Ehe­ma­liger General: Europa ist zu seinem Schutz kaum mehr in der Lage

Deutschland muss anfangen, mit seinen euro­päi­schen Partnern selbst für seine Sicherheit zu sorgen, fordert General a. D. Klaus Naumann. Dieser Beitrag basiert auf einem Vortrag, den General Naumann auf dem Ludwig-Erhard-Gipfel 2018 gehalten hat.

Wozu das Thema “Ohne Sicherheit ist Alles Nichts“? Wir leben doch in Sicherheit,? Ja, das tun wir. Doch es ist eine trü­ge­rische Sicherheit. Denn wir leben in einer Welt ohne Sicherheit, in einer Welt, in der viele Sicher­heits­organe durch poli­ti­sches Ver­schulden nur ein­ge­schränkt funk­tio­nieren und in der jeden Tag Uner­war­tetes neue Gefahren bringen kann.
Sicherheit vor äußerer Gefahr aber brauchen gerade die­je­nigen, die sich sich in diesen Tagen mit Fragen der wirt­schaftlich-indus­tri­ellen Zukunft beschäf­tigen. Vor­aus­setzung aller Inves­ti­tionen ist Sicherheit, die aber ist in unserer Arbeits- und Indus­triewelt allein schon durch anhal­tende Ver­än­de­rungen nur schwer zu erreichen. Schon gar nicht in unserer satten Gesell­schaft, die gern von Ver­än­derung spricht, sich aber gegen jede Ver­än­derung wehrt. Weitere Unsi­cherheit bringt eine kaum noch bere­chenbare inter­na­tionale Umwelt. Deshalb habe ich Willy Brandts Wort als Thema gewählt. Die inter­na­tionale Lage will ich nüchtern, aber kei­neswegs pes­si­mis­tisch schildern.
Das Ende der US- Beistandsgarantie
Europa war bis zum Frühjahr 2014 Teil einer Welt, die auf der Hoffnung beruhte, Krieg sei in Europa gebannt, die dachte, die viel­ver­spre­chende Part­ner­schaft mit Russland könne weiter gefestigt werden, die hoffte, Europa könne noch enger zusam­men­wachsen und die davon ausging, dass Europa sich auch künftig auf die Sicher­heits­ga­rantie der USA ver­lassen könne. Diese Welt ist zer­brochen. Sie wird vor­aus­sichtlich auch nicht wieder her­ge­stellt werden, ja sie könnte sogar noch weiter zer­brechen, denn weder die EU noch der trans­at­lan­tische Verbund sind gegen weitere Schäden oder gar Zerfall gefeit.
Den Anfang machte 2014 Putins rechts­widrige Annexion der Krim. Russland zeigte der Welt, dass es nicht Partner sein will, dass es inter­na­tionale, von Russland garan­tierte Grenzen nicht achtet und dass es bereit ist, zur Durch­setzung rus­si­scher Inter­essen mili­tä­rische Gewalt ein­zu­setzen. Noch schlimmer aber kam es als Europa 2017 erkennen musste, dass es sich auf die Bei­stands­ga­rantie der USA unter Prä­sident Trump nicht mehr vor­be­haltlos ver­lassen kann. Ein Europa, das zu seinem Schutz heute stärker denn je zuvor von den USA abhängt, das kaum noch in der Lage ist, sich vor äußerer Gefahr aus eigener Kraft zu schützen und dessen Peri­pherien im Osten, Süd­osten und Süden instabil sind.
Ame­rikas Rückzug aus glo­baler Ver­ant­wortung, ein­ge­leitet durch Obamas Preisgabe des Mitt­leren Ostens, fort­ge­setzt mit Trumps Frei­brief für China im asia­tisch-pazi­fi­schen Raum, aus­ge­stellt mit der Kün­digung von TPP sowie dem Ver­zicht darauf, Chinas Rechts­brüche im süd­chi­ne­si­schen Meer auch nur anzu­sprechen und nun gekrönt durch eine natio­na­lis­tische Steu­er­reform, die den Wett­bewerb im freien Welt­handel ver­zerren dürfte, hat Europa gezeigt, dass es endlich seine Sicherheit in die eigenen Hände nehmen muss.
Doch Europa ist mit sich selbst beschäftigt, sieht nach Innen, ver­sucht zu ver­hindern, dass dem Brexit wei­terer Zerfall folgt und die vom Euro erzeugten Brüche zwi­schen Nord und Süd noch größer werden. Zu viele seiner Poli­tiker fürchten sich davor, den Wählern Ver­än­de­rungen zuzu­muten, ver­säumen Kon­zepte für die raue Welt von Morgen zu ent­wi­ckeln und ver­spielen so ihre letzte Glaub­wür­digkeit. Die Außen­po­litik der EU ist Stückwerk, Macht­mittel sie umzu­setzen fehlen sowieso und ein Konzept für Asien, einem für die EU unver­zicht­baren Raum, fehlt ganz und gar, obwohl die Demo­kratien in diesem Raum wie Japan und Aus­tralien regel­recht auf Europa warten.
Chinas neue Weltordnung
Schlimmer aber noch scheint mir, dass Chinas Her­aus­for­derung, eine neue globale Welt­ordnung anzu­bieten, unbe­ant­wortet bleibt. Trumps USA stellt Natio­na­lismus über die Idee des Westens und die Europäer schweigen. Dabei geht es nicht mehr um die Pflicht­übungen bei Staats­be­suchen, wenn von China die Men­schen­rechte ein­ge­fordert werden, wissend dass Men­schen­rechte und Kom­mu­nismus unver­einbar sind.
Nein, jetzt geht es um den Kern unserer Wer­te­ordnung. Xi Jinping will etwas Neues. Er will ein Modell, in dem nicht mehr wie bei uns das Indi­viduum im Mit­tel­punkt steht, dessen Rechte durch die Macht des Rechts geschützt werden. Unsere Wer­te­ordnung gewährt Freiheit, das will Xi nie und nimmer, doch nur durch Freiheit ent­faltet sich die Krea­ti­vität, die Krea­ti­vität, die Sie in der Wirt­schaft brauchen, denn nur dann ent­steht Inno­vation. Es geht um nicht weniger als den Kern unserer west­lichen Ordnung und damit um die essen­tielle Res­source für wirt­schaft­liches Wachstum.
Diese unsere Ordnung muss geschützt werden, denn sie wird bedroht durch die Auto­kraten dieser Welt. Seit 2014 wissen wir erneut, dass es Freiheit nur gibt, wo Freie die Ver­ant­wortung über­nehmen, sie zu schützen. Das aber ist nötig, denn wir leben in einer Welt ohne Welt­ordnung, die noch dazu aus allen Fugen geraten ist.
Europa ist jetzt das letzte Bollwerk der Idee des Westens. Doch Europa ist für eine noch nicht bestimmte Zeit durch die Unge­wissheit über die Regie­rungs­bildung in Deutschland gelähmt und ohne Deutschland gibt es kein gemein­sames Handeln Europas so wie es ohne die USA keine Sicherheit für Europa gibt. Das ist die Lage, und so möchte ich nun fragen, mit welchen Gefahren zu rechnen ist und wie man ihnen begegnen sollte.
Gefahren für Europa
Ich beginne mit der guten Nach­richt: Ich denke nicht, dass Kriegs­gefahr in Europa über den in der Ukraine Tag für Tag geführten Krieg hinaus besteht, wenn ich bei­seite lasse, dass auch künftig nicht­staat­liche Akteure wie Ter­ro­risten Kriegs­hand­lungen auf den Gebieten unserer Staaten verüben werden. Ich denke also nicht, dass Putin weitere Aben­teuer à la Krim wagen wird. Er könnte das viel­leicht mili­tä­risch ris­kieren, aber wirt­schaftlich über­fordert er Russland schon durch seine ver­stärkte Rüstung und zusätzlich hat er die drei Mühl­steine um seinen Hals, Krim, Ukraine und Syrien, zu schleppen.
Solange die NATO in ihrer Bereit­schaft und Fähigkeit zur gemein­samen Ver­tei­digung des NATO Gebietes geschlossen bleibt besteht keine Kriegs­gefahr. Die steht und fällt mit dem Willen der USA, Europa not­falls zu ver­tei­digen, denn nur mit den USA kann ver­hindert werden, dass Russland seine ver­stärkte nukleare Rüstung erpres­se­risch nutzt. Die neue nationale Sicher­heits­stra­tegie der USA lässt daran keinen Zweifel. Russland dürfte also keine mili­tä­ri­schen Aben­teuer wagen, aber es wird alles tun um die EU zu spalten und die NATO zu schwächen. Der durch Trump ver­stärkte Anti-Ame­ri­ka­nismus hilft dabei.
Russland will sich so vor der Anste­ckungs­gefahr durch frei­heit­liches Denken schützen, denn die jungen Russen sehen die Sta­gnation, sie sehen, dass nichts geschieht um das Land zu moder­ni­sieren, dass Kor­ruption um sich greift, Recht­lo­sigkeit freien Handel behindert und, viel­leicht am Schlimmsten, eine ohnehin schon gefähr­liche demo­gra­phische Ent­wicklung in Russland durch die jähr­liche Abwan­derung von bis zu 200.000 gut aus­ge­bil­deten jungen Russen außer Kon­trolle geraten könnte.
Russland bleibt somit ein Risiko für Europa, aber kaum eine echte Gefahr. Es zu mindern heißt, Wege zu finden, Russland durch eine intel­li­gente Ver­knüpfung von abschre­ckender Ver­tei­di­gungs­fä­higkeit und Dialog zu erneuter Koope­ration zu führen. Dann könnte man ver­hindern, dass Russland aus seiner Position der Schwäche heraus neue Aben­teuer à la Syrien beginnt und damit Dik­ta­toren an Europas süd­öst­licher Peri­pherie stützt. Von dort drohen weitere Risiken. Die Staa­tenwelt des Nahen Ostens ist in Umbruch und Aufruhr. Ich weiß nicht wie die poli­tische Land­karte der Region zwi­schen Bos­porus und der Strasse von Hormuz in zehn oder gar zwanzig Jahren aus­sehen wird, ich nehme aber an, wir werden sie kaum wie­der­erkennen. Inzwi­schen wird es dort Bür­ger­kriege und Stell­ver­tre­ter­kriege geben, mög­li­cher­weise auch den direkten Krieg zwi­schen Iran und den sun­ni­ti­schen Staaten am Golf. Staaten wie Syrien, Libanon und Irak könnten zer­fallen, neue wie ein Kur­den­staat könnten ent­stehen. Ver­mutlich wird es zusätzlich zu Israel weitere atomar bewaffnete Staaten geben, denn das hier so gepriesene Atom­ab­kommen mit dem Iran ver­hindert nur dass der Iran vor 2025 Atom­macht wird.
Greift er dann nach der Bombe, dann dürften Saudi Arabien, viel­leicht auch die Türkei und später Ägypten folgen. Das wäre das Ende des Atom­waf­fen­sperr­ver­trages, aber schlimmer noch, die Gefahr eines Nukle­ar­krieges vor den Toren Europas würde zunehmen. Nicht zuletzt deshalb wird der Nahe Osten für Europa zum Schwer­punkt seiner Sicherheitsvorsorge.
Schwer­punkt Naher Osten und Afrika
Europa muss dort Kriege ver­hindern und seine Außen­grenzen schützen, Letz­teres ver­mutlich auch mili­tä­risch, ähnlich wie heute bereits im Irak. Europa braucht dort Partner, Israel als einzige Demo­kratie der Region ist sicher einer, aber auch die Türkei, in der die gegen­wärtige Auto­kratie hof­fentlich nur ein Inter­mezzo ist, bleibt ein stra­te­gi­scher Partner. Krieg droht von dort wohl nicht, sicher aber wei­terhin Res­sourcen ver­schlin­gende Insta­bi­lität und weitere Flücht­lings­wellen, weil die schnell wach­sende Jugend der Region keine Zukunft in der Heimat hat. Aller­dings dürfte der Bevöl­ke­rungs­druck weit geringer sein als der aus Afrika zu erwartende.
Die Bevöl­kerung Afrikas wächst jährlich um 30 Mil­lionen und könnte bis 2050 von heute 1,25 Mil­li­arden auf 2,5 Mil­li­arden wachsen. Es müssten jährlich 20 Mil­lionen Arbeits­plätze geschaffen werden um die jungen Afri­kaner in ihren Hei­mat­ländern zu halten, doch es sind im Durch­schnitt nur vier. Das Wirt­schafts­wachstum Afrikas, 2017 ver­mutlich 3,5 Prozent wird somit buch­stäblich von der nach­wach­senden Jugend auf­ge­fressen. Der Migra­ti­ons­druck wird somit zunehmen, weil Miss­wirt­schaft, unfähige Regie­rungen und Kor­ruption ver­mutlich die Besten zur Flucht bewegen. Was wir gegen­wärtig am Nordufer Afrikas erleben ist nur ein Vor­spiel einer gewal­tigen Flüchtlingswelle.
Mili­tä­rische Lösungen gibt es für dieses Problem nicht, aber ganz ohne Militär wir es auch nicht gehen, denn Vor­aus­setzung aller denk­baren Lösungen ist Sicherheit, nur dann wird es Inves­ti­tionen in Afrika geben. Das beginnt mit Rechts­si­cherheit und good gover­nance, kann aber eben auch den Schutz von Anlagen und Han­dels­wegen erfordern. Europa muss hier handeln, Afrika ist sein Vorfeld
Die 60 Mil­li­arden aus­län­di­scher Inves­ti­tionen, davon die Masse aus China, die aller­dings zur Sicherung des chi­ne­si­schen Roh­stoff­be­darfs, reichen nicht aus. Es muss bei Bildung geholfen werden, das ist immer noch der beste Weg, Bevöl­ke­rungs­wachstum zu bremsen, und man wird den Markt Europas für afri­ka­nische Pro­dukte öffnen müssen, auch wenn das die EU-Land­wirt­schafts­lobby an den Rand des Wahn­sinns treiben wird. Der von Deutschland ange­stoßene Compact with Africa muss zu einer umfas­senden EU-Stra­tegie für Afrika erweitert werden. Ich halte das für die Schick­sals­frage Europas.
Ver­harren wir im Zusehen, dann wird Afrikas Teu­fels­kreis aus Armut und Bevöl­ke­rungs­wachstum zu Explo­sionen führen, die für Europa zu töd­licher Gefahr werden könnten. Das ist in kurzen Worten die Europa direkt betref­fende Welt von heute, also auch ohne die Krisen in Asien eine höchst unsi­chere Welt.
Asien: Zentrum des Welthandels
Doch Europa darf ange­sichts des ame­ri­ka­ni­schen Rückzugs Asien nicht aus dem Auge ver­lieren. Über­lässt es dieses Zentrum des Welt­handels China, dann ver­spielt Europa jetzt die Zukunft seiner Kinder. Europa muss die Signale aus Aus­tralien und den ASEAN Staaten auf­nehmen und erwidern, dann könnte im Zusam­men­wirken mit den USA eine koope­rative Lösung in Asien gefunden werden. Doch die Suche danach hängt am sei­denen Faden Nordkorea.
Die Macht­haber dort wollen sicher keinen Krieg. Sie wissen, dass er mit ihrer Ver­nichtung enden würde, aber die Gefahr der Miss­kal­ku­lation dort und damit Kriegs­gefahr ist größer als sie es jemals zuvor war. Nord­korea wird seine Atom­waffen nicht auf­geben, sie sind die Lebens­ver­si­cherung des Regimes, aber man kann durch Ver­handlung viel­leicht eine Rüs­tungs­be­grenzung und den Ver­zicht auf Rüs­tungs­export erreichen. Doch wich­tiger als Korea ist, dem Anspruch Chinas ent­gegen zu treten, eine neue globale Idee einer Welt­ordnung auszubreiten.
Der Plan zur Umsetzung ist mit dem Konzept der neuen Sei­den­strasse vor allem im süd­chi­ne­si­schen Meer bereits in der Umsetzung. Europa als letzte Bastion der Idee des Westens muss sich dem jetzt als Anker­platz für Demo­kratien auch in Asien stellen oder sich auf Unter­werfung ein­stellen. Viel Zeit dafür bleibt Europa nicht, ich denke zehn Jahre ist eine opti­mis­tische Schätzung.
Kann Europa in dieser Welt jetzt seine Sicherheit in seine eigenen Hände nehmen? Meine Antwort ist nein, aber es muss jetzt anfangen. Dafür wären die Vor­schläge Prä­sident Macrons die goldene Gele­genheit, vor­aus­ge­setzt, Deutschland hätte eine hand­lungs­fähige Regierung. Doch selbst dann darf es in einem Punkt keine Illu­sionen geben: Außen- und sicher­heits­po­li­ti­schen Spielraum gewinnt die EU kurz- und mit­tel­fristig nur, wenn in der Zeit des Aufbaus euro­päi­scher Fähig­keiten die Ver­bindung mit den USA und Kanada unver­brüchlich bestehen bleibt, denn Sicherheit für Europa gibt es nur im Bündnis mit den USA.
Nur mit ihnen und nur durch sie kann Europa der nuklearen Macht Russ­lands begegnen und so nukleare Erpressung und im äußersten Fall Krieg ver­hindern. Das zu erreichen ist schwer, denn dazu bedarf es euro­päi­scher Gegen­leistung. Europa muss jetzt etwas tun, um wenigstens begrenzte Hand­lungs­fä­higkeit zu erreichen und es muss zusätzlich bereit sein, als Gegen­küste fest mit der mari­timen Welt­macht USA ver­bunden zu bleiben. Nur mit Europa an ihrer Seite können die USA Welt­macht bleiben, ohne Europa würden die USA auch nur eine Regio­nal­macht sein.
Sie brauchen uns und wir brauchen sie.
Die NATO ist deshalb ein für die USA wie Europa uner­setz­licher Verbund, sie ist für beide zum Schutz der gegen­sei­tigen Inves­ti­tionen und des für beide uner­setz­lichen Außen­handels einfach unver­zichtbar. Nach Trumps Rückzug aus Asien gilt das mehr denn je. Für Europa aller­dings ist die ver­trag­liche Bindung der USA an Europa von exis­ten­zi­eller Bedeutung: Nur mit den USA im Rücken nimmt Putins Russland Europa und seine globale Wirt­schafts­macht ernst und nur dann kann es gelingen, mit Russland wieder zu Dialog und Koope­ration zu finden und auch mit China in Asien statt Kon­fron­tation Zusam­men­arbeit zu gestalten.
Dieser Weg ist der einzige mit dem man über Sicherheit hinaus in Europa Sta­bi­lität erreichen, mit dem man für Europa die von Russland erzeugte nukleare Gefahr bannen und mit dem man Russ­lands Jugend die Hoffnung auf eine freie Zukunft erhalten kann.
Mehr euro­päische Zusammenarbeit
Damit habe ich den Hand­lungs­bedarf umrissen: Es gilt, mehr für Sicherheit zu tun und es gilt, mehr euro­päische Zusam­men­arbeit zu erreichen. Dazu muss man als Erstes eine Stra­tegie ent­wi­ckeln, die weit über die bestehende der EU hin­ausgeht, denn sie muss wirklich global angelegt sein, alle Felder der Sicherheit umfassen und auch auf die tech­ni­schen Ent­wick­lungen von morgen sehen.
Für das Militär heißt das natürlich nicht, eine Euro­paarmee auf­zu­bauen. Die bleibt ein Hirn­ge­spinst so lange die Staaten Europas nicht bereit sind, wenigstens in Teil­be­reichen Sou­ve­rä­nität auf inter­na­tionale Orga­ni­sa­tionen zu über­tragen. Niemand ist derzeit dazu bereit, Deutschland am wenigsten. Der deutsche Par­la­ments­vor­behalt für Ein­sätze der Bun­deswehr in seiner der­zei­tigen Hand­habung wird von den Ver­bün­deten als Indiz gesehen, dass man sich auf Deutschland nicht ver­lassen könne. Bleibt er unver­ändert, wird es bei den der­zei­tigen Trip­pel­schritten bleiben, obwohl mehr euro­päische Zusam­men­arbeit geboten ist und inter­na­tionale Trup­pen­teile Mil­li­arden ein­sparen könnten ohne Effi­zienz zu verlieren.
Man muss ver­suchen, Schritt für Schritt vor­an­zu­kommen und gleich­zeitig aber national die erkannten Mängel bei Per­sonal und Aus­rüstung von Bun­deswehr, Poli­zeien und Hilfs­werken so abzu­bauen, dass spätere euro­päische Lösungen möglich bleiben. Das heißt kei­neswegs, nun nur noch euro­päi­sches Material zu kaufen oder das zu ent­wi­ckeln, wenn kein geeig­netes vor­handen ist. Es gilt, schnell Ver­bes­serung zu erreichen und das kostet Geld. Sicher nicht 2 Prozent des BSP im nächsten Jahr, aber der Beschluss der NATO heißt ja auch nur, diese Ziel­marke für das Jahr 2024, also in den kom­menden sieben Jahren, anzu­streben. Solche Zusagen ein­zu­halten zeigt Ver­läss­lichkeit und nur ver­läss­liche Bünd­nis­partner zählen in EU wie NATO.
Schlüs­sel­rolle Deutschlands
Wich­tiger aber noch scheint mir, in den Nationen Europas den Willen und die Bereit­schaft zu ent­wi­ckeln, gemeinsam etwas für Europas Sicherheit zu tun. Das würde Europas Abhän­gigkeit wenigstens ver­ringern, beenden kann man sie ohnehin nicht, die Geo-Stra­tegie spricht dagegen, vor allem aber der nur durch die USA zu errei­chende nukleare Schutz. Beim Willen ist Deutschland mit das schwächste Glied in Europas Kette.
Die Deut­schen haben sich daran gewöhnt, dass Sicherheit garan­tiert ist, durch Andere, und haben ver­gessen, dass man für den Erhalt von Freiheit und Sicherheit auch selbst etwas tun muss. In der Politik wurden Sicherheit und Ver­tei­digung zur Neben­sache und unter dem scheinbar noblen Wort von der Kultur der Zurück­haltung ent­wi­ckelte sich Drü­cke­ber­gerei und die Haltung eines reichen und satten Tritt­brett­fahrers. Die deutsche Kon­sens­ge­sell­schaft, die Kon­tro­versen scheut und somit den Bürger ent­mündigt, trug das Ihre dazu bei.
Das muss sich nun ändern, wenn man umsetzten will, was die Kanz­lerin rich­ti­ger­weise sagte: Europa muss nun sein Schicksal ein Stück weit in die eigene Hand nehmen. Nur wenn Deutschland dazu den Willen auf­bringt, die Kraft hat es, kann Europa seine Sicherheit gestalten. Deutschland und Europa können in den Stürmen unserer Zeit bestehen, wir müssen es nur wollen. Tun wir das nicht, dann wird Europa an Deutschland scheitern und dann wäre wirklich Alles Nichts.
 
Quele: TheEuropean.de