Wird der Südwesten/Süden Deutsch­lands kälter?

In unseren Artikeln haben wir stets die Meinung ver­treten, dass die von den DWD-Wet­ter­sta­tionen für Deutschland gemessene Erwärmung der letzten 30 Jahre nicht durch CO2 her­vor­ge­rufen wird, sondern durch men­schen­ge­machte Wär­me­insel­ef­fekte in der Umgebung der Wet­ter­sta­tionen. Die meisten Mess­sta­tionen stehen tat­sächlich dort, wo die Men­schen leben und arbeiten, viele in Städten oder gar in Innen­städten. Wir sind uns einig, nur eine Wet­ter­station völlig außerhalb eines Ortes misst die Tem­pe­ra­turen, die vom täg­lichen Wetter her­rührt, aller­dings kann eine Ver­än­derung im Betrach­tungs­zeitraum, z.B. Windpark, Stra­ßenbau, Tro­cken­le­gungen, Ände­rungen in der land­wirt­schaft­lichen Nutzung, auch bereits Zusatz­wärme erzeugen und ein kleiner WI-Effekt wird auto­ma­tisch mit­ge­messen. Solche Sta­tionen wie Rosenheim, Amtsberg, Gießen, Neu­gersdorf usw. nennen wir deshalb WI-arme Sta­tionen. Wir werden im Artikel auf weitere im Süden zurückgreifen. 

Deutsch­lands Süd­westen gilt als das Wär­me­zentrum Deutsch­lands, nicht zuletzt auch deshalb, weil das Gebiet über die Bur­gun­dische Pforte mit Warmluft aus dem Süden Frank­reichs ver­sorgt wird. In unserem Artikel über Freiburg konnten wir über­ra­schen­der­weise einen Tem­pe­ra­tur­rückgang ver­zeichnen, woran sicherlich die Sta­ti­ons­ver­legung ein Haupt­grund sein dürfte. Aber nicht nur.

Abb.1 Seit 30 Jahren zeigt die Wet­ter­station der Stadt Freiburg im warmen Süd­westen Deutsch­lands eine deut­liche Abkühlung. Das wärmste Jahr war das Jahr 2000.

Im Falle der süd­ba­di­schen Haupt­stadt haben wir es mit einem nega­tiven Wär­me­insel­effekt zu tun. Schaut man sich den Tem­pe­ra­tur­verlauf jedoch genauer an, dann erkennt man den fal­lenden Tem­pe­ra­tur­verlauf jedoch bereits ab dem Jahre 2000 und die Wet­ter­station stand noch 7 weitere Jahre am selben Platz in der Innen­stadt. Damit stellt sich für einen Kli­ma­wis­sen­schaftler die Frage zwangs­läufig: Hätte sich Freiburg auch mini­malst abge­kühlt ohne die Ver­legung der Wet­ter­station in den Außen­bezirk? Dabei muss man wissen, dass die Ein­woh­nerzahl Frei­burgs und damit der men­schen­ge­machte WI-effekt auch in den letzten 30 Jahren besonders stark zuge­nommen hat.
Wir erweitern die Frage durch den Zusatz: Wird etwa das gesamte Umland, ins­be­sondere der ganze Regie­rungs­bezirk Freiburg oder gar der Süden Deutsch­lands in der unbe­bauten Fläche kälter? Dazu suchen wir weitere DWD-Wet­ter­sta­tionen mög­lichst außerhalb einer städ­ti­schen Bebauung. Ganz außerhalb in der freien Fläche haben wir keine gefunden.
Fündig wurden wir in Wolfach. Wolfach ist eine Klein­stadt mit knapp 6000 Ein­wohnern im Mitt­leren Schwarzwald im Kin­zigtal, das sich zur Rhein­ebene hin öffnet, gute 40 km nord­östlich der Stadt Freiburg. Die auto­ma­tische Wet­ter­station des DWD ist im Kli­ma­garten der seit vielen Jahr­zehnten nach den Stan­dards der WMO und des DWD auf­ge­bauten und betrie­benen Station der Stern- und Wet­ter­warte Wolfach errichtet. Dieser Standort liegt ganz am Rand, eher außerhalb des Sied­lungs­be­reichs der Gemeinde Wolfach auf 291m Höhe.

Abb.2: Die Wet­ter­station Wolfach liegt im öst­lichen Außen­be­reich der Stadt im Kin­zigtal. Auf unserer Karte rechts unten.

Während in Wiki­pedia eine Kli­ma­er­wärmung für die Stadt Freiburg ent­gegen den Mess­daten der Frei­burger Station fälsch­li­cher­weise behauptet wird, findet man über Wolfach nichts. Die Durch­schnitts­tem­pe­ratur über die letzten 30 Jahre beträgt etwa 10 C und damit um einiges höher als der DWD-Schnitt.
Die Grafik der letzten 30 Jahre bestätigt eine leichte Abkühlung für die Station Wolfach.

Abb.3. Die DWD-Wet­ter­station Wolfach in Deutsch­lands Süd­westen zeigt seit 30 Jahren eine leichte Abkühlung. Abkühlung ist das Gegenteil einer Erwärmung. Das wärmste Jahr der letzten 30 Jahre war wie in vielen Orten im Süden mit geringem WI-effekt das Jahr 1994.

Zum Ver­gleich der DWD-Deutsch­land­schnitt aus über 1800 Sta­tionen, die meisten stehen direkt im Wohn­gebiet der Städte und Gemeinden oder an Flugplätzen.

Abb.4: Die mehr oder weniger stark WI-behaf­teten DWD-Sta­tionen zeigen eine moderate Erwärmung in den letzten 30 Jahren.

Und dieses Jahr 2014 gilt auch offi­ziell als das wärmste Jahr Deutsch­lands. Diese Fest­stellung ist natur­wis­sen­schaftlich falsch aus­ge­drückt. Bei den WI-armen Sta­tionen – siehe Wolfach – war ent­weder 2000 oder bereits 1994 das wärmste Jahr innerhalb der letzten 30 Jahre.
Doch wieder zurück zu Deutsch­lands Süd­westen: Mit Wut­öschingen-Ofte­ringen bei Waldshut-Tiengen haben wir eine weitere WI-arme Station gefunden. Die seit 1961 bestehende Nebenamt-Station liegt auf 398 m Mee­reshöhe im Wut­achtal zwi­schen Schwarzwald und Randen (Aus­läufer des Jura). Das Tal ver­läuft von Nordost nach Südwest und ent­wässert einen großen Teil des Süd­schwarz­waldes in den Rhein bei Waldshut-Tiengen. Die jähr­liche Nie­der­schlags­menge (1961–90) liegt bei 993 mm

Abb.5: Station Wut­öschingen-Ofte­ringen, nördlich des kleinen Weilers Ofte­ringen auf 398 m Mee­reshöhe. – siehe gelbe Mar­kierung- Aller­dings trägt das dunkle Band der in unmit­tel­barer Nähe ver­lau­fenden Bun­des­straße B 314 viel Wärme in die Umgebung ein, ebenso wie die Häu­ser­um­gebung. Die Station ist deshalb nur WI-arm.

Die Bun­des­straße 314 und der in den letzten 30 Jahren überall zuneh­mende Verkehr – die Ofte­ringer beklagen ins­be­sondere die Zunahme des Schwer­last­ver­kehrs – bringt viel Wärme in die Umgebung des Ther­mo­meters ein. Schließlich sind Straßen wie Wär­me­bänder in der Land­schaft. Da die Straße von Nord nach Süd ver­läuft und zudem leicht in Richtung Süden zum Rhein hin abfällt, dürfte der dunkle Asphalt­belag im Sommer durchaus 50 C heiß werden und nachts die gespei­cherte Wärme abstrahlen und damit der nächt­lichen Abkühlung in Wet­ter­sta­ti­onsnähe entgegenwirken
Trotzdem zeigt die in unmit­tel­barer Nähe sich befin­dende Wet­ter­station keine Erwärmung.

Abb.6: Obwohl die Wet­ter­station unmit­telbar neben einer breiten Straße steht, zeigt Wut­öschingen-Ofte­ringen über die letzten 30 Jahre keine Erwärmung.

Wir weisen nochmals auf den sicherlich vor­han­denen WI-effekt in der Grafik hin. 2014 ist wärmer als 2000 und reicht fast an 1994 heran. Außerdem ist das Jahr 1996 um einiges kälter als 2010. Der zuneh­mende WI-effekt des kleinen Ortes ver­hin­derte die noch kühlere Tem­pe­ratur fürs Jahr 2010. Bei wirklich WI-armen Sta­tionen im Süden unter­scheiden sich beide Käl­te­jahre nur gering­fügig, bis­weilen ist auch 2010 kälter als 1996
Wir gehen davon aus, dass Wut­öschingen-Ofte­ringen ohne die Zusatz­heizung der Bun­des­straße 314 auch eine leicht fal­lende Trend­linie, ähnlich wie Wolfach hätte. Der DWD müsste die Mess­station nur gute 100m weiter weg stellen.
Wird der Süd­westen Deutsch­lands kälter? Die Antwort ist nicht mit einem Ja oder Nein zu beant­worten. Es kommt auf die Lage der Wet­ter­station an und auf die nähere und weitere Umgebung. Zur Beant­wortung der Frage bräuchte man Wet­ter­sta­tionen, deren wei­teres Umfeld sich in den letzten 30 Jahren über­haupt nicht geändert hätte. Und diese Bedingung finden wir fast nir­gendwo vor. Deshalb treffen wir die vor­sichtige Einschätzung.
Unser Ergebnis: Im Süden und Süd­westen sinken in der freien Land­schaft die Tem­pe­ra­turen in den letzten 30 Jahren.
Zur Unter­mauerung unserer Aussage greifen wir auf zwei weitere Mess­sta­tionen zurück, die sich eben­falls außerhalb oder am Rande des Sied­lungs­ge­bietes befinden:
Mem­mingen: Die Kli­ma­station steht im Stadt­garten in Fried­hofsnähe, also einer Art Park­land­schaft. Aller­dings ver­läuft die Autobahn nach München in unmit­tel­barer Nähe.

Abb.7: Auch in Mem­mingen sta­gniert die Erwärmung seit 30 Jahren. Die Station steht nicht in einer wär­menden Siedlung, sondern im Stadt­garten, der Friedhof schließt sich an

Mit­tenwald
Die Wet­ter­station steht nördlich des Ortes in den unbe­bauten Buckel­wiesen mit Einzelgehöften

Abb.8: Auch der Win­ter­sportort Mit­tenwald zeigt seit 30 Jahren keine Kli­ma­er­wärmung trotz mode­rater Bebauung und Zunahme der Tou­risten, der Win­ter­sportler und des Stra­ßen­ver­kehrs im Ort selbst.

Gerade in Deutsch­lands Süden und Süd­westen nehmen die Ein­woh­ner­zahlen und die Indus­tria­li­sierung zu, ebenso der Verkehr und die Tou­ris­ten­ströme. So hat z.B. Freiburg in den letzten 60 Jahren seine Bevöl­kerung ver­doppelt. Wet­ter­sta­tionen ganz außerhalb von Orten zu finden ist fast unmöglich, da die Orte mitsamt Industrie stark anwachsen, ebenso wie die Grund­stück­preise. Die Orts­ränder fressen sich in die einst freie Fläche hinein. Deshalb kann in Süd­baden und im Alpen­vorland auch eine freie Land­schafts­fläche nicht mehr ganz WI-frei sein.
Abküh­lungs­gründe: Im fol­gendem wollen wir ergründen, weshalb der Süden/Südwesten Deutsch­lands außerhalb stark wach­sender Gemeinden zur Abkühlung neigt.
Ein mög­licher Abküh­lungs­grund mancher Sta­tionen ist die Häu­fig­keits­ent­wicklung der Groß­wet­ter­lagen und die Ent­wicklung der Son­nen­schein­dauer in den letzten 30 Jahren. Während bei lang­fris­tiger Betrachtung, also über mehr als 50 Jahre, die Häu­figkeit der im Jah­res­mittel besonders erwärmend wir­kenden West- und Süd­west­lagen zu- und die der küh­lenden NW‑, N‑, NE‑, Skan­di­navien-Hoch- und TM-Lagen abnahm, zeigt sich über die ver­gan­genen 30 Jahre ein anderes Bild:

Abb. 9: Mehr im Jah­res­mittel küh­lende Groß­wet­ter­lagen (dun­kelblau) in den letzten 30 Jahren, weniger wär­mende. Groß­wet­ter­la­gen­klas­si­fi­kation nach HESS/BREZOWSKY. Wegen einer in Deutschland aber im selben Zeitraum zuneh­menden Son­nen­schein­dauer, von der besonders WI-belastete Orte pro­fi­tierten, konnte sich diese wet­ter­la­gen­be­dingte Abkühlung nur an WI- armen Orten mehr oder weniger deutlich bemerkbar machen.

Was die erwärmend wir­kende Son­nen­schein­dauer betrifft, so hat diese in ganz Deutschland, aber auch in Süd­west­deutschland, während der ver­gan­genen 30 Jahre merklich zuge­nommen, was die wet­ter­la­gen­be­dingte Abkühlung über­kom­pen­sierte. Stark WI-belastete Orte pro­fi­tieren einer­seits besonders von einer erhöhten Son­nen­schein­dauer und erzeugen diese ande­rer­seits auch selbst, weil dort die für Dunst‑, Nebel- und Wol­ken­bildung erfor­der­liche Ver­dunstung ver­mindert ist. Leider liegen für viele der Neben­sta­tionen keine oder nur lückige Son­nen­schein­auf­zeich­nungen vor. Am Bei­spiel der erwär­mungs­trägen, WI-armen Station Rosenheim in Bayern lässt sich aber zeigen, dass sich an solchen unge­störten Orten die Son­nen­schein­dauer besonders im Som­mer­halbjahr (nur da wirkt die höhere Son­nen­schein­dauer stark erwärmend) mög­li­cher­weise nicht erhöht hat; weitere Unter­su­chungen hierzu werden folgen, dauern aber bei der unbe­frie­di­genden, kom­pli­zierten Datenlage sehr lange.

Abb.10: Seit 30 Jahren wird das Som­mer­halbjahr am Hohen­pei­ßenberg (grün), der einen starken Erwär­mungs­trend im Jah­res­mittel zeigt, son­niger, in Rosenheim nicht.

Erg: Wär­me­inselarme Wet­ter­sta­tionen im Süden Deutsch­lands zeigen bereits seit 30 Jahren keine Erwärmung mehr. Wir gehen davon aus, dass in der freien Fläche, das sind 85% des Landes, sogar eine leichte Abkühlung statt­ge­funden hat.
Anmerkung: Auch in anderen Regionen Deutsch­lands haben wir WI-arme Standorte mit Erwär­mungs­s­ta­gnation oder gar einem Abküh­lungs­trend während der letzten 30 Jahre gefunden. Dazu später mehr. Sie sind jedoch nicht so gehäuft wie im Süden.


Josef Kowatsch, Natur­be­ob­achter und unab­hän­giger Klimaforscher
Stefan Kämpfe, Diplo­magrar­in­ge­nieur, unab­hän­giger Natur- und Klimaforscher
Erst­ver­öf­fent­lichtung auf www.eike-klima-energie.eu