Sachsens Hit­liste der schwer­kri­mi­nellen Asylbewerber

Torsten Groß | Seit Bekannt­werden der Ver­ge­wal­tigung eines 14-jäh­rigen Mäd­chens am hel­lichten Tag in der Ham­burger Alt­stadt durch einen mehrfach kri­mi­nal­po­li­zeilich in Erscheinung getre­tenen sowie vor­be­straften Flüchtling (30) aus Afgha­nistan ist der Umgang mit hoch­kri­mi­nellen Asyl­be­werbern in den Fokus der Öffent­lichkeit gerückt. Doch wie viele dieser »tickenden Zeit­bomben« leben konkret unter uns?

Für das ost­deutsche Bun­desland Sachsen hat dies jetzt ein fin­diger Land­tags­ab­ge­ord­neter abge­fragt und die Öffent­lichkeit darüber infor­miert (siehe unten­ste­hendes Interview). Die par­la­men­ta­rische Anfrage an die von Minis­ter­prä­sident Michael Kret­schmer (CDU) geführte schwarz-rote Lan­des­re­gierung mit der Druck­sachen-Nummer 6/13992 wurde Anfang August beant­wortet – und die sechs­seitige Antwort birgt puren Spreng­stoff. Ange­fragt hatte der lang­jährige Poli­zei­beamte und Land­tags­ab­ge­ordnete Sebastian Wippel (36), ein Mann vom Fach. Der Bun­des­wehr­leutnant der Reserve und Poli­zei­ober­kom­missar wurde bei der Land­tagswahl im Jahr 2014 über die AfD-Lan­des­liste in den säch­si­schen Landtag gewählt. Dort widmet sich der drei­fache Fami­li­en­vater seither als Mit­glied im Innen­aus­schuss und Par­la­men­ta­ri­schen Kon­troll­gremium vor­wiegend der Themen der Sicher­heits­po­litik und kümmert sich um die Belange der säch­si­schen Polizei.

Die Straf­taten der MITAs

Erfah­rungs­gemäß müssen par­la­men­ta­rische Anfragen von Oppo­si­ti­ons­po­li­tikern außerhalb der eta­blierten Par­teien heut­zutage derart stichfest und fun­diert ver­fasst sein, dass eine schwammige Aus­kunft oder gar Nicht­be­ant­wortung durch die jeweilige Regierung nahezu aus­ge­schlossen werden kann. Gelehrt hat uns diese Erkenntnis ein kon­ser­va­tiver Lan­des­po­li­tiker aus dem Bun­desland Bremen, der den rot-grünen Bremer Senat bereits erfolg­reich wegen unzu­rei­chender Aus­künfte vor die höchste Instanz gezogen hatte (Urteil vom 14. Februar 2017, Az.: St 4/16). Genutzt hat das indes wohl nur wenig – denn ein erneutes Ver­fahren ist vom selben Poli­tiker in einem ähnlich gela­gerten Sach­verhalt vor dem Bremer Staats­ge­richtshof gerade anhängig. Offen­kundig in Kenntnis dessen hat der säch­sische Lan­des­po­li­tiker Sebastian Wippel seine par­la­men­ta­rische Anfrage zumindest wohl durchdacht.
Seine erste Frage zum The­men­komplex folgt im Wortlaut: »Bei wie vielen poli­zeilich bekannt gewor­denen Straf­taten (ohne aus­län­der­recht­liche Ver­stöße) im 2. Quartal 2018 waren MITAs als Tat­ver­dächtige beteiligt? (Bitte auf­schlüsseln nach Delikts­gruppen; Landkreisen/ kreis­freien Städten und Betei­ligung der MITAs (kumu­lativ)!)«
Die Kurz­be­zeichnung »MITAs« stammt aus dem poli­zei­lichen Sprach­jargon und bedeutet konkret »mehrfach-intensiv-tat­ver­dächtige Asyl­be­werber« – also schutz­su­chende Zuwan­derer, die in den letzten zwölf Monaten mehr als fünf Straf­taten (leichtere Ver­gehen) begangen haben oder min­destens zwei Mal wegen eines Ver­bre­chen­s­tat­be­standes (Min­dest­frei­heits­strafe ein Jahr) auf­fällig wurden.
Für den Tat­zeitraum vom 1. April 2017 bis zum 30. Juni 2018 lautete die besorg­nis­er­re­gende Antwort der säch­si­schen Lan­des­re­gierung wie folgt: Es wurden den Ermitt­lungs­be­hörden von den ins­gesamt regis­trierten 1165 MITAs drei Straf­taten gegen das Leben, 15 Straf­taten gegen die sexuelle Selbst­be­stimmung, 228 Roh­heits­de­likte bzw. Straf­taten gegen die per­sön­liche Freiheit, 305 Dieb­stahls­de­likte ohne erschwe­rende Umstände, 93 Dieb­stahls­de­likte unter erschwe­renden Umständen, 34 Ver­mögens- und Fäl­schungs­de­likte, 117 sonstige Straf­tat­be­stände nach dem Straf­ge­setzbuch, 191 Straf­taten gegen straf­recht­liche Neben­ge­setze (ohne aus­län­der­recht­liche Ver­stöße) und 44 Ver­kehrs­straf­taten bekannt.
Für die Ein­stufung als »MITA« werden dabei nicht aus­schließlich Per­sonen mit dem Auf­ent­halts­status »Asyl­be­werber« betrachtet, sondern auch Per­sonen mit dem Auf­ent­halts­status »Schutz­be­rech­tigte und Asyl­be­rech­tigte (Flücht­lings­status)«, »Duldung« oder »Uner­laubter Auf­enthalt« berücksichtigt.

Leipzig und Dresden besonders betroffen

Die meisten MITAs sind mit jeweils 230 in den Städten Leipzig und Dresden ansässig, gefolgt von 92 in Bautzen, 86 im Land­kreis Leipzig sowie 82 in der Stadt Chemnitz. Im wei­terhin abge­fragten Her­kunfts-Ranking der MITAs belegen Libyen mit 237, Tunesien mit 231, Marokko mit 139 sowie Georgien mit 129 die vor­dersten Plätze. Aus wei­teren Kri­sen­re­gionen wie Syrien stammen 90 MITAs und 36 aus dem Irak.
Von den ins­gesamt 1165 auf­fällig gewor­denen MITAs saßen 152 in den Jus­tiz­voll­zugs­an­stalten des Landes (Stichtag 11. Juli 2018), und 16 der schwer­kri­mi­nellen Straf­täter wurden in den ersten Monaten des Jahres (bis 8. April) in ihr Her­kunftsland zurück­ge­schoben. Unterhalb der Antwort ist als Hinweis zu lesen: »Die Staats­re­gierung muss nur das mit­teilen, was innerhalb der Ant­wort­frist mit zumut­barem Aufwand in Erfahrung gebracht werden konnte.«

Fragen an MdL Sebastian Wippel

Grund genug für die Kopp-Exklusiv-Redaktion, den Land­tags­ab­ge­ord­neten Sebastian Wippel zu den besorg­nis­er­re­genden Zahlen und Fakten direkt zu befragen:
Redaktion: Herr Wippel, Sie sitzen im Landtag und üben in Teilzeit ihren Beruf als Poli­zei­be­amter aus. Bitte beschreiben Sie für unsere Leser diesen täg­lichen Spagat mit Blick auf mög­liche Kon­flikte, die mit Ihren unter­schied­lichen Auf­gaben ein­her­gehen könnten.
MdL Wippel: Tat­sächlich ist diese spe­zi­fisch säch­sische Regelung eine Her­aus­for­derung und eine Chance zugleich. Ich habe die Her­aus­for­derung unter der Prä­misse ange­nommen, sie so lange aus­zuüben, wie keine der Tätig­keiten dar­unter in ihrer Qua­lität leidet. Grundlage dafür ist eine pro­fes­sio­nelle Trennung von Dienst und Politik. Das heißt, dass im Dienst keine Agi­tation betrieben wird und keine dienst­lichen Interna in die Politik ein­fließen. Gleich­zeitig ver­liere ich nicht die Boden­haftung und ver­gesse nicht, woher ich komme. Die Erfahrung der letzten Jahre zeigt, dass das als Oppo­si­ti­ons­po­li­tiker möglich ist. Als Mit­glied einer Regie­rungs­partei wäre dieser Spagat nicht zu bewältigen.
Als Beamter ohne Füh­rungs­ver­ant­wortung und als Poli­tiker ohne Regie­rungs­be­tei­ligung wäre es übrigens fak­tisch unmöglich, sich ent­weder die eigenen Gesetze zu schreiben oder unter­stellte Mit­ar­beiter poli­tisch gefärbt zum Handeln zu ver­an­lassen. Die Gefahren, denen unser Land aus­ge­setzt ist, kommen von anderer Stelle!
Sehen Sie, jen­seits der nicht bekannten Dun­kel­ziffer, Raum für kleinere Trick­se­reien oder ganz gezielte Mani­pu­la­ti­ons­mög­lich­keiten bei der Beant­wortung Ihrer par­la­men­ta­ri­schen Anfrage durch die Landesregierung?
»Dümmer als die Polizei erlaubt«
MdL Wippel: Sie stellen richtig fest, dass die Dun­kel­ziffer an nicht poli­zeilich bekannten Straf­taten enorm ist. Gerade was Dieb­stähle und Kör­per­ver­let­zungs­de­likte angeht. Mani­pu­la­tionen seitens der Regierung sehe ich nicht, da die Daten alle maschinell aus­ge­wertet werden. Die Mani­pu­lation müsste also bei der Daten­eingabe erfolgen. Dass das flä­chen­de­ckend geschieht, halte ich für mehr als unwahrscheinlich.
Es könnte aller­dings sein, dass Daten hier und da schlampig ein­ge­geben werden und so echte MITAs durch das Raster fallen. Fakt ist, dass die Regierung bei ihren Ant­worten die Mög­lichkeit hat, die Fragen ganz eng aus­zu­legen oder aber wirklich umfassend den Fra­ge­ge­gen­stand zu erkennen und zu beant­worten. Die Regierung neigt dazu, sich dümmer zu stellen, als die Polizei erlaubt. So werden auf einmal gefragte Begriffe nicht ver­standen, weil dieses Wort in keiner Vor­schrift auf­taucht. Oder es werden Recherchen nicht durch­ge­führt, weil der Ant­wort­teil­be­reich aus einem anderen Minis­terium kommen müsste.
Es wird teils fälschlich behauptet, dass bestimmte Recherchen nicht möglich wären oder zu auf­wendig seien. Wer ins Blaue hinein fragt, wird keine Antwort erhalten, mit der er was anfangen kann. Man muss schon dem Men­schen im Minis­terium genau sagen, welche Knöpfe er zu drücken hat. Der Zustand ist unbe­frie­digend und er variiert von Minis­terium zu Ministerium.
In Zwi­ckaus Brenn­punkt am Neu­markt, wo es in den letzten Monaten häu­figer Pro­bleme mit der auch von Ihnen abge­fragten Ziel­gruppe gegeben hatte, plä­dierte der CDU-Land­tags­ab­ge­ordnete Gerald Otto kürzlich dafür, die neu auf­ge­stellten Sitz­mög­lich­keiten schlicht wieder zu ent­fernen. Zum einen seien die Beton­klötze mit ille­galen Graffiti beschmiert worden und zweitens würden sie die Aus­länder seiner Ansicht nach zum Her­um­lungern geradezu ein­laden. Was konkret ist Ihnen von­seiten der Lan­des­re­gierung wei­terhin an Lösungs­vor­schlägen für die auf­ge­führten Pro­bleme bekannt geworden?
MdL Sebastian Wippel: Zwickau ist ein Bei­spiel von vielen. In Görlitz bei­spiels­weise ver­kommt der eine oder andere Ort, der zur Erholung gedacht war, zum Ver­gnü­gungs­platz von Ein­wan­derern. Die Regierung, Michael Kret­schmer als Minis­ter­prä­sident in Person, schiebt die Ver­ant­wortung auf Ord­nungsamt und Polizei.
Die Polizei soll die Pro­bleme bekämpfen, die CDU und SPD selber ver­ur­sacht haben. Kret­schmer (damals noch Mit­glied des Bun­destags) an erster Stelle! Das Problem ist, dass formal die Zustän­digkeit der Sicherheit und Ordnung bei den Gemeinden liegt. So kann man immer anderen den Schwarzen Peter zuschieben, wenn man an keiner Lösung inter­es­siert ist. Und nun zum Vor­schlag des CDU-Abge­ord­neten: Natürlich können wir uns unser schönes Land so weit zugrunde richten, dass der Auf­enthalt darin für alle unat­traktiv wird. Das ist offen­kun­diger Unsinn und erinnert an einen Schildbürgerstreich.
»Vom Kopf auf die Füße stellen«
Planen Sie, diese Zahlen, Daten und Fakten jetzt regel­mäßig abzu­fragen, und welche Vor­schläge unter­breiten Sie konkret zur Lösung des Problems?

MdL Wippel: Diese Zahlen, Daten und Fakten frage ich bereits seit Jahren regel­mäßig ab. Durch die Art der detail­lierten Fragen waren wir übrigens die Ersten, die echte Fakten zur Aus­län­der­kri­mi­na­lität (Auf­ent­halts­status usw.) in die poli­tische Debatte ein­ge­führt haben. Erst danach kamen die Regie­rungen in Land und Bund auf die Idee, Daten öffentlich zugänglich zu machen. Das aller­dings mit teils irre­füh­renden Begriffen wie »Zuwan­derer«. Die Lösung muss heißen: 1. Grenzen zu und Asyl­ver­fahren vor der Ein­reise bear­beiten. 2. Hilfe wird vor Ort geleistet, somit erreichen wir mit dem­selben finan­zi­ellen Aufwand etwa drei­ßigmal mehr Men­schen, die wirklich auf der Flucht vor Not sind! 3. Es kommt nur ins Land, wem wir das gestatten. 4. Wer sich nicht benimmt und unsere Werte sowie Gesetze miss­achtet, der fliegt raus. Sofort! Das ist ja eigentlich nicht so schwer zu ver­stehen. Das ist auch bei allen Gesprächen, die ich im Ausland mit nor­malen Men­schen auf der Straße führe, abso­luter Konsens. 5. Ein­heit­liche Sach­leis­tungen in Europa für die wenigen echten Flücht­linge und Asylanten.
So stellen wir das System wieder vom Kopf auf die Füße und beugen dem mas­sen­haften Miss­brauch des an sich guten und wich­tigen Asyl­rechts vor. Die Sache hat einen Neben­effekt: Die Flücht­lings­lobby und alle, die gut von ihr leben, hätten keine Arbeit mehr und müssten sich einen nor­malen Brot­erwerb sichern. Viel­leicht hilft auch das, den Fach­kräf­te­mangel zu verhindern.
Dieser Beitrag erschien zuerst bei Kopp Exklusiv.