Die linke Sprach­po­lizei und das “Unwort des Jahres”

Das „Unwort des Jahres“ 2017 heißt „alter­native Fakten“. Das ver­kündete die Jury um Lin­gu­istik-Pro­fes­sorin Nina Janich. Mit „Sprach­wis­sen­schaft“, wie es unkri­tisch in Medi­en­be­richten heißt, haben die „Worte“ und „Unworte des Jahres“ indes nichts zu tun. Hier wollen sich Links­in­tel­lek­tuelle ihrer Deu­tungs­hoheit ver­si­chern und Anders­den­kende lächerlich machen.
(Von Dr. Rainer Zitelmann)
Die Bezeichnung „alter­native Fakten“ sei, so begründet die Jury ihre Ent­scheidung, „der ver­schlei­ernde und irre­füh­rende Aus­druck für den Versuch, Falsch­be­haup­tungen als legi­times Mittel der öffent­lichen Aus­ein­an­der­setzung salon­fähig zu machen“. „Alter­native Fakten“ ist ein Begriff, der von Kel­lyanne Conway, einer Bera­terin von Donald Trump, ver­wendet wurde, um die (falsche) Behauptung zu stützen, dass zur Amts­ein­führung von Trump mehr Zuschauer gekommen seien als bei frü­heren Amts­ein­füh­rungen anwesend waren.
Meine Meinung: Natürlich ist „alter­native Fakten“ ein schwach­sin­niger Begriff, der jedoch über­haupt nicht in die Sprache ein­ge­gangen ist – weder in die deutsche noch in die eng­lische. Er wird allen­falls von poli­tisch Kor­rekten ver­wendet, um Anders­den­kende lächerlich zu machen und als Lügner und Idioten dar­zu­stellen – nach dem Motto: Jeder Anders­den­kende ist ein kleiner Trump. Die Behauptung der Jury, „alter­native Fakten“ sei auch in Deutschland zum Sinnbild für besorg­nis­er­re­gende Ten­denzen im öffent­lichen Sprach­ge­brauch geworden, ist abwegig.
Die Juroren rügten zudem den Begriff „Shuttle Service“ im Zusam­menhang mit See­not­ret­tungs­ein­sätzen von Nicht­re­gie­rungs­or­ga­ni­sa­tionen im Mit­telmeer für Men­schen, die in Schlauch­booten flüchten. Außerdem pran­gerten sie die For­mu­lierung „Gen­derwahn“ an. Mit diesem Aus­druck würden in kon­ser­va­tiven bis rechts­po­pu­lis­ti­schen Kreisen zunehmend Bemü­hungen um Geschlech­ter­ge­rech­tigkeit in undif­fe­ren­zierter Weise dif­fa­miert, so die Jury. Damit sollen also Kri­tiker der Gen­der­ideo­logie gemaß­regelt werden. Auf der Liste der Vor­schläge zum „Unwort des Jahres“ stand auch die „Sprach­po­lizei“ – ein Begriff, der sich gegen die Sprach­vor­schriften durch poli­tisch Über­kor­rekte wendet (und damit natürlich selbst uner­wünscht ist).
Wort des Jahres 2016 war „post­fak­tisch“
Unter­sucht man die Begriffe, die in frü­heren Jahren als Worte bzw. Unworte des Jahres gekürt wurden, dann wird deutlich, dass sich darin die Welt­sicht der Links­in­tel­lek­tu­ellen ver­dichtet. „Unworte“, die von poli­tisch Links­ste­henden ver­wendet werden, gibt es nach dieser Lesart nicht. „Unworte“ sind vor­wiegend Begriffe, die – tat­sächlich oder ver­meintlich – von Libe­ralen, Kon­ser­va­tiven oder Rechten ver­wendet werden.
Im ver­gan­genen Jahr wurde „post­fak­tisch“ zum „Wort des Jahres“ gekürt. Für mich war es tat­sächlich das UNWORT des Jahres, denn es steht für eine into­le­rante Haltung gegenüber Anders­den­kenden. Die Jury begründete damals ihre Ent­scheidung, „post­fak­tisch“ zum Wort des Jahres zu küren, damit, „dass es in poli­ti­schen und gesell­schaft­lichen Dis­kus­sionen heute zunehmend um Emo­tionen anstelle von Fakten geht“. In der Begründung hieß es im ver­gan­genen Jahr, dass „immer größere Bevöl­ke­rungs­schichten … in ihrem Wider­willen gegen ‚die da oben’ bereit (seien), Tat­sachen zu igno­rieren und sogar offen­sicht­liche Lügen bereit­willig zu akzep­tieren“. Es gehe im „post­fak­ti­schen Zeit­alter“ nicht mehr um einen Anspruch auf Wahrheit. Vielmehr genüge das Aus­sprechen einer „gefühlten Wahrheit“, um zum Erfolg zu kommen. So weit die damalige Jurybegründung.
Meine Meinung: Die­je­nigen, die vom „post­fak­ti­schen Zeit­alter“ sprechen, unter­stellen damit Anders­den­kenden, sie igno­rierten prin­zi­piell die Fakten und ließen sich aus­schließlich von irra­tio­nalen Emo­tionen leiten; dabei seien sie bereit, jede Lüge begierig auf­zu­greifen. „Post­fak­tisch“, ein Begriff der auch von Merkel gegen Kri­tiker ihrer Zuwan­de­rungs­po­litik ver­wendet wurde, ist nichts anderes als ein Kampf­be­griff zur Dif­fa­mierung Anders­den­kender, denen man damit jedwede Ratio­na­lität abspricht. Zugleich impli­ziert man damit, selbst im Besitz der abso­luten Wahrheit zu sein: „Wir haben die Fakten, ihr habt nur irra­tionale Emo­tionen“ oder: „Wir sind im Besitz der Wahrheit, ihr wollt nur noch Lügen hören!“ Und so ist es auch jetzt mit dem Begriff „alter­native Fakten“: Die Linken wollen uns sagen: Die Fakten (z.B. zu Themen wie Aus­län­der­kri­mi­na­lität) sind stets auf unserer Seite. Und wer das bezweifelt, ist ein Idiot, der uns „alter­native Fakten“ (= Lügen) auf­ti­schen will.
„Unworte“ ver­gan­gener Jahre: „Gut­mensch“ und „frei­willige Ausreise“
Das Unwort 2015 lautete „Gut­mensch“. Warum eigentlich? Ich finde den Begriff „Gut­mensch“ gut. Dass er zum „Unwort“ erklärt wurde, ist bezeichnend, denn der Begriff wendet sich meist kri­tisch gegen Linke und Grüne, die sich für mora­lisch über­legen halten.
Das Unwort 2013 lautete „Sozi­al­tou­rismus“. Der Begriff wurde zum „Unwort“, weil Poli­tiker und Medien damit „gezielt Stimmung gegen uner­wünschte Zuwan­derer, ins­be­sondere aus Ost­europa“ machten. Indem die Jury den Begriff zum „Unwort“ erklärte, sollte offen­sichtlich geleugnet werden, dass es eine Zuwan­derung in die Sozi­al­systeme gibt (dies zu bestreiten, nenne ich wie­derum postfaktisch).
2006 wurde „frei­willige Aus­reise“ als „Unwort des Jahres“ gekürt. Der Begriff sug­ge­riere, so hieß es zur Begründung, abge­lehnte Asyl­be­werber kehrten vor einer Abschiebung „frei­willig“ in ihre Heimat zurück. Tat­sächlich hätten sie jedoch, so die Jury, keine andere Wahl. Daher sei der Begriff ein „Unwort“. Es wurde also damit kri­ti­siert, dass ein abge­lehnter Asyl­be­werber die Ent­scheidung eines deut­schen Gerichtes in letzter Instanz akzep­tiert und ihr folgt statt sich ihr zu wider­setzen und illegal in Deutschland zu bleiben.
Manche Begriffe, die zum „Unwort des Jahres“ gekürt wurden, finde auch ich kri­tik­würdig, so etwa „Lügen­presse“ (2014), „Wohl­standsmüll“ (1997), „aus­län­derfrei“ (1991) usw. Auf­fallend ist jedoch, dass niemals Begriffe und Worte mit einer linken oder grünen Kon­no­tation zum „Unwort“ gekürt werden. Im Gegenteil. Solche Begriffe haben eine gute Chance „Worte des Jahres“ zu werden.
Worte des Jahres – was ins linke Weltbild passt
Zum „Wort des Jahres“ werden gerne Begriffe gekürt, die in das linke Weltbild passen. Das erste „Wort des Jahres“ war 1971 „auf­müpfig“, also etwas, das damals im links­grünen Denken ein­deutig positiv belegt war. „Auf­müpfig“ so hieß es, habe sich anfangs vor allem auf die 68er-Bewegung bezogen und sei 1970/71 im all­ge­meinen Sprach­ge­brauch neu auf­ge­kommen. Heute würde „auf­müpfig“ sicher nicht mehr zum Wort des Jahres gekürt, weil längst nicht mehr nur poli­tisch Links­ste­hende „auf­müpfig“ sind.
1982 wurde der Begriff „Ellen­bo­gen­ge­sell­schaft“ gekürt, eben­falls ein linker Kampf­be­griff. Gemeint war damit der Vorwurf linker Poli­tiker an die neue schwarz-gelbe Regierung, sozial Schwache zu benach­tei­ligen und den Ego­ismus in der Gesell­schaft zu fördern.
1993 war „Sozi­al­abbau“ das „Wort des Jahres“. Auch das ist ein pole­mi­scher Begriff, der sich gegen markt­wirt­schaft­liche Reformen des Sozi­al­staates wendet.
1998 war das Wort des Jahres „Rot-Grün“, 2007 „Kli­ma­ka­ta­strophe“ („die Folgen unkon­trol­lierter glo­baler Erwärmung“). 2015 wurde dann „Flücht­linge“ zum „Wort des Jahres“, obwohl man gerade diesen Begriff wegen man­gelnder Dif­fe­ren­zierung durchaus kri­tisch sehen kann. Denn in Politik und Medien wird er oft pau­scha­li­sierend und gene­ra­li­sierend für Ein­wan­derer ver­wendet, auch wenn diese nicht vor Kriegen und Bür­ger­kriegen auf der Flucht sind, was ja die ursprüng­liche Bedeutung des Wortes ist.
Die Jury kürt auch einen „Satz des Jahres“. Schon zwei Mal hat Angela Merkel den „Satz des Jahres“ gesagt, nämlich 2011 („Fuku­shima hat meine Haltung zur Ker­ner­n­ergie ver­ändert“) und 2015 („Wir schaffen das“). 2001 prägte der Ber­liner SPD-Vor­sit­zende und spätere Regie­rende Bür­ger­meister Klaus Wowereit das Wort des Jahres: „Ich bin schwul und das ist (auch) gut so“.
Mit „Sprach­wis­sen­schaft“, wie es unkri­tisch in Medi­en­be­richten heißt, haben all diese Worte, Unworte usw. nicht das Geringste zu tun – hier wollen sich lediglich Links­in­tel­lek­tuelle ihrer Deu­tungs­hoheit ver­si­chern und Anders­den­kende lächerlich machen und diffamieren.
Dr. Rainer Zitelmann / TheEuropean.de