Wenn Huma­nität zur Kari­katur wird

Öster­reich hat einen Bun­des­prä­si­denten, der als Uni­ver­si­täts­pro­fessor nicht nur unserer Nation, sondern ganz besonders auch der intel­lek­tu­ellen Red­lichkeit ver­pflichtet ist. Er sollte in seinen Reden und Argu­men­ta­tionen daher der reinen Ver­nunft  soviel Raum wie nur irgendwie möglich geben. Hoch­schulen sind elitäre Ein­rich­tungen und leben grund­sätzlich davon, dass ihre Absol­venten und die dort unter­rich­tenden aktiven oder ehe­ma­ligen Lehrer einen spe­zi­ellen und anspruchs­vollen Zugang zur Wis­sen­schaft, zur Lehre und zum aka­de­mi­schen Ver­halten haben. Beim Abschluss jedes Uni­ver­sitäts-Stu­diums muss man sich öffentlich zu diesem aka­de­mi­schen Ver­halten bekennen und dieses Bekenntnis auch per Gelöbnis aus­drücklich for­mu­lieren. Man nennt diesen Vorgang Sponsion bzw. Pro­motion. Die Uni­ver­si­täten sind auf­grund dieser Gege­ben­heiten prin­zi­piell der Hort der Intel­lek­tua­lität, der höheren Bildung und der dazu­ge­hö­rigen Phä­nomene wie Serio­sität, Auto­rität und Authentizität.
Der unlautere Vergleich
Und doch hat der höchste Reprä­sentant unseres Staates dieser Tage das fest­ge­schriebene aka­de­mische Niveau ver­lassen, als er im Zuge der Debatte um die NGO-Ret­tungs­schiffe im Mit­telmeer unlautere Ver­gleiche in die poli­tische Dis­kussion ein­brachte. Unser Bun­des­prä­sident Pro­fessor Van der Bellen meinte in einem KURIER– Interview:  “Wenn jemand ein Kind, das in die Donau gefallen ist und zu ertrinken droht, rettet, feiern wir ihn zu Recht als Lebens­retter. Wenn der­selbe Mensch ein Kind, das im Mit­telmeer zu ertrinken droht, rettet, ist er genauso ein Lebens­retter und sollte nicht vor Gericht gestellt werden”
Kate­go­rien­ver­mi­schung
Auf den ersten Blick mag einem der Satz zutiefst menschlich vor­kommen — er ist es aber nur vor­der­gründig und hält einer ratio­nalen Über­prüfung nicht stand. Der Prä­sident beging nämlich mit seinem Ver­gleich gleich mehrere aka­de­mische Sünden: Zunächst ver­mischte er die Kate­gorien namens Unfall/Rettung/Hilfe/Risiko/Migration/Schlepperei. Ein Kind, das in die Donau fällt, wird zwei­fellos immer gerettet werden — wenn hof­fentlich jemand in der Nähe ist. Aber: Das Kind schwimmt nicht frei­willig aufs Wasser hinaus, weil es weiß, dass dort seine Retter warten, sondern es fällt im Rahmen eines Unglücks in den Fluss. Die ille­galen Schlauchboot-Migranten, die regel­mäßig von den kreu­zenden NGO-Schiffen auf­ge­fischt werden, fahren absichtlich aufs Meer, weil sie wissen, dass es diese Schiffe gibt. Sie nehmen bewusst das Risiko des Ozeans in Kauf und sie sind somit primär keine Opfer eines Unglücks wie das zitierte Kind in der Donau.
Niemand will Lebens­rettung verurteilen
Auch ist die Situation des Retters völlig unter­schiedlich. Sieht jemand ein Kind in die Donau stürzen, wird er ohne zu zögern ins Wasser springen, um das Kleine zu retten. Die NGO-Leute harren aber auf hoher See auf die Migranten-Boote, um die darauf befind­lichen Leute zu “retten” und nach Europa zu bringen. Und schließlich geht es auch nicht darum, eine kon­krete Lebens­rettung im Mit­telmeer zu bestrafen, wie es der Prä­sident insi­nuiert, sondern es ist das Anliegen ver­ant­wor­tungs­voller Poli­tiker, die “Rettungs”-Schiffahrt der NGOs über­haupt zu beenden und deren Quasi-Schlep­perei zu ver­bieten. Rational betrachtet sind die Retter nämlich die Ver­ur­sacher der manchmal leider tra­gisch endenden Mit­telmeer-Que­rungen: Gäbe es keine NGO-Schiffe vor der Küste Libyens, würde kein ein­ziges Schlep­perboot in See stechen und es würde niemand mehr ertrinken.
Die Motive sind klar
Warum tätigt also ein aka­de­misch hoch­ge­bil­deter und gewiss nicht dummer Mensch wie Prä­sident Van der Bellen solche Ver­gleiche und erzeugt damit eine Apo­logie für die Mittelmeer-“Retter”? Die Antwort ist einfach: Er lässt sich vom Geist des Huma­ni­ta­rismus leiten und nicht von der Huma­nität bzw. der Ratio­na­lität. Der Huma­ni­ta­rismus ist aber die gelebte Kari­katur der Huma­nität und zu Ende gedacht ist er sogar ihre Per­version. Diese letztlich gefähr­liche Attitüde ist in gewissen Kreisen, die ihren Irrweg nicht erkennen können oder wollen, zum Selbst­zweck geworden.
Der Huma­ni­ta­rismus dient vielen Leuten dazu, mittels “virtual signaling” die eigene Tugend und eine alles recht­fer­ti­gende Mensch­lichkeit zu demons­trieren. Wer im Huma­ni­ta­rismus gefangen ist, der hat auch keinen Zugang mehr zur Ver­nunft und er kann keine objek­tiven Fol­ge­ab­schät­zungen seiner Hand­lungen zustan­de­bringen: Der Huma­ni­tarist glaubt, dass Barm­her­zigkeit, Nächs­ten­liebe, Mensch­lichkeit und all die anderen Begriffe, die seinen Tugend­stolz nähren, die all­ge­meinen Leit­linien allen Han­delns sein müssen. Die Huma­ni­ta­risten ver­gessen dabei, dass die Nächs­ten­liebe und die Barm­her­zigkeit immer und aus­nahmslos nur in kon­kreten Ein­zel­fällen gelebt werden und nicht als gesamt­hafte Politik das Ver­halten von Nationen prägen können.
Ein Prä­sident für alle Österreicher?
Würde Prä­sident Pro­fessor Van der Bellen ver­nünftig und unpar­teiisch die Sachlage im Mit­telmeer kom­men­tieren, müsste er den Huma­ni­ta­rismus regel­recht kri­ti­sieren und klar fordern, dass die aus­tra­lische NoWay-Politik auch von der EU umge­setzt wird. Für Huma­ni­ta­risten ist aber wie erwähnt die Rückkehr zur mensch­lichen Ver­nunft nahezu unmöglich. Zu groß ist der Schatten geworden, über den sie springen müssten. Wir haben also von unserem Bun­des­prä­si­denten, der ein Prä­sident für alle Öster­reicher sein wollte, nichts zu erwarten, das in irgend­einer Weise dazu betragen wird, die Nation Öster­reich besser zu schützen und die exis­ten­zielle Krise Europas zu lösen. Das höchste Amt im Staat ist damit zu einem Taber­nakel des Hyper­mo­ra­lismus geworden und begünstigt so ein Klima der öffentlich aus­ge­lebten und kaum wider­spro­chenen intel­lek­tu­ellen Unredlichkeit.
 


Dr. Marcus Franz — www.think-beyondtheobvious.com