Mal ehrlich, wer weiß eigentlich auf Anhieb, dass Herr Peter Altmaier der deutsche Bundeswirtschaftsminister ist? Nicht allzuviele. Und welche Ausbildung hat er? Neiiiinnn, nicht Wirtschaftswissenschaften (dann wäre er wahrscheinlich nicht Wirtschaftsminister geworden). Sondern Rechtswissenschaften, darum ist er ja auch nicht Justizminister.
Aber Herr Minister Altmaier ist sehr wichtig, und das weiß niemand so gut, wie er selbst. So falsch ist das auch gar nicht, denn er ist in der Berliner Republik jedem bekannt als der Macher und Strippenzieher der Kanzlerin. Wer zu Frau Bundeskanzlerin Merkel möchte, kommt an Peter Altmaier nicht vorbei. In Berlin wird er auch gern in Anlehnung an den Hollywood-Film „Bodyguard“ genannt. Whitney Houston und Kevin Costner sind geringfügig hübscher als Frau Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel und Herr Minister Peter Altmaier, aber die Geschichte hat eine gewisse Ähnlichkeit.
Frau Bundeskanzlerin lässt sich nämlich zur Zeit auch nicht gern auf den großen Bühnen der Welt sehen, ihr Stern sinkt. Irgendwie mag sie keiner mehr so recht leiden, man spekuliert schon über Nachfolger und seit der Blamage mit der erfundenen Ausländer-Menschenjagd in Chemnitz hört man so gut wie nichts mehr von ihr. Die Europa-Begeisterung innerhalb der EU ist auf einem historischen Tiefpunkt angekommen. Die Migrationsagenda ist in größter Gefahr, die ehemaligen Mitstreiter gehen von der Fahne. Großbritannien mit Aplomb gleich ganz, die Visegradstaaten verschanzen sich, Italien spielt nicht mehr mit, Frankreich macht klammheimlich die Schotten dicht, Dänemark und Schweden ziehen andere Saiten auf, Malta zeigt den Stinkefinger und Spanien hat auch schon keine Lust mehr. Man will der ungekrönten Königin auf der EU-Bühne ans Leder, so scheint’s. Wer will ihr Meuchelmörder sein?
Doch der Held wirft sich vor sie und fängt, wie Frank Farmer im Hollywood-Film, die Kugeln für sie ab. Ihr ritterlicher Bodyguard Peter Altmaier ist in Angelas Mission unterwegs. Er ist ein Mann vom Fach. Direkt vom Jurastudium ins Europa-Institut an der Uni Saarland, von da in die Europäische Kommission, von da in den Bundestag. Ab 2005 war er nah an der Bundeskanzlerin und bekam erst einmal den Ministerposten “Bundesumweltminister”. Aber dann kam er ganz, ganz nah an seine Whitney Houston: 2013 wurde er Bundesminister für besondere Aufgaben und Chef des Bundeskanzleramtes. Seitdem ist er immer auf besonderer Mission für die Bundeskanzlerin.
Wie der Focus berichtet, war Bodyguard Altmaier in den Niederlanden, wo er als erster „Ausländer“ die renommierte Schoo-Rede zum Start ins parlamentarische Jahr der Niederlande halten darf. Irgendwie mutet es seltsam an, dass der Focus den „Ausländerstatus“ Altmaiers so betont, dreht sich doch die Rede, die dieser – auf niederländisch – hält, um Europa als höchstes Gut, in dem es keine großen und kleinen Länder mehr gebe, so Altmair, wenn man das Ganze global sehe, und das müsse man zwingend. Denn in einer Zeit der Globalisierung seien nicht nur Länder wie Malta oder Luxemburg oder die Niederlande klein, „sondern eben auch Deutschland oder Frankreich“. Und er schickt einen flammenden Appell in die Runde der globalen Groß-Niederländer: Global sei für die Europäer nur etwas zu bewegen, „wenn wir gemeinsam auftreten und unsere Kräfte bündeln“.
Frau Merkels Bodyguard Altmaier schont weder sich, noch die Zuhörer, noch die Fakten. Mit dem ganzen Gewicht seiner Mission, und das will was heißen, wirft er sich in die europäische Waagschale, dass die Gegenschale geradezu zum Katapult wird: Nein! Keine deutsche Führung ist gewollt! Und, nein! Er hat keine Ambitionen, an die Spitze der EU-Kommission zu streben! Selbstbewusste Europäer braucht die Welt, und er, Altmaier, bietet den Ideen des französischen Shooting-Star-Präsidenten Emanuel Macron Paroli. Ein Eurozonen-Budget, das geht zu weit.
Der Minister, so schreibt der Focus, hält sich auch gar nicht erst mit „quälenden Strukturfragen“ Europas auf. Kinkerlitzchen. Ein Fels in der Brandung muss Europa sein. Beispiellose Innovationswellen sieht er, getrieben vom technologischen Fortschritt an die Gestade Europas anbranden. Ob er vielleicht schon davon gehört hat, dass ausgerechnet Klein-Deutschland gerade in der Digitalisierung weit hinterherhinkt?
Egal. Die Welle rollt weiter. Die Künstliche Intelligenz kommt! Europa muss bei „Schlüsselthemen“ wie Künstlicher Intelligenz und autonomem Fahren den Anschluss schaffen! Denn alte Jobs werden in Europa verschwinden, mahnt er, und da hat er recht. Die Künstliche Intelligenz in den Fertigungshallen wird eine große Zahl an Arbeitern um ihren Job bringen. Und damit die neuen Stellen, von denen noch niemand weiß, welche und wozu man sie braucht, auch in Europa sein werden, muss Europa sich der Herausforderung durch … Trommelwirbel … Umwelt, Klima und Ressourcen stellen. Respekt. Drunter macht er’s nicht. Er lässt sich nicht lumpen, der Herr Bundesminister für besondere Aufgaben. Wahrscheinlich hat er die Modernisierung des Weltalls und einen Aktionsplan hierzu für den lieben Gott auch schon in der Mache. Wir schaffen das.
In Berlin, so schreibt der Focus, erwartet man, dass der Minister für besondere Aufgaben schon bald Ideen für eine moderne Strategie für Industriepolitik vorlegen wird. Mehr, als dass Europa bei Schlüsselthemen den Anschluss schaffen muss, verrät Minister Altmaier aber nicht.
Und es gibt noch ein Schlachtfeld, auf dem Ruhm und Ehre auf ihn warten: „Wir müssen kämpfen um die transatlantische Partnerschaft.“ Auch das hält Altmaier glasklar fest: „Ich werde nie sagen: Europa first.“ … Ähmmm … Fragt ihn das irgendjemand? Bestimmt er das jetzt auch?
Das ist aber immer noch nicht alles: Europa aber müsse seinen Part leisten und mehr Verantwortung übernehmen für Frieden und Stabilität. Auch für Länder wie die Ukraine, die Türkei und Afrika (ist Afrika neuerdings ein Land?). „Alles andere als einfach“, meint Altmaier. Echt jetzt?
Ach ja, eine klitzekleine Sache wäre da noch, eine Petitesse nur: die Migration. Hier schließt Minister Altmaier den ganz großen, historischen Menschheitsgeschichte-Bogen: „Migration ist für Hochkulturen unausweichlich!“
Da ist man doch ein wenig sprachlos. Soviel souveräne Missachtung aller geschichtlichen Fakten ist bemerkenswert. Vielleicht fährt Herr Altmaier einmal nach Südamerika und fragt die Nachkommen der Inka und Maya nach ihren Erfahrungen mit der Migration? Oder die Prairie-Indianer in Nordamerika? Oder die Tibeter? Oder die australischen Aborigines? Vielleicht, wenn er sich ja sowieso nach Afrika begibt und für Afrika die europäische Verantwortung übernimmt, sollte er sich doch dort einmal erkundigen, was die Afrikaner so von der weißen Migration des letzten Jahrhunderts von Europa nach Afrika halten?
Schimmert da auch ein klitzekleiner Funken Selbstkritik auf? Man sei, was die Migration nach Europa angehe, „oft nicht ehrlich über die Veränderungen“ gewesen.
Ach, Herr Altmaier, nicht der Rede wert. Die paar Toten pro Woche … Schwund ist immer. Und was bedeutet schon “öffentliche Sicherheit”? Sicherheit gibt es letztendlich nie. Sie fragen sich, welche Antworten nötig sind, um Populismus erfolgreich zu bekämpfen? Das ist natürlich Dringlichkeitsstufe rot, keine Frage. Wir alle hoffen doch täglich inbrünstig, wenn wir spätabends von unserer Arbeit allein nach Hause gehen: „Na, hoffentlich lauert mir heute Abend kein Populist auf.“
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