Wackelt Merkels eiserner Thron? Collage: Jouwatch

Kauder-Abwahl: Poli­tiker reden Merkel-Desaster klein – Poli­to­logen wider­sprechen: „Tsunami“

Offenbar in der Sorge, die sen­sa­tio­nelle Schlappe ihres Ver­trauten Volker Kauder könnte Angela Merkel und die GroKo weiter desta­bi­li­sieren, ver­suchen Poli­tiker von SPD und Union die Palast-Revolte in der CDU/CSU-Fraktion zu baga­tel­li­sieren. So sagt Ex-Außen­mi­nister Sigmar Gabriel: „Die Zeiten sind inter­na­tional zu brisant und zu gefährlich. Gerade deshalb wird Angela Merkel noch gebraucht.“ Die Abwahl Kauders sei „eine demo­kra­tische Ent­scheidung der CDU/CSU-Bun­des­tags­fraktion. Nicht mehr und nicht weniger.“ Er halte „nichts davon, das jetzt auch noch zur Regie­rungs­krise hoch­zu­sti­li­sieren. Denn Deutschland braucht eine hand­lungs­fähige Regierung. Nicht nur wegen der Men­schen hier im Land, sondern weil an uns die Sta­bi­lität ganz Europas hängt.“
Politik-Wis­sen­schaftler wider­sprechen. Oskar Nie­der­mayer sieht in dem Geschehen ein „Miss­trau­ens­votum“ gegen die Kanz­lerin und ein „wei­teres Zeichen der Erosion ihrer Macht­basis“. Der Poli­tologe: „Mit dieser Ent­scheidung sendet die Fraktion die klare Bot­schaft, dass sie sich in Zukunft eigen­stän­diger pro­fi­lieren will und dass der bis­herige Stil der Zusam­men­arbeit, die Fraktion als bloße Erfül­lungs­ge­hilfin anzu­sehen, von der man ein kri­tik­loses Abnicken der von der Kanz­lerin getrof­fenen Ent­schei­dungen erwartet, der Ver­gan­genheit angehört.“ Das bedeute, dass die Regie­rungs­ge­schäfte noch schwie­riger werden, als sie jetzt ohnehin schon seien.
Innen­mi­nister Horst See­hofer CSU äußerte sich nur knapp und ver­harm­losend zum Erd­beben in der Fraktion „Das Ver­fahren war fair.“ Es habe zwei lei­den­schaft­liche Plä­doyers der beiden Kan­di­daten gegeben. „Das anschlie­ßende Wahl­er­gebnis hat man zu akzep­tieren.“ Als sei nichts pas­siert, gehe es jetzt darum, zur Sach­po­litik zurück­zu­kehren. Die Regie­rungs­par­teien müssten jetzt „nach vorne zu blicken und ihre Reform­erfolge stärker betonen. Das ist ein rie­siges Problem, diese Selbst­ver­zwergung schwächt die Große Koalition und hilft nur der AfD.“
Poli­tologe von Alemann: Das ist keine kleine Nie­derlage, sondern ein Tsunami
Der Poli­tologe Ulrich von Alemann hält es dagegen für denkbar, dass die Kanz­lerin die Ver­trau­ens­frage stellen wird. „Das ist eine Klatsche für Volker Kauder und damit auch für die Kanz­lerin, und sie sitzt nun in der Patsche. Das ist eine absolute Sen­sation, und natürlich wird nicht Kauder gemeint, sondern Angela Merkel“, sagte von Alemann der „Heil­bronner Stimme“. Der Poli­tologe erklärte weiter: „Eine mög­liche Option ist nun: Die Kanz­lerin zieht sich von ihrem Amt zurück. Es geht sowieso jeder davon aus, dass dies ihre letzte Amts­pe­riode ist. Jetzt kann sie bestimmen, wann Schluss ist.“
Denkbar sei auch eine andere Kon­se­quenz. Merkel habe sicher „große Neh­mer­qua­li­täten, aber mög­li­cher­weise zieht sie auch die Option, und stellt wie andere Kanzler – bei­spiels­weise Schröder – die Ver­trau­ens­frage.“ Merkel sei vom Par­lament gewählt und vom Ver­trauen ihrer Partei abhängige Kanz­lerin, so von Alemann: „Wie wir jetzt sehen, ist zumindest in der Fraktion das Ver­trau­ens­ver­hältnis erheblich gestört. Ich würde sogar sagen: Die Fraktion hat nicht nur ihrem Ver­trauten das Ver­trauen ent­zogen, sondern auch ihr selbst.“ Daher sei diese Situation nun für Angela Merkel „keine kleine Nie­derlage, sondern ist ein Tsunami. Sie sitzt in einem Wir­bel­sturm, denn wenn ihr Mann, ihr aus­drück­licher Favorit, keine Mehrheit bekommt, ist auch ihre eigene Mehrheit in der Fraktion in Gefahr“.
Günther: „Gute Zusam­men­arbeit mit Brinkhaus“
Für den schleswig-hol­stei­ni­schen Minis­ter­prä­si­denten Daniel Günther (CDU) spiegelt die Wahl von Ralf Brinkhaus (CDU) dagegen nur „eine gewisse Unzu­frie­denheit, ins­be­sondere mit den ver­gan­genen Wochen“. Das Wahl­er­gebnis, sagte Günther der „Welt“, sei „sicher eine Über­ra­schung“. Die Wahl von Brinkhaus zeige aber deutlich, „dass die Fraktion auf Erneuerung setzen“ wolle.
„Wir haben ein ganzes Jahr erlebt, in dem vieles nicht nach­voll­ziehbar war, und ich kann nur hoffen, dass man sich jetzt auch in Berlin endlich wieder auf wichtige Sach­fragen kon­zen­triert.“ Er selbst gehe davon aus, dass Bun­des­kanz­lerin Angela Merkel und der neue Frak­ti­ons­vor­sit­zende gut zusam­men­ar­beiten. „Das kann in dieser Kon­stel­lation funk­tio­nieren“, so Günther.


Erst­ver­öf­fent­li­chung auf Journalistenwatch.com