Die Feuerwehr des Städtchens Eppelborn im Saarland meldet auf ihrer Seite einen Großeinsatz an der Gemeinschaftsschule. Am Mittwoch letzter Woche hatten Schüler dort in einem Flur in der Nähe des Chemiesaals Pfefferspray versprüht.
Kurz vor Ende der zweiten Stunde bemerkten Schüler einen „beißenden Geruch“. Kurz darauf klagten mehrere Kinder und Lehrer über Atemwegsreizungen und brennende Augen.
Die Schule wurde auf Anordnung des Direktoriums evakuiert, ca. 350 Schüler und die Lehrer wurden zum Sportplatz gebracht, wo sie vorerst in Sicherheit waren. Die Evakuierung lief „routiniert und ohne Probleme“, heißt es. Die gleichzeitig um 09:43 gerufene Feuerwehr, Rettungsdienst und Polizei lösten ABC-Alarm aus mit der Meldung „Mehrere Schüler durch Gefahrstoff kontaminiert“. Daher kam auch der Gefahrstoffzug des Landkreises Neunkirchen zum Einsatz. Die Umgebung der Schule wurde gesperrt, die Hellbergstraße zwischen Pastor-Vogt-Straße und St. Sebastianstraße abgeriegelt.
Als die Einsatzkräfte vor Ort eintrafen, hielt sich niemand mehr im Schulgebäude auf. Es wurden Messungen im Gebäude gemacht, um Gefahrstoffe zu identifizieren bzw. ausschließen zu können. Die Messungen lieferten ein negatives Ergebnis. Bei den Messungen trugen die Einsatzkräfte Atemschutzmasken.
Sehr schnell konnte Reizgas als Auslöser des Ganzen identifiziert werden, was auch zu den Symptomen der betroffenen Schüler wie Hustenreiz und tränende Augen passte. Vier Lehrer und 55 Schüler waren von den Auswirkungen des Reizgases betroffen und klagten über entsprechende Beschwerden.
Die nicht betroffenen Schüler wurden in der Hellberghalle untergebracht, die vom Reizgas Betroffen wurden „einer Not-Dekontamination unterzogen“, die darin bestand, dass Kopf und Hände mit Wasser abgespült wurden. Der Rettungsdienst betreute die Reizgasverletzten und brachte sie in verschiedene, umliegende Krankenhäuser.
In der Schule selbst wurden in allen Räume die Raumluft mittels Drucklüftern ausgetauscht. Währenddessen ergeben die Ermittlungen der Polizei, dass im Flur Reizgas versprüht worden sein muss, was der Fund einer kurz zuvor benutzten Pfefferspraydose im Gebüsch untermauerte. Eine Gruppe von Mädchen steht im Verdacht, das Pfefferspray im Flur versprüht zu haben.
Neunkirchens Landrat Sören Meng (SPD) stellte sich vor die Schule und gab ein Statement ab. Er dankte den über hundert Einsatzkräften und gab einen kurzen Überblick zur Lage.
Am Donnerstag blieb die Schule geschlossen, nach Überprüfung auf Unbedenklichkeit wurde der Schulbetrieb am Freitag wieder aufgenommen. Die polizeilichen Ermittlungen dauern an.
Es ist selbstverständlich, dass die Schulleitung sofort reagieren muss, wenn – besonders in der Umgebung des Chemieraumes – eine unbekannte Substanz zu Husten und Augenbrennen führt. Vorsichtshalber alle Schüler aus der Schule zu evakuieren ist ebenfalls eine umsichtige und vorbeugende Sicherheitsmaßnahme. Dass die Betroffenen von Sanitätern versorgt werden auf jeden Fall nötig.
Jedoch mutet das Gesamtbild doch etwas erstaunlich an. Das kommt schon einem Katastrophenalarm gleich. Kein Vorwurf an die Einsatzkräfte und die Schulleitung! Man kann ja nie wissen … und genau das war der Punkt. Man kann es tatsächlich heutzutage nie genau wissen. Das Wort „Terror“ hängt wie eine giftige Wolke über allem.
Der sofortige Einsatz aller möglichen Mittel und Einsatzkräfte lief routiniert und effizient, war aber offenbar auf ein mögliches Schulattentat zugeschnitten. Man rechnet eben schon überall, an jedem Ort und zu jeder Zeit mit dem absoluten Desaster. Die Einsatzkräfte werden bereits in der Provinz auf solche Worst-Case-Szenarien trainiert. Es fehlten eigentlich nur noch Scharfschützen und SWAT-Teams.
Die Nachricht hinter dem hochprofessionell durchgeführten Einsatz lautet: Es kann heutzutage immer ein Terroranschlag sein, egal wo und wann oder von wem. Deshalb wird sofort die Full-Metal-Jacket-Kavallerie gerufen. Niemand möchte nachher dafür geradestehen müssen, die Situation unterschätzt und nicht schnell genug und massiv genug reagiert zu haben. Auch das kann man durchaus nachvollziehen. Verantwortung in solchen Zeiten ist kein Spaß. Man schreit lieber zur Sicherheit gleich „Feurio!“ und ist aus der Verantwortung. Augenmaß und Gelassenheit ist in Deutschland heute ein fataler Fehler.
In normalen „Friedenszeiten“ wäre weder der Landrat sofort zum „Tatort“ gerast, bevor überhaupt klar ist, was passiert ist, noch hätte die Polizei die Umgebung gesperrt und mit ‑zig Einsatzkräften ermittelt. In normalen Zeiten hätte sich nach der Evakuierung und der Versorgung der Reizgasverletzten beim Durchsuchen des Geländes das Pfefferspray gefunden, die Schulleitung daraufhin eine Strafpredigt gehalten darüber, was die dummen Puten für einen Aufstand durch ihre Blödheit verursacht haben. Und dass bei einem weiteren Vorfall dieser Art die Sache aufgeklärt und bestraft wird. Hoffen wir, dass den kleinen, dummen Gänsen (egal, welcher Herkunft sie auch seien) jetzt außer einer geharnischten Gardinenpredigt nicht allzu großes Ungemach blüht.
Liebe Leser über fünfzig: Was haben wir uns in der Schule für Streiche erlaubt? Chinakracher vor dem Lehrerzimmer, Stinkbomben im Chemiesaal, ein Kettenkracher mit sehr langer Zündschnur in der Kreideschachtel … mehr als eine Strafarbeit oder Nachsitzen gab es dafür nicht. Niemand brach in Panik aus, weil niemand auf die Idee kam, es könnte sich um etwas Ernstes handeln. So etwas gab es damals einfach nicht.
Heute wird sofort das komplette Anti-Terror-Großeinsatz-Programm getriggert, wenn es irgendwo in der Schule knallt, und die traurige Wahrheit ist: Es ist nötig.