Sollen Poli­tiker twittern?

In der Tages­zeitung Kurier lautete jüngst die Headline: “Die Twit­ter­falle”.  Im  zuge­hö­rigen Leit­ar­tikel empfahl der Autor allen Ernstes den Poli­tikern, nicht mehr zu twittern — und gab am Schluss seines Textes seinen Twit­ter­ac­count an… Anlass für dieses Medien-Thema war der Twitter-Unfall eines Poli­tikers: Der nunmehr frak­ti­onslose öster­rei­chische Natio­nal­rats­ab­ge­ordnete Efgani Dönmez ist vor­läufig das letzte Opfer in einer Reihe von poli­tisch tätigen Leuten, denen der zu lockere und zu authen­tische per­sön­liche Umgang mit den Social­Media zu einem medial hoch­sti­li­sierten und im polit­kor­rekten Empörium breit­ge­tre­tenen “Ver­hängnis” wurde. Dönmez hatte in einem Tweet am 1.9. auf die Frage, warum die in heiklen poli­ti­schen Themen (wie dem Isla­mismus) recht zwei­felhaft agie­rende deutsche Staats­se­kre­tärin Chebli so eine Kar­riere gemacht hat, flapsig geant­wortet: “Schau dir mal ihre Knie an, viel­leicht findest du da die Antwort 😉 ”

Zack, wumm, aus

Mehr hat er nicht gebraucht. Der femi­nis­tisch und links­in­dok­tri­nierte digitale Lynchmob ist furios über ihn her­ge­fallen und hat ihn mit Schaum vor dem Mund des Sexismus und der Frau­en­ver­achtung geziehen, weil der emp­fohlene Blick auf die Knie der Staats­se­kre­tärin als Hinweis darauf ver­standen wurde, dass Frau Chebli durch bestimmte und delikate orale Hand­lungen ihren Posten erworben hätte. Dönmez hat sich zwar ent­schuldigt und stets beteuert, dass er seinen Tweet nicht sexis­tisch gemeint hätte, sondern dass er damit einfach auf die devote Haltung der Poli­ti­kerin gegenüber ver­schie­denen, eher fun­da­mental agie­renden Mus­lim­ver­bänden anspielen wollte — allein, es war zu spät, der Ver­nich­tungs­feldzug war begonnen, die gei­fer­ge­füllten Spreng­köpfe waren abge­feuert und die Sache musste zu Ende geführt werden. Zwei Tage später schloss man ihn aus dem Par­la­mentsklub der ÖVP aus.

Welche Poli­tiker wollen wir?

Für die Medien sind solche Ereig­nisse natürlich ein gefun­denes Fressen, sie gieren förmlich danach und sie fühlen sich im Shit­storm, der durch einen sexuell kon­no­tierten Sager aus­gelöst wird, am aller­wohlsten. Sex sells, auch und vor allem in der Politik. Gleich­zeitig betont man aber lauthals, wie wichtig die Moral ist und dass gerade für Poli­tiker die höchsten Moral­an­sprüche zu gelten haben. Ein männ­licher Poli­tiker sollte heute am besten ein ase­xu­elles sprech­pup­pen­ar­tiges Wesen sein, das zwar fesch sein muss, aber stets sachlich, freundlich lächelnd, über­korrekt und mit gedrech­selten Phrasen aus­ge­stattet ist. Also im besten Fall glatt wie ein Aal und geschmeidig wie ein Fisch­otter. Oder etwa doch nicht?
Die­selben Medi­en­leute, die ständig schul­meis­ternd den idealen Poli­tiker ein­fordern und auf jeden hin­dre­schen, der irgendwo einmal etwas Pro­vo­kantes von sich gibt, jammern im selben Atemzug darüber, wie elend es mit der per­ma­nenten Message-Control sei und wie uner­giebig Inter­views mit rhe­to­risch perfekt trai­nierten Poli­tikern wären, denen man keine klare Aus­sagen ent­locken kann, weil sie vor lauter Steh­sätzen und Über­schriften oft selber gar nicht mehr wissen, wie ihre poli­ti­schen Inhalte aussehen.

Was jetzt?

Na was denn nun, liebe Reporter? Wie hätten wir‘s denn gern? Seien wir ehrlich: Wollen wir nicht alle mit­ein­ander poli­tisch Tätige, die aus unserer Mitte und aus dem realen Leben kommen und die auch mal was “Fal­sches”, Aneckendes oder poli­tisch Inkor­rektes sagen dürfen? Glaubt ihr nicht, dass der authen­tische Mann, der auf Twitter oder Facebook hin und wieder auch eine Zote abgibt oder einen “Schmäh” plat­ziert, der­jenige ist, den die Bürger lieber haben als die lackierten Polit-Auto­maten, die nur ein­ge­lernte Berater-Phrasen wiedergeben?

Über was schreibt ihr dann?

Und im Übrigen frage ich Euch: Über was oder wen würdet Ihr Euch denn in Euren Medien mokieren, wenn die Poli­tiker nun alle aus lauter Angst vor dem Shit­storm ihr Handy und ihr Tablet weg­legen und nur mehr das sagen, was die dau­er­em­pörte Medien-Meute samt den links­to­ta­li­tären Mei­nungs­trägern gerade noch poli­tisch erlauben wollen? Merkt ihr nicht, wie abgrundtief unsinnig es ist, Poli­tikern eine Twitter- bzw. SM-Karenz zu emp­fehlen? Der Ver­dacht liegt nahe: Ihr ver­ba­li­siert nur die Angst der insti­tu­tio­na­li­sierten Medien, irgendwann gar nicht mehr wahr­ge­nommen zu werden, weil ohnehin alles über Twitter, Facebook und Whatsapp kom­mu­ni­ziert wird…


Quelle und Erst­ver­öf­fent­li­chung: thedailyfranz.at