Zum 493. Jah­restag: Florian Geyer oder die Blut-Ostern zu Weinsberg

Der 16. April 1525 sah ein Schlüssel-Ereignis des Großen Deut­schen Bau­ern­kriegs. Es ist als „Blut-Ostern von Weinsberg“ in die Geschichte ein­ge­gangen. Bei der Klein­stadt nahe Heil­bronn im Nord­osten des heu­tigen Baden-Würt­temberg trafen her­aus­ra­gende Ver­treter der ver­fein­deten Par­teien auf ein­ander. Auf Seiten der auf­stän­di­schen Bauern stand Florian Geyer im Alter von 45 Jahren, einer der tüch­tigsten Anführer der Auf­stän­di­schen, mit seinen sagen­haften Schwarzen Haufen.
Geyer war selbst „von Adel“, wie es ehedem hieß. Der Reichs­ritter stammte aus dem unter­frän­ki­schen Gie­bel­stadt im heu­tigen Land­kreis Würzburg. Als Befehls­haber eine Truppe im Dienst des Mark­grafen von Bran­denburg-Ansbach hatte er zuvor Erfahrung im Kriegs­handwerk erworben. Auch vertrat er seinen Lehns­herrn Kasimir von Ansbach als Verhandlungs-Führer.
Mit der Kirche geriet Geyer übers Kreuz, weil ihn die Geist­lichkeit wegen einer mut­maß­lichen Bring­schuld mit dem Bann belegt hatte. Auch den Fürsten war er wegen deren uner­sätt­lichen Macht- und Geldgier nicht grün. Der soge­nannte niedere Adel spielte eine maß­geb­liche Rolle beim Kampf gegen die dünne Ober­schicht. Ver­armte Ritter sahen daher ihre Zukunft eher als „Gemein­freie“ im Bund mit dem ein­fachen Mann.
Dem Gie­bel­städter Geyer bescherte eine Erb­schaft beträcht­liches Ver­mögen. Darum konnte er eine eigene Streit­macht auf­stellen und gründlich aus­bilden. Der ging wegen ihrer dunklen Kleidung und Aus­rüstung bald ein lauter Ruf als seine schlag­kräf­tigen „Schwarzen Haufen“ voran. Hinter ihnen rückten etwa 6.000 Bauern der soge­nannten Tau­ber­haufen gegen Weinsberg vor.

Für die über­kom­menen Herr­scher focht der ver­haßte, 27-jährige Ober­vorgt Graf Ludwig Helfrich von Hel­fen­stein, Burgherr von Schloß Weinsberg, ein erklärter Ver­ächter und Feind des gemeinen Mannes. Ihm zur Seite stand Dietrich von Weiler, Obervogt vom nahen Bottwar und Beil­stein. Für diesen Edelmann waren Bauern nur „Roßmucken“, die man getrost tot­schlagen könne. Damit meinte er offenbar Pfer­de­bremsen, wie man große, Blut sau­gende Insekten heute bezeichnet.
Gegen die zah­len­mäßig erdrü­ckenden Über­macht der Auf­stän­di­schen konnten die Ver­tei­diger kaum siebzig Ritter und Reisige auf­bieten, wie man berittene Kriegs­knechte damals nannte. Darum hatte Graf Ludwig tagelang ver­sucht die Haupt­leute der Bauern mit Schein­ver­hand­lungen hin zu halten, bis ange­for­derte Ver­stärkung aus Stuttgart einträfe.
Zugleich aber war er hin­ter­rücks in ver­ein­zelte Trupps von deren Haufen ein­ge­fallen und hatte erstochen oder erschlagen, wer auch immer ihm begegnete. Seine Heim­tücke sprach sich herum und reizte die ohnehin auf­ge­brachten Bauern zur Weißglut.
Nachdem die Empörer am Oster­sonntag vor den Mauern Weinsberg Angriffs­stellung bezogen hatten, schickten sie zwei Herolde vor die Stadt. Sie erschienen am unteren Tor und for­derten die Ver­tei­diger zur Übergabe auf. So berichtete Wilhelm Zim­mermann in seinem umfas­senden Werk „Großer Deut­scher Bau­ern­krieg“ von 1891.
„Eröffnet Schloß und Stadt dem hellen christ­lichen Haufen,“ riefen die Unter­händler, „wo nicht, so bitten wir um Got­tes­willen, thut Weib und Kind hinaus; denn beide, Schloß und Stadt, werden den freien Knechten zum stürmen gegeben, und es wird dann Niemand geschont werden.“
Der stolze Dietrich von Weiler glaubte wohl, die „Roßmucken“ würden keinen ernst­lichen Angriff wagen, wenn ein Ritter ent­schlossene Gegenwehr leistete. Er befahl den Rei­sigen auf den Zinnen auf die Herolde zu feuern. Einer der Gesandten stürzte getroffen nieder, raffte sich aber blutend auf und flüchtete mit den anderen. Die Schüsse auf die Unter­händler waren für die Bauern das Zeichen zum Angriff.
Florian Geyer rückte mit seinen Schwarzen Haufen gegen die Burg neben der Stadt. Er hatte erkundet, daß die Nord­seite der Feste bei einer frü­heren Bela­gerung zer­schossen worden war. Die Burg­herren hatten sie nur not­dürftig mit Wei­den­ge­flecht flicken können. Die kampf­erprobte schwarze Schar berannte das schwach ver­tei­digte Schloß an der dieser Stelle. Rasch erstieg sie die Mauern, ohne auf nen­nens­werten Wider­stand zu stoßen. Zu Zeichen des Siegs ließ Geyer Bau­ern­fahnen auf den Türmen auf­ziehen. Die Gräfin und ihr drei­jäh­riger Sohn wurden gefangen genommen, das Schloß geplündert und angezündet.
Wie voraus gesehen, ent­mu­tigte der rasche Fall der Burg die Bürger der Stadt Weinsberg. Ohnehin hatte nur ein Teil von ihnen die Ver­tei­diger unter­stützt. Es war die „Ehr­barkeit“ unter ihnen, die am meisten zu ver­lieren hatte. Als aber Ramm­böcke, Äxte und Hämmer der anstür­menden Bauern gegen die split­ternden Tore schmet­terten, sank auch ihnen der Mut. Schließlich for­derten sie die Ritter und Rei­sigen auf die Stadt gegen Zusi­cherung von Leib und Leben zur übergeben.
Wo die Herren nichts davon hören wollten, zogen die Gemeinen sie mit Gewalt von den Zinnen. Den Bauer riefen die Bürger „Friede“ zu und ver­kün­deten ihre Bereit­schaft  zur Übergabe. Die Antwort lautete: „Die Bürger sollen beim Leben bleiben, die Reiter aber müssen alle sterben.“
Jetzt überkam auch die Hoch­herr­schaft­lichen das Grauen. In ihrer Ver­zweiflung ent­schloß sich Graf von Hel­fen­stein zu einem Ausfall. Er erwog sich mit seinem Gefolge durch die Reihen der Angreifer zu schlagen und so ihrem Schicksal zu ent­kommen. Dazu sollten die Bürger die Flüch­tenden von der Höhe der Mauern aus unter­stützen. Die aber hatten Zinnen und Wehre schon auf­ge­geben und längst verlassen.
Als die Bauern von meh­reren Seiten in die Stadt flu­teten, flüchtete der Graf mit seinen Rittern und Rei­sigen in die höher gelegene Johannis-Kirche. Achtzehn von ihnen gelang es, den Turm zu ersteigen. Doch die erzürnten Ver­folgten hetzten sie überall hin und machten jeden nieder, der sich ihnen ent­gegen stellte.
In aus­sichts­loser Lage ließ auch Dietrich von Weiler alle Hoffnung fahren. Er trat an den Rand des Turm­kranzes und rief hin­unter, er wolle sich gefangen geben und 30.ooo Gulden zahlen, wenn man ihm das Leben ließe. Doch ein Schuß in den Hals streckte ihn nieder, so daß er nach hinten sank. Nach drän­gende Eroberer stürzten den Ster­benden vom Turm in den Hof hinab.
Angreifer aus dem Haufen des Anführers Jäcklein Rohrbach nahmen Graf von Hel­fen­stein und einige wenige seiner über­le­benden Begleiter gefangen. Rohrbach ver­ur­teilte sie zum Tod und ließ sie durch die Spieße laufen. Diese Art der Hin­richtung wurde seiner Zeit wegen schwerer Ver­gehen gegen gemeine Lands­knechte ver­hängt. Sie galt mithin als besondere Her­ab­wür­digung des Grafen und seiner Ritter.
Gräfin Mar­ga­retha von Hel­fen­stein, die Frau des Bau­ern­schinders, soll Jäcklein Rohrbach noch zuvor ver­gebens auf Knien um Schonung für ihren Mann ange­fleht haben. Anderen Quellen zu Folge schickten die Bauern sie und ihren kleinen Sohn auf einem Mist­karren nach Heilbronn.

Der Fall von Burg und Stadt Weinsberg sowie der Tod des Grafen löste bei den Fürsten im Land großen Schrecken aus. Hochadel und Geist­lichkeit sahen sich ernstlich bedroht. Die Herr­scher rafften darum ihre Kräfte zusammen und gingen mit aller Härte unnach­sichtig gegen die Auf­stän­di­schen und deren Unter­stützer vor.
Refor­mator Martin Luther, der zuvor für die Bauern Partei ergriffen hatte, wech­selte die Seiten. Er beflei­ßigte sich zu betonen, daß sich die Auf­rührer zu Unrecht auf ihn beriefen. Dazu ver­öf­fent­lichte er eine Schrift mit dem Titel „Wider die Mor­di­schen und Reu­bi­schen Rotten der Bawren“. Darin for­derte er die Fürsten auf, die Auf­stände mit aller nötigen Gewalt nie­der­zu­schlagen. Unter anderem hieß es in dem Papier, „man soll sie zer­schmeißen, würgen, stechen, heimlich und öffentlich, wer da kann, wie man einen tollen Hund erschlagen muß“.
Ange­sichts dieser deut­lichen Worte mutet ver­wun­derlich an, daß pro­tes­tan­tische Bischöfe der Gegenwart sich unlängst von Luther „distan­zierten“, soweit er sich gering­schätzig über die Juden geäußert hatte. Aber daß der Got­tesmann zu Mord und Tot­schlag wider­stän­diger Bauern aufrief, störte ihr Weltbild offenbar weniger.
Mit kirch­lichem Segen ver­sehen, ent­sandten die bedrängten Fürsten anno 1525 Scharen von Kriegs­knechten des Schwä­bi­schen Bunds gegen die Auf­stän­di­schen. Befehls­haber ward Truchseß Georg von Wal­denburg-Zeil. Er ver­diente sich durch sein grau­sames und erbar­mungs­loses Durch­greifen den Bei­namen Bau­ernjörg. Dazu trom­melte er rund vier­tausend Lands­knechte zusammen und führte sie, vielfach ent­gegen deren Über­zeugung, ins Feld. Etliche der gedun­genen Söldner gingen darum wieder von der Fahne.
Bis seine Streit­macht stand, suchte der Truchseß die Bauern durch Schein­ver­träge mit deren Haupt­leuten hin zu halten wie beim Abkommen zu Wein­garten in Ober­schwaben. Sobald seine Truppe erstarkte, brachte der Bau­nerjörg den Empörern emp­find­liche Ver­luste bei. Von Wal­denburg-Zeil ver­folgte ver­sprengte Haufen, überfiel sie in ihren Dörfern, ließ sie foltern, ver­stümmeln und hin­richten. Als ihm Jäcklein Rohrbach in die Hände fiel, ordnete er an, ihn bei leben­digem Leib zu verbrennen.
Wie sich das Kriegs­glück der Auf­stän­di­schen erkennbar wan­delte, wollte Florian Geyer einen Frieden aus­handeln. Er ersuchte deshalb seinen ehe­ma­ligen Lehns­herrn Kasimir von Ansbach um Ver­mittlung. Dazu reiste nach Rothenburg ob der Tauber. Aber nach der ent­schei­denden Nie­derlage der Bauern bei Ingol­stadt wies man ihn dort aus. Dar­aufhin ritt Geyer allein nach Norden.
In der Nacht vom 10. auf den 11. Juni 1525 über­fielen ihn Knechte des Ritters Wilhelm von Grumbach im Gramschatzer Wald bei Würzburg. Der Bau­ern­führer wurde aus­ge­raubt und erstochen. Wo er begraben liegt, ist unbe­kannt. Sein Ruf blieb unsterblich.
Wegen seines frei­wil­ligen Ver­zichts auf ein bevor­rech­tigtes Leben in Saus und Braus und sein selbst­losen Ein­stehen für seine Über­zeugung widmete ihm der Dichter Gerhart Hauptmann um 1895 das Büh­nen­stück „Florian Geyer“. Noch heute kündet das Volkslied „Wir sind des Geyers schwarze Haufen“ von seinen Taten. Die Reime lauten:
 
 

Wir sind des Geyers schwarze Haufen, heija oho.

Wir wollen mit Tyrannen raufen, heija oho.

Spieß voran,drauf und dran.

Setzt aufs Klos­terdach den roten Hahn.

Als Adam grub und Eva spann, kyrie eleis,

wo war denn da der Edelmann? Kyrie eleis.

Spieß voran …

Bei Weinsberg setzt‘ es Mord und Brand, heija oho.

So mancher über die Klinge sprang, heija oho.

Spieß voran …

Geschlagen ziehen wir nach Haus, heija oho.

Unsere Enkel fechten’s besser aus, heija oho.

Spieß voran…

 
Gesungen ist das Lied mehrfach auf „Youtube“ abfrufbar, etwa unter
 
https://www.youtube.com/watch?v=FpAgFSwCKxM