Gold bullion coins - Photo by: (Mick Baker)rooster - flickr.com - CC BY-ND 2.0

Die Gold­frage

„Sehr geehrter Herr Dr. Stelter, welches Argument spricht neben Lagerung, Bindung des Edel­me­talls an den Dol­larkurs und der Abhän­gigkeit vom Zins­umfeld gegen eine Anlage des Gesamt­ver­mögens nur in phy­si­schem Gold?“ So begann eine Leser­zu­schrift im ver­gan­genen Monat. Ange­sichts der Über­schuldung der Welt, der unge­lösten Euro­krise, dro­henden Han­dels­kriegen und eines maroden Ban­ken­systems kann man die Über­legung gut nach­voll­ziehen. Ist es nicht Gold, welches in allen Zeiten seinen Wert behalten hat?
Eine Illusion, wie die genauere Analyse zeigt: Gold nimmt an der all­ge­meinen Ent­wicklung des Wohl­stands nicht teil. Es stimmt zwar, dass man sich im alten Rom für den Gegenwert einer Unze Gold eine gute Toga kaufen konnte, während man heute für 1.000 Euro, dem ent­spre­chenden Wert dieser Unze Gold, einen guten Anzug bekommt. In Relation zum ver­füg­baren Ein­kommen sind Anzüge heute jedoch deutlich güns­tiger als Togen im alten Rom. Der Fort­schritt hat den Wohl­stand deutlich ver­größert. Besonders ein­drücklich wird dieser Nachteil von Gold, wenn man auf die Phase der indus­tri­ellen Revo­lution zurück­blickt. Wer im 15. Jahr­hundert Gold gekauft hat und dieses in der Familie über Gene­ra­tionen immer wei­ter­vererbt hat, erlitt über 500 Jahre einen realen Verlust von rund 90 Prozent.
Gold ist unpro­duktiv, wie auch Kunst, Old­timer, Wein und ähn­liche Samm­ler­stücke. Deren Wert basiert aus­schließlich auf der Erwartung einer Wert­stei­gerung, die wie­derum von der Erwartung wei­terer Wert­stei­gerung getrieben ist. Je tiefer das Zins­niveau, desto höher der poten­zielle Preis, weil die Oppor­tu­ni­täts­kosten ent­spre­chend geringer sind.
Wenn man aus der berech­tigen Angst um sein Ver­mögen in Sach­werte diver­si­fi­zieren möchte, dann ist Gold nahe­lie­gender als diese exo­ti­schen Anla­ge­klassen. Der wesent­liche Vorteil von Gold liegt darin, dass es homogen, inter­na­tional akzep­tiert und relativ kompakt ist. Je homo­gener und kom­pakter ein Gut, desto besser kann es im Kri­senfall genutzt werden.
Wohin man blickt, drohen erheb­liche Ver­mö­gens­ver­luste. Gefangen in Über­schuldung und Sta­gnation und mit Blick auf die erheb­lichen unge­deckten Ver­sprechen für Renten und Gesund­heits­leis­tungen einer alternden Gesell­schaft, werden die Poli­tiker garan­tiert den Weg des geringsten Wider­standes gehen: Geld drucken. Dann möchte ich nicht ohne eine Alter­native zu unserem Geld­system dastehen.
Die Frage ist nur, zu wie viel Prozent? Sicherlich nicht zu 100 Prozent. Ich werbe immer für ein diver­si­fi­ziertes Port­folio von Gold, Aktien, Immo­bilien und Liqui­dität. Ange­sichts der hohen Bewertung von Aktien und Immo­bilien mag man etwas mehr Gold und Liqui­dität halten. Fürchtet man wirklich den kom­pletten Zusam­men­bruch des Finanz­systems oder einen Zerfall der Eurozone, gilt ohnehin die alte Erkenntnis, dass die Men­schen mit den Waffen das Gold dann an sich bringen. Besser ist es da, neben dem diver­si­fi­zierten Port­folio einen Vorrat an Nah­rungs­mitteln und Benzin zu halten und eine Fläche, auf der man Lebens­mittel anbauen kann. Anre­gungen gibt die im Internet ver­fügbare neue Bro­schüre der schwe­di­schen Regierung zur pri­vaten Vor­sorge in zunehmend gefähr­lichen Zeiten.
Inter­essant ist, dass Gold zurzeit relativ billig ist, trotz der erheb­lichen Unsi­cher­heiten in der Welt. Dies dürfte mit der Erwartung wei­terer Zins­stei­ge­rungen in den USA und einem wei­terhin stär­keren US-Dollar zusam­men­hängen. Kommt es zu den befürch­teten Tur­bu­lenzen, dürfte Gold relativ besser abschneiden, ein guter Zeit­punkt also, die eigenen Bestände etwas auf­zu­stocken. Mit Augenmaß.
 


Dr. Daniel Stelter — Dieser Kom­mentar von mir erschien in der August­ausgabe des Magazins Cicero — www.think-beyondtheobvious.com