Der Tatort: Chemnitzer haben für den von Flüchtlingen bestialisch Ermordeten Blumen und Kerzen niedergelegt. Foto: Screenshot Youtube

Hetzjagd: Worüber geht die Dis­kussion – und worüber nicht?

von Rainer Zitelmann

In der Dis­kussion über die “Hetzjagd” und „Pogrome“ in Chemnitz wird sys­te­ma­tisch alles durch­ein­ander geworfen. Ein Versuch, etwas Ordnung in die Dis­kussion zu bringen.

Worum geht die Dis­kussion über­haupt – und worum nicht?

Die Debatte geht darüber, ob die Begriffe „Hetzjagd“ oder „Pogrom“, die von zahl­reichen Poli­tikern und Medien ver­wendet wurden, ange­messen sind. Eine ganz andere Frage ist die, ob ein als Beleg ange­führtes Video gefälscht ist (was ich mir nicht vor­stellen kann, das müsste Maaßen jetzt belegen) oder nicht.
Und die Debatte sollte auch nicht darüber gehen, ob es scharf zu ver­ur­teilen ist, wenn Rechts­extre­misten Aus­länder belei­digen und bedrohen, wenn Nazis mit Hit­lergruß auf­mar­schieren – und wenn füh­rende ost­deutsche Poli­tiker der AfD gemeinsam mit Rechts­extremen demons­trieren. Wer Zweifel daran hat, dass der Begriff „Pogrom“ zutreffend ist für das, was dort geschah, recht­fertigt damit keine dieser kri­tik­wür­digen Vor­komm­nisse, sondern macht nur darauf auf­merksam, dass hier ein unan­ge­mes­sener Begriff ver­wendet wurde.
Können wir in Deutschland nicht mehr sachlich über ein solches Thema dis­ku­tieren? Ist noch Raum für dif­fe­ren­zie­rende Posi­tionen? Inzwi­schen wird von der linken Seite jeder als Sym­pa­thisant oder Hel­fers­helfer von Rechts­extremen dar­ge­stellt, der Zweifel äußert, ob Begriffe wie „Pogrom“ oder „Hetzjagd“ ange­messen sind. Der Ver­fas­sungs­schutz­prä­sident, der Minis­ter­prä­sident von Sachsen, die Staats­an­walt­schaft von Sachsen, wichtige Pres­se­organe wie die „Freie Presse“ in Chemnitz: Alles ver­kappte Rechts­extre­misten oder klamm­heim­liche Nazi-Sym­pa­thi­santen? Oder einfach Per­sonen, die auf Basis ihrer Kenntnis der Fakten zu einem abwei­chenden Befund kommen und der Deutung von Merkels Regie­rungs­sprecher nicht folgen können?
Denk­muster, die jeden an den Pranger stellen, der nicht dieser Deutung folgen kann, ent­sprechen selbst einem links­extre­mis­ti­schen Denken, nachdem jeder, der nicht links ist, bereits in Faschis­mus­ver­dacht gerät.
Welche Medien und Poli­tiker haben den Mut, zuzu­geben, dass sie sich viel­leicht geirrt haben? Ich jeden­falls würde sofort zugeben, dass ich mich geirrt habe, wenn jemand Belege dafür vorlegt, dass es Pogrome gegeben hat, also Aus­schrei­tungen, die auch nur annä­hernd ver­gleichbar sind mit dem, was man in der Geschichts­wis­sen­schaft bisher so bezeichnet hat.
Wir sollten uns freuen, wenn das nicht so war. Denn es gibt unab­hängig davon genug, was kri­tik­würdig ist, sodass kei­nerlei Anlass für eine zusätz­liche Dra­ma­ti­sierung besteht. Manchmal kann man sich des Ein­drucks aber nicht erwehren, dass es manche Poli­tiker aus dem linken Spektrum absur­der­weise als schlechte Nach­richt ansehen würden, wenn sich her­aus­stellen sollte, dass es die behaup­teten Pogrome nicht gegeben hat.
Der übelste Trick ist es übrigens, erst in Deutschland von „Pogromen“ zu sprechen und dann besorgte Reak­tionen aus dem Ausland als Beleg dafür zu ver­wenden, wie schlimm die Ver­hält­nisse hier­zu­lande seien.


Quelle: The­Eu­ropean