatoren tun geradezu so, als sei jemand von ihnen betroffen und sie würden in echte Trauer versinken. Dieses Verhalten ist ein Affront gegenüber den wirklich betroffenen Menschen, denn die nächste Nachricht handelt schon davon, wie ausgelastet die Freibäder in dieser Saison sind oder welcher Star Eheprobleme hat.
Und genauso schlimm ist die Tatsache, dass die meisten Reporter und Moderatoren von ihren Vorgesetzten (und von der Politikerkaste) zu einem solchen Verhalten gezwungen werden.
Ihr würdet glaubwürdiger wirken, wenn Ihr euch vor laufender Kamera bei den Angehörigen der Opfer für dieses Affentheater entschuldigen würdet. Deren Dank wäre Euch sicher. Und das ist mehr wert, als die affige, von oben verordnete Verkleidung anzulegen.