Sozilalistischer Bruderkuss zwischen Leonid Breschnew und Erich Honecker, Gemälde von Dmitri Wladimirowitsch Wrubel, East Side Gallery (1991)- By Nelarsen, CC BY 3.0, Link

Der Mythos vom demo­kra­ti­schen Sozialismus

von James Davenport
Der auf­se­hen­er­re­gende Vor­wahlsieg der selbst­er­nannten „demo­kra­ti­schen Sozia­listin“ Alex­andria Ocasio-Cortez gegen den alt­ge­dienten demo­kra­ti­schen Abge­ord­neten Joe Crowley hat dem demo­kra­ti­schen Sozia­lismus in einigen Teilen des Landes einen wei­teren Popu­la­ri­täts­schub ver­liehen. Da Sozia­lismus gerade bei jungen Wählern immer beliebter wird, ist es nötig, eine Grund­wahrheit (man könnte auch sagen, eine „unbe­queme Wahrheit“) erneut zu erklären: Der soge­nannte demo­kra­tische Sozia­lismus ist eine mytho­lo­gische Kreatur. Er ist das Monster von Loch Ness der poli­ti­schen Ökonomie.

Defi­nition des Sozialismus

Sozia­lismus basiert auf der Abwe­senheit von Pri­vat­ei­gentum, so die über­ein­stim­mende Defi­nition sowohl der Befür­worter als auch der Gegner. So war Karl Marx voll­kommen über­zeugt davon, dass der Sozia­lismus den „Pri­vat­besitz der Pro­duk­ti­ons­mittel“ beenden würde. Dies würde bedeuten, dass Indi­viduen und Firmen nicht mehr länger Res­sourcen, Güter und Dienst­leis­tungen besitzen, ver­bessern und aus­tau­schen würden. Die Abschaffung des Pri­vat­ei­gentums ist das Haupt­merkmal des Sozia­lismus. (Für eine her­vor­ra­gende Erklärung der Unter­schiede zwi­schen Kapi­ta­lismus und Sozia­lismus emp­fehle ich dieses Buch von J. Barkley Rosser jr. und Marina Rosser.)
Es ist wichtig, die Abschaffung des Pri­vat­ei­gentums so zu betonen, da Kan­di­daten wie Ocasio-Cortez, oder vor ihr Bernie Sanders, nie richtig erklären, was ein sozia­lis­ti­sches System über­haupt ist. Indem sie bestimmte nor­dische Länder als erfolg­reiche Bei­spiele für demo­kra­ti­schen Sozia­lismus preisen, stellen die Kan­di­daten die Natur sowohl des Sozia­lismus als auch des Kapi­ta­lismus falsch dar. Genau die Länder, die Sanders und Ocasio-Cortez für vor­bildlich halten, sind nämlich kapi­ta­lis­tische Markt­wirt­schaften.
Und sie sind nicht nur kapi­ta­lis­tische Markt­wirt­schaften – einige von ihnen liegen bei Ver­gleichen wirt­schaft­licher Freiheit sogar vor den USA. Es stimmt, dass die meisten dieser Länder höhere Steuern und höhere Sozi­al­aus­gaben haben als die USA; das sind aber nicht die Maß­stäbe, um zu erkennen, ob ein System kapi­ta­lis­tisch oder sozia­lis­tisch ist. Die Wirt­schaft jedes ein­zelnen dieser Staaten basiert auf Märkten, Pri­vat­ei­gentum und frei­wil­ligem Austausch.
Außerdem erwähnen die, die den Erfolg der öffent­lichen Wohl­fahrts­systeme dieser Länder preisen, selten, dass es etlichen von ihnen sehr schwer fällt, diese Systeme weiter zu betreiben. So schreiben die oben erwähnten Rossers in ihrem Buch, dass es in Schweden seit 1990 fast 25% Fehl­zeiten unter den Arbeitern gibt, dass die hohen Steuern zu schät­zungs­weise 6 – 10% nied­ri­gerem Arbeits­kräf­te­an­gebot geführt haben, und dass viele Auf­gaben des Staates gerade wieder pri­va­ti­siert werden.

Sozia­lismus und Demo­kratie sind unvereinbar

Wenn wir den Mythos des demo­kra­ti­schen Sozia­lismus ent­larven wollen, ist die Tat­sache ebenso wichtig, dass ein echtes sozia­lis­ti­sches System noch nie mit Demo­kratie ver­einbar war (oder die Ver­ein­barkeit auch nur pro­biert wurde). In seinem bekannten Werk „Der Weg zur Knecht­schaft“ erklärt Friedrich A. von Hayek (1899–1992), warum Sozia­lismus letzt­endlich mit demo­kra­ti­schen Pro­zessen unver­einbar ist. Hayek schreibt, dass das Wesen der wirt­schaft­lichen Zen­tral­planung an sich – einem Haupt­merkmal des Sozia­lismus – nach und nach zur Abschaffung demo­kra­ti­scher Pro­zesse führen würde. Er schreibt:
„Und doch wird die ein­mütige Über­zeugung von der Not­wen­digkeit der Plan­wirt­schaft im Verein mit der Tat­sache, daß demo­kra­tische Kör­per­schaften zur Auf­stellung eines Planes unge­eignet sind, immer mehr zu der For­derung führen, daß die Regierung oder eine Ein­zel­person die Voll­macht erhalten müsse, auf eigene Ver­ant­wortung zu handeln. Immer mehr greift die Meinung um sich, daß die ver­ant­wort­lichen Behörden von den Fesseln des demo­kra­ti­schen Ver­fahrens befreit werden müssen, wenn irgend etwas durch­ge­setzt werden solle.“
Schon das ein­fache Studium eines belie­bigen Landes, das den Sozia­lismus voll­ständig ein­ge­führt hat, wird Hayeks Behauptung Recht geben. Ein­drücklich bestätigt dies die Geschichte von Ländern wie der Sowjet­union, China, Kuba und Nord­korea. Selbst Hugo Chavez, ein erklärter Sozialist, der 1999 in Vene­zuela demo­kra­tisch gewählt worden war, begann nach seiner Wahl umgehend damit, das demo­kra­tische System, dem er seine Macht ver­dankte, zu unterminieren.
Mit Ein­setzen der wirt­schaft­lichen Krise in Vene­zuela nach dem Tod von Hugo Chavez setzte sein Nach­folger, Nicolas Maduro, mehr und mehr auf unde­mo­kra­tische Methoden, um sich an der Macht zu halten.
Der Sozia­lismus hat es nötig, alle Bereiche der Wirt­schaft unter seine Kon­trolle zu bringen – das wird not­wen­di­ger­weise dazu führen, dass die Macht­haber die Wahl­mög­lich­keiten der Men­schen ein­schränken. Sie werden auch die poli­tische Macht der Men­schen ein­schränken müssen, um ihre Pläne erfolg­reich umsetzen zu können.
Dies zeigt die Geschichte immer wieder. Kein ein­ziges Land hat jemals auf demo­kra­ti­schem Weg Pri­vat­ei­gentum abge­schafft und die Pro­duk­ti­ons­mittel in Staats­besitz gebracht. Jedes Mal haben nicht fried­liche Debatten, Über­zeu­gungs­arbeit, Ver­hand­lungen und Abstim­mungen, sondern die Macht, die aus den Läufen der Gewehre kommt, den Wandel bewirkt. Mil­lionen Men­schen wurden auf dem Weg zur sozia­lis­ti­schen Vision (absichtlich und unab­sichtlich) getötet.
Es war stets das Ziel sozia­lis­ti­scher Revo­lu­tionäre, Märkte und Pri­vat­ei­gentum abzu­schaffen. Dass dies stets gewaltsam und nie mit den Mitteln der Demo­kratie erreicht wurde, und dass die Men­schen in diesen Ländern danach stets ver­armten, verrät uns genug über dieses System.
Letzt­endlich ist Sozia­lismus unver­einbar mit Demo­kratie, weil die Demo­kratie, genau wie die Markt­wirt­schaft, dazu führt, dass der ein­zelne Mensch Macht erhält. Demo­kratie erlaubt abwei­chende Mei­nungen, indi­vi­duelle Unter­schiede und eine Vielzahl ver­schie­dener Prio­ri­täten. Der markt­wirt­schaft­liche Kapi­ta­lismus macht es möglich, mit diesen Unter­schieden mit Hilfe des fried­lichen Aus­tauschs fer­tig­zu­werden. Schon Hayek warnte, dass der Sozia­lismus weder diese Unter­schiede dulden kann, noch die demo­kra­ti­schen Insti­tu­tionen, die deren fried­liche Koexistenz ermöglichen.

Wenn Unklarheit herrscht, glaubt man Mythen

Wenn Kan­di­daten wie Sanders und Ocasio-Cortez kapi­ta­lis­tische Länder als „sozia­lis­tisch“ bezeichnen, führt das zu Unklarheit darüber, was Sozia­lismus wirklich ist und welche Aus­wir­kungen er sowohl auf den Ein­zelnen als auch auf die Gesell­schaft hat.
In jedem Land, in dem er aus­pro­biert worden ist, hat der Sozia­lismus dazu geführt, dass die Insti­tu­tionen zer­stört worden sind, die sowohl Wirt­schafts­wachstum als auch Demo­kratie ermög­lichen. Er hat zu nichts als Tod und Elend für die Men­schen geführt, denen er angeblich dienen sollte.
Viele behaupten, das Monster von Loch Ness schon einmal gesehen zu haben – das­selbe behaupten auch viele über den demo­kra­ti­schen Sozia­lismus und seine wun­der­baren Seg­nungen. Genau wie bei „Nessie“ werden die Sich­tungen jedoch stets als etwas anderes ent­larvt. Sanders, Ocasio-Cortez und deren Unter­stützer bezeichnen Markt­wirt­schaften mit (wie manche behaupten jedoch nicht dau­erhaft) trag­fä­higen sozialen Siche­rungs­netzen fälsch­li­cher­weise als demo­kra­ti­schen Sozialismus.
Trotzdem sollten wir Sich­tungen dieser sagen­haften Kreatur in das selbe Reich ver­weisen wie Sich­tungen von Bigfoot und dem Monster von Loch Ness – in das der Phan­tasie. Dorthin gehören Dis­kus­sionen über den demo­kra­ti­schen Sozia­lismus nämlich.


Aus dem Eng­li­schen über­setzt von Florian Senne. Der Ori­gi­nal­beitrag mit dem Titel Demo­cratic Socialism Doesn’t Exist: Like the Loch Ness Monster and Bigfoot, Demo­cratic Socialism Exists Only in Myth ist am 21.8.2018 auf der website der Foun­dation of Eco­nomic Edu­cation erschienen.

Quelle: misesde.org