Zu keinem anderen Baum haben wir in unseren Breiten eine innigere Beziehung als zu den Tannen, die uns als Symbolbaum des Weihnachtfestes dienen. Für unsere Ahnen, die Stämme der Kelten und Germanen, war die Tanne ein heiliger Baum, in dem die Götter wohnen und sie wurden auch als „Könige des Waldes“ bezeichnet. Über die Herkunft des Weihnachtsbaumes in unserem christlichen Sinne gibt es viele Geschichten und Mythen. Zum Julfest schmückten die Kelten und Germanen ihre Plätze und Häuser mit Tannenzweigen, damit sich die heilende Wirkung des Baumes auf Menschen und Häuser überträgt. Es ist äußerst wohltuend, sich in diesen hektischen Zeiten des Winters bewusst zu werden und die Ruhe, die diese Monate in sich tragen, für uns nutzbar zu machen. Dies bedeutet in diesem Fall auch, dass wir zu unseren Wurzeln zurückkehren, dorthin, wo sich auch die Lebenssäfte der Bäume in den Wintermonaten zurückziehen, um zu regenerieren und neue Kraft zu schöpfen.
Das Fest der Wintersonnwende, das wir heute als das Christliche Weihnachten feiern, trägt in sich die Überwindung der Dunkelheit und Rückkehr des Lichts. Deshalb ist die Tanne auch Sinnbild für das Erwachen des Lichtbewusstseins. Wir feiern die Geburt Jesu, das Fest der Liebe. Wahrscheinlich gibt es keine Zeit im Jahr, an welcher wir so auf unsere Unzulänglichkeiten stoßen, wie zur Wintersonnwende und in den Rauhnächten. Auch ist bekannt, dass sich selten im Jahr so viele Familiendramen abspielen, wie um diese Zeit. Wer durch das Jahr ein gesundes Wachstum erlebte, die eigenen Schritte beobachtete und immer wieder seiner eigenen Freude, seinem ureigensten Licht in sich gefolgt ist, für diesen können diese Tage einen ungeahnten inneren Reichtum offenbaren, einfach so aus sich heraus.
Für die anderen kann das Erleben des erwachenden Lichts eher unangenehm sein. Wer sich dem, was da gerade auftaucht, stellt und nicht weiter nach Ablenkung im Außen sucht, für den können die ersten Momente als höchst unangenehm empfunden werden. Niemand findet eine Desillusionierung oder Verzweiflung amüsant, aber es sind gerade auch diese Zustände, die wir erleben müssen, um in uns weiterzukommen. Vielleicht, um wieder mit unserer inneren Ruhe in Verbindung zu kommen, an das Größere anzuschliessen und uns wieder zu spüren oder einfach die eigene Verletzlichkeit wahrzunehmen. Es sind Winterlektionen, die es zu meistern gilt, um wieder Herr/Frau im eigenen Tempel zu sein. Das Licht oder auch ein Geistesblitz darf uns kraftvoll erreichen, und wir dürfen uns bewusst darüber werden, dass „Licht keine Schatten wirft“. Schatten wirft jenes, was wir dem Licht entgegenstellen!
Einen weiteren Aspekt oder guter Wegweiser in Feld der Tanne bieten auch die Wurzeln, wenn wir deren Wuchs betrachten. Tannen sind Flachwurzler und bieten beim Wandern viele Gelegenheiten zum Stolpern oder gar zu stürzen – so stolpern wir manchmal auch über uns selbst. Sie machen uns darauf aufmerksam, WER wir alles auch noch sind und fordern uns auf, unsere Talente und Qualitäten zu entdecken. Diese stehen für uns bereit, um entdeckt zu werden und sie in unser Leben zu integrieren. Man könnte also die Tanne auch als „Talentförderer“ sehen, die uns in ein neues Licht stellt. Es liegt demnach wie immer an uns, diese neuen Aspekte in uns zu entdecken.
Ein Talent, das alle Menschen teilen, ist, dass wir immer Zugang haben in einen Modus, den ich gerne den „befähigenden Modus“ nenne, und da auf dieser unserer Welt alles Polar ist, wäre der andere der „einschränkende Modus“. Egal, was wir tun, wir unterliegen unserer eigenen Bewertung oder Diagnose von dem, was wir mit unseren fünf Sinnen wahrnehmen. Instantan, also unmittelbar, werden Botenstoffe in unserem Körper freigesetzt, die uns in den einen oder anderen Modus versetzen. Man könnte die Modi auch „Adrenalin-“ und „Endorphin-Modus“ nennen oder „Stress-“ und „Wohlfühlmodus“.
Wir haben immer die Wahl, dem Gedanken, der uns gerade zwischen den Ohren durchflitzt, zu glauben, oder diesen Gedanken nur zu beobachten. Glauben wir dem Gedanken, machen wir ihn zur Wirklichkeit, und er zeigt Wirkung in uns und wir spielen das Spiel von Gut und Böse. Beobachten wir ihn lediglich, so geschieht das, was man landläufig als „in sich Ruhen“ nennt.
Zur Wintersonnwende ist es besonders angebracht, dieses Spiel, das in uns stattfindet, zu beobachten, denn das Licht, das sich im Außen reduziert, kann sich in unserem Innern entfalten. Die alljährlichen Dramen können wir so in einem neuen Licht wahrnehmen. Die Identifikation mit dem, was ist, weicht der reinen Beobachtung im „Jetzt“ und Gewahrsein wird erfahrbar in uns.
So könnten Sie sich jetzt, in diesem Moment, zum Beispiel auch die Frage stellen: „Wenn ich jetzt das Licht in mir wahrnehmen könnte, wo würde ich es am stärksten spüren?“ Nehmen Sie sich einen kleinen Moment Zeit, dies zu erleben. Ich bin ganz sicher, dass Sie das jetzt erfahren können, egal wo Sie gerade sind. Oder die Frage: „Wie würde sich dann mein Atem anfühlen, wenn das für mich jetzt erfahrbar wäre? Könnte es sein, dass er ruhig in mir fließt, mich füllt und erfüllt?“
Es braucht nur wenige Sekunden, um dies in uns zu erfahren. Die Wirkung oder die Wirklichkeit, die daraus entsteht, beschreiben die meisten Menschen mit Frieden.
Ich wünsche Ihnen eine Wintersonnwende in Ruhe und Gelassenheit, und grüße Sie herzlich
Christian Kindlimann
PS: Durchstarten im Januar, Tagesworkshop 20. Januar 2018
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