Postengeschacher, Hinterhältigkeit und 100-Prozent-Ergebnisse …
Steuert die Große Koalition auf eine Volkskammer 2.0 zu? Ähnlichkeiten und Parallelen sind nicht von der Hand zu weisen.
Hier einige Beispiele:
Die DDR-Volkskammer von 1950 verhieß das Paradies auf Erden. Selbstverständlich zum Wohle der Bürger und des Landes unter strenger Zurückstellung eigener Macht- und Postengelüste.
Parallele 2018: Der GroKo-Vertrag zwischen CDU, CSU und SPD nimmt verbale Anleihen und verspricht eine Zukunft „in Frieden, Sicherheit und Wohlstand“. Unter Hinweis auf das (verheerende) Wahlergebnis von September 2017 wollen die Koalitionäre die „entsprechenden Schlüsse“ ziehen. Warum dann keine Neuwahlen, was inzwischen naheliegend wäre?
Die DDR-Volkskammer von 1950 gab sich als demokratisch aus. 500 Abgeordnete, neun Parteien. Das Sagen hatte im Pseudo-Mehrparteiensystem aber ausschließlich die SED samt ihren staatstragenden Helferparteien.
Parallele: Im Bundestag hebeln die Wahlverlierer von Union und SPD schonungslos mit „Weiter so“ die guten Absichten der Grundgesetzväter aus. Die kleinen Parteien haben nichts zu melden, wenns drauf ankommt. Kanzlerin Merkel entschied im September 2015 selbstherrlich die Öffnung der Grenzen für über zwei Millionen Migranten, ohne das Parlament zu fragen. Das Parlament wird zum bestätigenden Gremium degradiert.
Die Volkskammerwahlen lieferten regelmäßig Zustimmungs-Ergebnisse zwischen 99 und 100 Prozent. Einstimmig verliefen die Wahlen der SED-Spitzengenossen in Spitzenämter.
Parallele: Der emeritierte SPD-Parteichef Schulz wurde im März 2017 mit 100 Prozent aufs Kanzler-Schild nominiert. Wahlergebnisse von 100 Prozent bekam 2015 auch Berlins derzeitiger Bürgermeister Michael Müller (SPD). „So absolut räumte zuletzt nur DDR-Chef Erich Honecker bei stramm durchorganisierten internen SED-Wahlen ab“, ätzte ein Boulevardblatt. Auch die CDU nähert sich zunehmend der 100-Prozentmarke, vor allem durch Applaus: 2005 bekam Merkel 13 Minuten stehende Ovationen. Spötter sagen, dass nur Nordkoreas Kim Jong-un noch besser abschnitt: der soll 105 Prozent Zustimmung bekommen haben.
Täglich Brot der Volkskammer und der parteitragenden Institutionen wie dem ZK der SED waren Postengeschacher im kleinen Kreis und hinter verschlossenen Türen.
Parallele: Sigmar Gabriel (SPD) verzichtete aufs Kanzleramt und bekam von Schulz privatim das Versprechen auf den Posten des Außenministers. Martin Schulz kungelte am Parteivolk vorbei mit Fraktionschefin Andrea Nahles seinen Rückzug vom Parteivorsitz aus und sicherte sich gleichzeitig das AA-Amt in einer GroKo. Wortbruch, warf ihm Gabriel vor und verriet damit auch die persönliche Postenkungelei unter vier Augen.
Die Volkskammer samt Staatsrat und ZK sägte missliebige Spitzengenossen und politische Auslaufmodelle hinter verschlossenen Türen gnadenlos und hinterhältig ab. Walter Ulbricht, Erich Honecker zum Beispiel.
Parallele: Hinter verschlossenen Türen wurde Martin Schulz gezwungen, seinen schmachvollen Abschied vom politischen Olymp zu nehmen. Die Kondolenz der SPD-Parteioberen triefte anschließend pflichtgemäß vor „Dank und Respekt“. In der CDU traf es böse Bundesinnenminister Thomas de Maiziere und Staatssekretär Jens Spahn.
Die Kanzlerin als gelernte DDR-lerin und sozialisierte FDJ-lerin hat das politische Geschäft im väterlichen Pastorenhaushalt von der Pike auf miterlebt. Sie hat derzeit die höchsten Ämter ihrer Partei und des Staates in Personalunion inne. Wir verkneifen uns an dieser Stelle Parallelen zum Abgang Erich Honeckers. Deutschlands Politik ist noch überwiegend demokratisch, aber Vieles riecht stark nach Volkskammer 2.0.