Der 16. April 1525 sah ein Schlüssel-Ereignis des Großen Deutschen Bauernkriegs. Es ist als „Blut-Ostern von Weinsberg“ in die Geschichte eingegangen. Bei der Kleinstadt nahe Heilbronn im Nordosten des heutigen Baden-Württemberg trafen herausragende Vertreter der verfeindeten Parteien auf einander. Auf Seiten der aufständischen Bauern stand Florian Geyer im Alter von 45 Jahren, einer der tüchtigsten Anführer der Aufständischen, mit seinen sagenhaften Schwarzen Haufen.
Geyer war selbst „von Adel“, wie es ehedem hieß. Der Reichsritter stammte aus dem unterfränkischen Giebelstadt im heutigen Landkreis Würzburg. Als Befehlshaber eine Truppe im Dienst des Markgrafen von Brandenburg-Ansbach hatte er zuvor Erfahrung im Kriegshandwerk erworben. Auch vertrat er seinen Lehnsherrn Kasimir von Ansbach als Verhandlungs-Führer.
Mit der Kirche geriet Geyer übers Kreuz, weil ihn die Geistlichkeit wegen einer mutmaßlichen Bringschuld mit dem Bann belegt hatte. Auch den Fürsten war er wegen deren unersättlichen Macht- und Geldgier nicht grün. Der sogenannte niedere Adel spielte eine maßgebliche Rolle beim Kampf gegen die dünne Oberschicht. Verarmte Ritter sahen daher ihre Zukunft eher als „Gemeinfreie“ im Bund mit dem einfachen Mann.
Dem Giebelstädter Geyer bescherte eine Erbschaft beträchtliches Vermögen. Darum konnte er eine eigene Streitmacht aufstellen und gründlich ausbilden. Der ging wegen ihrer dunklen Kleidung und Ausrüstung bald ein lauter Ruf als seine schlagkräftigen „Schwarzen Haufen“ voran. Hinter ihnen rückten etwa 6.000 Bauern der sogenannten Tauberhaufen gegen Weinsberg vor.
Für die überkommenen Herrscher focht der verhaßte, 27-jährige Obervorgt Graf Ludwig Helfrich von Helfenstein, Burgherr von Schloß Weinsberg, ein erklärter Verächter und Feind des gemeinen Mannes. Ihm zur Seite stand Dietrich von Weiler, Obervogt vom nahen Bottwar und Beilstein. Für diesen Edelmann waren Bauern nur „Roßmucken“, die man getrost totschlagen könne. Damit meinte er offenbar Pferdebremsen, wie man große, Blut saugende Insekten heute bezeichnet.
Gegen die zahlenmäßig erdrückenden Übermacht der Aufständischen konnten die Verteidiger kaum siebzig Ritter und Reisige aufbieten, wie man berittene Kriegsknechte damals nannte. Darum hatte Graf Ludwig tagelang versucht die Hauptleute der Bauern mit Scheinverhandlungen hin zu halten, bis angeforderte Verstärkung aus Stuttgart einträfe.
Zugleich aber war er hinterrücks in vereinzelte Trupps von deren Haufen eingefallen und hatte erstochen oder erschlagen, wer auch immer ihm begegnete. Seine Heimtücke sprach sich herum und reizte die ohnehin aufgebrachten Bauern zur Weißglut.
Nachdem die Empörer am Ostersonntag vor den Mauern Weinsberg Angriffsstellung bezogen hatten, schickten sie zwei Herolde vor die Stadt. Sie erschienen am unteren Tor und forderten die Verteidiger zur Übergabe auf. So berichtete Wilhelm Zimmermann in seinem umfassenden Werk „Großer Deutscher Bauernkrieg“ von 1891.
„Eröffnet Schloß und Stadt dem hellen christlichen Haufen,“ riefen die Unterhändler, „wo nicht, so bitten wir um Gotteswillen, thut Weib und Kind hinaus; denn beide, Schloß und Stadt, werden den freien Knechten zum stürmen gegeben, und es wird dann Niemand geschont werden.“
Der stolze Dietrich von Weiler glaubte wohl, die „Roßmucken“ würden keinen ernstlichen Angriff wagen, wenn ein Ritter entschlossene Gegenwehr leistete. Er befahl den Reisigen auf den Zinnen auf die Herolde zu feuern. Einer der Gesandten stürzte getroffen nieder, raffte sich aber blutend auf und flüchtete mit den anderen. Die Schüsse auf die Unterhändler waren für die Bauern das Zeichen zum Angriff.
Florian Geyer rückte mit seinen Schwarzen Haufen gegen die Burg neben der Stadt. Er hatte erkundet, daß die Nordseite der Feste bei einer früheren Belagerung zerschossen worden war. Die Burgherren hatten sie nur notdürftig mit Weidengeflecht flicken können. Die kampferprobte schwarze Schar berannte das schwach verteidigte Schloß an der dieser Stelle. Rasch erstieg sie die Mauern, ohne auf nennenswerten Widerstand zu stoßen. Zu Zeichen des Siegs ließ Geyer Bauernfahnen auf den Türmen aufziehen. Die Gräfin und ihr dreijähriger Sohn wurden gefangen genommen, das Schloß geplündert und angezündet.
Wie voraus gesehen, entmutigte der rasche Fall der Burg die Bürger der Stadt Weinsberg. Ohnehin hatte nur ein Teil von ihnen die Verteidiger unterstützt. Es war die „Ehrbarkeit“ unter ihnen, die am meisten zu verlieren hatte. Als aber Rammböcke, Äxte und Hämmer der anstürmenden Bauern gegen die splitternden Tore schmetterten, sank auch ihnen der Mut. Schließlich forderten sie die Ritter und Reisigen auf die Stadt gegen Zusicherung von Leib und Leben zur übergeben.
Wo die Herren nichts davon hören wollten, zogen die Gemeinen sie mit Gewalt von den Zinnen. Den Bauer riefen die Bürger „Friede“ zu und verkündeten ihre Bereitschaft zur Übergabe. Die Antwort lautete: „Die Bürger sollen beim Leben bleiben, die Reiter aber müssen alle sterben.“
Jetzt überkam auch die Hochherrschaftlichen das Grauen. In ihrer Verzweiflung entschloß sich Graf von Helfenstein zu einem Ausfall. Er erwog sich mit seinem Gefolge durch die Reihen der Angreifer zu schlagen und so ihrem Schicksal zu entkommen. Dazu sollten die Bürger die Flüchtenden von der Höhe der Mauern aus unterstützen. Die aber hatten Zinnen und Wehre schon aufgegeben und längst verlassen.
Als die Bauern von mehreren Seiten in die Stadt fluteten, flüchtete der Graf mit seinen Rittern und Reisigen in die höher gelegene Johannis-Kirche. Achtzehn von ihnen gelang es, den Turm zu ersteigen. Doch die erzürnten Verfolgten hetzten sie überall hin und machten jeden nieder, der sich ihnen entgegen stellte.
In aussichtsloser Lage ließ auch Dietrich von Weiler alle Hoffnung fahren. Er trat an den Rand des Turmkranzes und rief hinunter, er wolle sich gefangen geben und 30.ooo Gulden zahlen, wenn man ihm das Leben ließe. Doch ein Schuß in den Hals streckte ihn nieder, so daß er nach hinten sank. Nach drängende Eroberer stürzten den Sterbenden vom Turm in den Hof hinab.
Angreifer aus dem Haufen des Anführers Jäcklein Rohrbach nahmen Graf von Helfenstein und einige wenige seiner überlebenden Begleiter gefangen. Rohrbach verurteilte sie zum Tod und ließ sie durch die Spieße laufen. Diese Art der Hinrichtung wurde seiner Zeit wegen schwerer Vergehen gegen gemeine Landsknechte verhängt. Sie galt mithin als besondere Herabwürdigung des Grafen und seiner Ritter.
Gräfin Margaretha von Helfenstein, die Frau des Bauernschinders, soll Jäcklein Rohrbach noch zuvor vergebens auf Knien um Schonung für ihren Mann angefleht haben. Anderen Quellen zu Folge schickten die Bauern sie und ihren kleinen Sohn auf einem Mistkarren nach Heilbronn.
Der Fall von Burg und Stadt Weinsberg sowie der Tod des Grafen löste bei den Fürsten im Land großen Schrecken aus. Hochadel und Geistlichkeit sahen sich ernstlich bedroht. Die Herrscher rafften darum ihre Kräfte zusammen und gingen mit aller Härte unnachsichtig gegen die Aufständischen und deren Unterstützer vor.
Reformator Martin Luther, der zuvor für die Bauern Partei ergriffen hatte, wechselte die Seiten. Er befleißigte sich zu betonen, daß sich die Aufrührer zu Unrecht auf ihn beriefen. Dazu veröffentlichte er eine Schrift mit dem Titel „Wider die Mordischen und Reubischen Rotten der Bawren“. Darin forderte er die Fürsten auf, die Aufstände mit aller nötigen Gewalt niederzuschlagen. Unter anderem hieß es in dem Papier, „man soll sie zerschmeißen, würgen, stechen, heimlich und öffentlich, wer da kann, wie man einen tollen Hund erschlagen muß“.
Angesichts dieser deutlichen Worte mutet verwunderlich an, daß protestantische Bischöfe der Gegenwart sich unlängst von Luther „distanzierten“, soweit er sich geringschätzig über die Juden geäußert hatte. Aber daß der Gottesmann zu Mord und Totschlag widerständiger Bauern aufrief, störte ihr Weltbild offenbar weniger.
Mit kirchlichem Segen versehen, entsandten die bedrängten Fürsten anno 1525 Scharen von Kriegsknechten des Schwäbischen Bunds gegen die Aufständischen. Befehlshaber ward Truchseß Georg von Waldenburg-Zeil. Er verdiente sich durch sein grausames und erbarmungsloses Durchgreifen den Beinamen Bauernjörg. Dazu trommelte er rund viertausend Landsknechte zusammen und führte sie, vielfach entgegen deren Überzeugung, ins Feld. Etliche der gedungenen Söldner gingen darum wieder von der Fahne.
Bis seine Streitmacht stand, suchte der Truchseß die Bauern durch Scheinverträge mit deren Hauptleuten hin zu halten wie beim Abkommen zu Weingarten in Oberschwaben. Sobald seine Truppe erstarkte, brachte der Baunerjörg den Empörern empfindliche Verluste bei. Von Waldenburg-Zeil verfolgte versprengte Haufen, überfiel sie in ihren Dörfern, ließ sie foltern, verstümmeln und hinrichten. Als ihm Jäcklein Rohrbach in die Hände fiel, ordnete er an, ihn bei lebendigem Leib zu verbrennen.
Wie sich das Kriegsglück der Aufständischen erkennbar wandelte, wollte Florian Geyer einen Frieden aushandeln. Er ersuchte deshalb seinen ehemaligen Lehnsherrn Kasimir von Ansbach um Vermittlung. Dazu reiste nach Rothenburg ob der Tauber. Aber nach der entscheidenden Niederlage der Bauern bei Ingolstadt wies man ihn dort aus. Daraufhin ritt Geyer allein nach Norden.
In der Nacht vom 10. auf den 11. Juni 1525 überfielen ihn Knechte des Ritters Wilhelm von Grumbach im Gramschatzer Wald bei Würzburg. Der Bauernführer wurde ausgeraubt und erstochen. Wo er begraben liegt, ist unbekannt. Sein Ruf blieb unsterblich.
Wegen seines freiwilligen Verzichts auf ein bevorrechtigtes Leben in Saus und Braus und sein selbstlosen Einstehen für seine Überzeugung widmete ihm der Dichter Gerhart Hauptmann um 1895 das Bühnenstück „Florian Geyer“. Noch heute kündet das Volkslied „Wir sind des Geyers schwarze Haufen“ von seinen Taten. Die Reime lauten:
Wir sind des Geyers schwarze Haufen, heija oho.
Wir wollen mit Tyrannen raufen, heija oho.
Spieß voran,drauf und dran.
Setzt aufs Klosterdach den roten Hahn.
Als Adam grub und Eva spann, kyrie eleis,
wo war denn da der Edelmann? Kyrie eleis.
Spieß voran …
Bei Weinsberg setzt‘ es Mord und Brand, heija oho.
So mancher über die Klinge sprang, heija oho.
Spieß voran …
Geschlagen ziehen wir nach Haus, heija oho.
Unsere Enkel fechten’s besser aus, heija oho.
Spieß voran…
Gesungen ist das Lied mehrfach auf „Youtube“ abfrufbar, etwa unter
https://www.youtube.com/watch?v=FpAgFSwCKxM