Mas­sen­mi­gration: “Das töd­liche Lösungs­mittel der EU”

“Weit davon ent­fernt, zur Fusion zu führen, führt Europas Migra­ti­ons­krise zur Spaltung”, schrieb Stan­fords His­to­riker Niall Fer­guson kürzlich. “Zunehmend glaube ich, dass die Frage der Migration von zukünf­tigen His­to­rikern als die töd­liche Lösung der EU ange­sehen werden wird. Woche für Woche scheint Mr. Fer­gusons Vor­hersage Wirk­lichkeit zu werden.
(Von Giulio Meotti)
Nicht nur, dass Europa wei­terhin zer­splittert, da die Anti-Ein­wan­de­rungs-Stimmung poli­tische Stärke gewinnt, sondern auch, als Folge der Migran­ten­krise, wird die grenz­kon­troll­freie Bin­nenzone der EU, Europas am meisten ver­ehrte Errun­gen­schaft seit dem Zweiten Welt­krieg, von der ita­lie­ni­schen Regierung und anderen Regie­rungen, unter anderem Öster­reich, als “gefährdet” defi­niert.
Die Immi­gration defi­niert auch den Intra-EU-Vertrag neu.
Die Tsche­chische Republik, Ungarn, Polen und die Slo­wakei, die so genannte “Visegrad-Gruppe”, for­derten kürzlich eine EU-Grenz­ver­tei­digung. “Wir brauchen ein Europa, das uns ver­tei­digen kann”, sagte auch der öster­rei­chische Bun­des­kanzler Sebastian Kurz, nachdem er zum Visegrad-Treffen ein­ge­laden worden war.
Die neue ita­lie­nische popu­lis­tische Regierung, nachdem in den letzten fünf Jahren mehr als 700.000 Migranten an ihren Ufern ankamen, hat sich eben­falls einer harten Politik ver­schrieben. Der ita­lie­nische Innen­mi­nister Matteo Salvini hat kürzlich die ita­lie­ni­schen Häfen für Migran­ten­schiffe geschlossen. In Deutschland könnte nach dem Zusam­menstoß der Bun­des­kanz­lerin mit ihrem Innen­mi­nister Horst See­hofer die Ein­wan­de­rungs­po­litik auch zum “Ende der Amtszeit Merkel” führen.
“Ita­liens neue popu­lis­tische Regierung signa­li­siert eine große Her­aus­for­derung für den euro­päi­schen Status quo, aber nicht so, wie die meisten Beob­achter zunächst erwartet hatten”, kom­men­tierte der Autor Walter Russell Mead kürzlich im The Wall Street Journal. “Die Regie­rungs­ko­alition hat die Her­aus­for­derung an ihre Euro-Politik zurück­ge­stellt. Statt­dessen wendet sie sich einem Thema zu, bei dem das euro­päische Estab­lishment anfäl­liger ist: der Migration”.
Der gesamte euro­päische poli­tische Konsens bricht unter den seis­mi­schen Aus­wir­kungen der Migran­ten­welle aus­ein­ander. Migration nach Europa ist zu einem poli­ti­schen Thema “so toxisch wie eh und je” geworden, wie die New York Times gerade über die aktuelle Debatte innerhalb der Euro­päi­schen Union fest­stellte. Die der­zei­tigen Pro­bleme der EU scheinen von einer Taubheit unter den poli­ti­schen Eliten zu kommen, die sich weigern, die Pro­bleme ihrer Bürger zu berück­sich­tigen, die auf die unge­bremste Mas­sen­ein­wan­derung folgten.
Die Mas­sen­mi­gration hat in den letzten Jahren einfach zu großen Pro­blemen für die innere Sta­bi­lität Europas geführt. Erstens gab es eine Her­aus­for­derung bei der Sicherheit. Laut einem neuen Bericht der Heritage Foun­dation:
“Seit 2014 wurden bei Ter­ror­an­schlägen mit Asyl­su­chenden oder Flücht­lingen fast 1.000 Men­schen ver­letzt oder getötet. In den letzten vier Jahren waren 16 Prozent der isla­mis­ti­schen Zellen in Europa mit Asyl­su­chenden oder Flücht­lingen besetzt. ISIS hat direkte Ver­bin­dungen zu den meisten Anschlägen, wobei Deutschland am häu­figsten betroffen ist und Syrer häu­figer als jede andere Natio­na­lität. Fast drei Viertel der Ver­schwörer führen ihre Pläne innerhalb von zwei Jahren nach ihrer Ankunft in Europa aus (oder ihre Pläne werden in dieser Zeit vereitelt).

“Seit Januar 2014 sind 44 Flücht­linge oder Asyl­be­werber an 32 isla­mis­ti­schen Ter­ror­an­schlägen in Europa beteiligt gewesen. Diese Pläne führten zu 814 Ver­letzten und 182 Toten.”
Auch das eth­nische und reli­giöse Zusam­men­leben wird durch die Ein­wan­derung ernsthaft in Frage gestellt. Fran­zö­sische Juden sind Opfer einer Form der eth­ni­schen Säu­berung geworden, so ein Manifest, das unter anderem vom ehe­ma­ligen fran­zö­si­schen Prä­si­denten Nicholas Sarkozy und dem ehe­ma­ligen fran­zö­si­schen Pre­mier­mi­nister Manuel Valls unter­zeichnet wurde. “Zehn Prozent der jüdi­schen Bürger der Region Paris wurden kürzlich gezwungen, umzu­ziehen, weil sie nicht mehr in bestimmten Stadt­kreisen sicher waren”, heißt es im Manifest. “Das ist eine stille eth­nische Säuberung”.
Die Bedrohung, der sich Europa gegen­über­sieht, wenn es sich weigert, die Grenzen zu schließen und zu kon­trol­lieren, wird von Stephen Smith, einem Afrika-Experten und bewundert vom fran­zö­si­schen Prä­si­denten Emmanuel Macron, in seinem neuen Buch The Rush to Europe: Young Africa on the Way to the Old Con­tinent unter­sucht. Heute leben 510 Mil­lionen Europäer in der Euro­päi­schen Union, denen 1,3 Mil­li­arden Afri­kaner gegenüber stehen. “In 35 Jahren werden 450 Mil­lionen Europäer mit rund 2,5 Mil­li­arden Afri­kanern kon­fron­tiert sein, fünfmal so viele”, pro­gnos­ti­ziert Smith. Wenn die Afri­kaner dem Bei­spiel anderer Teile der Dritten Welt folgen, wie die Mexi­kaner in den USA, “wird Europa in dreißig Jahren”, so Smith, “zwi­schen 150 und 200 Mil­lionen Afro-Europäer haben, gegenüber 9 Mil­lionen heute”. Smith nannte dieses Sze­nario “Eura­frique”. Europas größte Migra­ti­ons­welle seit dem Zweiten Welt­krieg ist auch deshalb zu einem immer dring­li­cheren Problem geworden, da Europas indigene Bevöl­ke­rungen immer älter werden und an der Zahl abnehmen.
Das umstrittene Quo­ten­system für Migranten ist bereits gescheitert. Auch die euro­päi­schen Regie­rungen können Migranten nicht wirklich abschieben. Im Jahr 2012 ver­ur­teilte der Euro­päische Gerichtshof für Men­schen­rechte (EGMR) die ita­lie­nische Regierung und ver­ur­teilte sie zur Zahlung von Tau­senden von Euro an zwei Dutzend Immi­granten, die sie nach Libyen abge­schoben hatte. Die ita­lie­ni­schen Behörden hatten die Migranten im Mit­telmeer abge­fangen, als sie ver­suchten, von Libyen auf die ita­lie­nische Insel Lam­pedusa zu gelangen. Drei Jahre später ver­ur­teilte der Euro­päische Gerichtshof die ita­lie­nische Regierung erneut wegen Abschiebung von Migranten. Der Euro­päische Gerichtshof für Men­schen­rechte ver­ur­teilte auch Spanien wegen dessen Urteil zur Aus­weisung einer Gruppe von 75–80 Migranten aus der Enklave Melilla. Die EMRK ver­ur­teilte Ungarn wegen der Inhaf­tierung von Migranten. Europa kann die Migranten nicht auf­halten, abschieben, fest­nehmen und zurück­führen. Was schlagen die Behörden in Brüssel vor? Alle nach Europa bringen?
Andrew Michta, Dekan des College of Inter­na­tional and Security Studies am George C. Mar­shall European Center for Security Studies, schrieb kürzlich, dass euro­päische Demo­kratien unter dieser Mas­sen­mi­gration ihren eigenen “Zusam­men­bruch” ris­kieren. Wir werden nicht nur die “Spaltung” der ohnehin fra­gilen Euro­päi­schen Union sehen, sondern auch die der west­lichen Zivilisation.
 


Giulio Meotti, Kul­tur­re­daktor für Il Foglio, ist ein ita­lie­ni­scher Jour­nalist und Autor.
Dieser Beitrag erschien zuerst auf Gatestone Institute