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Geld­po­litik der Federal Reserve: Erin­nerung an die Sowjetunion

Der Wach­wechsel bei der Federal Reserve – das Ende der Amtszeit von Janet Yellen und der Beginn der Ära Jerome Powell – hat Erin­ne­rungen in mir auf­er­stehen lassen, wie es war, in der ehe­ma­ligen Sowjet­union aufzuwachsen.
(Von Vitaliy Kat­senelson — CEO bei Investment Management Associates)
Damals hatte unser ört­liches Lebens­mit­tel­ge­schäft zwei Sorten von Zucker: Der bil­ligere kostete 96 Kopeken (rus­sische Cents) pro Kilo und der teurere 104 Kopeken. Ich erinnere mich sehr genau an diese Preise, weil sie sich nämlich ein Jahr­zehnt lang nicht ver­ändert haben. Diese Preise wurden nicht durch Angebot von und die Nach­frage nach Zucker bestimmt, sondern von einem wohl­mei­nenden Büro­kraten (der viel­leicht sogar ein Ökonom war) in Tausend Kilo­meter Entfernung.
Hätten alle rus­si­schen Haus­frauen (und Haus­männer) beschlossen, sich auf eine Apfel­ku­chendiät ein­zu­lassen und mit dem Backen von Kuchen zum Früh­stück, Mittag- und Abend­essen begonnen, wäre die Zucker­nach­frage gestiegen, aber die Preise wären dennoch immer bei 96 und 104 Kopeken gelegen. Infol­ge­dessen hätte es einen Mangel an Zucker gegeben – ein häu­figes Ereignis in der Sowjetzeit.
In einer kapi­ta­lis­ti­schen Wirt­schaft spielt die „unsichtbare Hand“ eine sehr wichtige, aber unter­schätzte Rolle: Es ist ein Signal­me­cha­nismus, der hilft, Angebot und Nach­frage in Ein­klang zu bringen. Eine hohe Nach­frage führt zu höheren Preisen und signa­li­siert den Lie­fe­ranten, dass sie mehr Geld ver­dienen werden, wenn sie zusätz­liche Waren pro­du­zieren. Zusätz­liches Angebot senkt die Preise und bringt sie in ein neues Gleich­ge­wicht. So werden in der freien Markt­wirt­schaft täglich Preise für Mil­lionen von Gütern weltweit festgelegt.
In der Kom­man­do­wirt­schaft der Sowjet­union hatten die Güter­preise oft wenig mit Angebot und Nach­frage zu tun, sondern wurden typi­scher­weise als poli­ti­sches Instrument ein­ge­setzt. Dies ist zum Teil der Grund, warum die sowje­tische Wirt­schaft versagt hat. Um gute Ent­schei­dungen zu treffen, braucht man gute Infor­ma­tionen, wenn aber der Preis keine Infor­ma­tionen enthält, ist es schwierig, gute Geschäfts­ent­schei­dungen zu treffen.
Als ich 1991 das sowje­tische Russland verließ, dachte ich, ich würde nie wieder eine Kom­mando- und Kon­troll­wirt­schaft sehen. Ich habe mich geirrt. In den letzten zehn Jahren hat die Welt­wirt­schaft begonnen, einer solchen ähnlich zu werden, weil wohl­mei­nende Öko­nomen, die Zen­tral­banken leiten, den Preis für das wich­tigste Gut der Welt fest­gelegt haben: Geld.
Zins­sätze sind der Preis des Geldes, und sie sollten durch die täg­lichen Ent­schei­dungen von Mil­li­arden von Men­schen und ihren Unter­nehmen und Regie­rungen bestimmt werden. Wie der Zucker­preis in Sowjet­russland haben die Zins­sätze heute wenig mit Angebot und Nach­frage zu tun (und haben somit keinen Signalwert).
Wenn bei­spiels­weise die US-Notenbank bis Ende 2014, als die US-Staats­ver­schuldung die 17-Bil­lionen-Dollar-Marke über­schritt, nicht über 2 Bil­lionen Dollar an US-Schulden gekauft hätte, wären die Zinsen ange­stiegen. Unser Haus­halts­de­fizit wäre gestiegen und die Poli­tiker gezwungen gewesen, die Staats­aus­gaben zu kürzen. Aber das Gegenteil ist pas­siert: Während unser Schul­denberg gewachsen ist, sind die Kosten der Regierung für die Kre­dit­auf­nahme gesunken.
Die Folgen, wenn wohl­mei­nende (aber nicht allzu bekannte) Öko­nomen die Geld­preise fest­legen, sind überall zu beob­achten: Von der Inflation der Ver­mö­gens­preise bis hin zur Ermu­tigung von Unter­nehmen, in Pro­jekte zu inves­tieren, in die sie nicht inves­tieren sollten. Aber wir kennen wirklich nicht die zweite, dritte und vierte Ableitung der Kon­se­quenzen, die die Befehls- und Kon­troll­zinsen mit sich bringen werden. Wir wissen, dass höchst­wahr­scheinlich jeder Markt­teil­nehmer in den letzten Jahren gezwungen war, mehr Risiken ein­zu­gehen, aber wir wissen nicht, wie viel mehr, weil wir den Preis des Geldes nicht kennen.

Quan­ti­tative Easing: Diese beiden scheinbar harm­losen Worte haben die DNA der Welt­wirt­schaft ver­ändert. Die Zins­sätze beein­flussen die Wech­sel­kurse stark. Die Erwartung von Quan­ti­tative Easing durch die Euro­päische Zen­tralbank ließ den Kurs des Schweizer Frankens im Januar 2015 an einem Tag um 15 % steigen, und die Schweizer Wirt­schaft ist seitdem wie gelähmt.
Ame­ri­kaner haben ein gesundes Miss­trauen gegenüber ihren Poli­tikern. Wir gehen davon aus, dass unsere Poli­tiker korrupt sind und wir ver­ehren unsere poli­ti­schen Führer nicht (nur die Toten). Die US-Ver­fassung ist voll von Kon­troll­me­cha­nismen, um sicher­zu­stellen, dass – sollte das Opium der Macht einem Poli­tiker zu Kopf steigen – der Schaden, den er oder sie der Gesell­schaft zufügen kann, begrenzt ist.
Leider haben wir nicht das gleiche Miss­trauen gegenüber Öko­nomen und Zen­tral­bankern. Es ist schwer zu sagen, warum genau. Viel­leicht haben wir Ehr­furcht vor ihren Dok­tor­ar­beiten. Oder viel­leicht liegt es daran, dass sie wirklich intel­ligent klingen und uns gleich­zeitig das Gefühl geben, dümmer als ein Toaster zu sein, wenn sie große Begriffe wie „gesamt­wirt­schaft­liche Nach­frage“ ver­wenden. Aus welchem Grund auch immer, aber wir denken, sie ver­fügten über Vor­aus­sicht und die Kräfte der Marvel-Superhelden.
Warren Buffett – das Orakel von Omaha selbst – gab zu, dass er nicht wüsste, wie das QE-Expe­riment enden wird. Und wenn Sie denken, dass wohl­mei­nende Öko­nomen, die die Zen­tral­banken leiten, es wissen, werden Sie eine böse Über­ra­schung erleben.
Alan Greenspan – der Ex-Papst der Federal Reserve – sagte in einem Interview mit dem Wall Street Journal im Jahr 2013, dass er „sich immer mehr für einen Mathe­ma­tiker als für einen Psy­cho­logen hielt“. Aber nach der Finanz­krise 2008/09 und der Kritik, die er für seinen Beitrag zur Immo­bi­li­en­blase erhielt, ging Greenspan zurück und stu­dierte das Her­den­ver­halten, mit einigen über­ra­schenden Ergeb­nissen. „Ich war eigentlich ver­blüfft“, gab er zu. „Es hat meine Ansicht darüber, wie die Welt funk­tio­niert, verändert.“
So wie die wohl­mei­nenden Öko­nomen der Sowjet­union nicht den rich­tigen Zucker­preis kannten, so wissen auch die wohl­mei­nenden Öko­nomen unserer glo­balen Zen­tral­banken nicht, wo die Zinsen liegen sollten. Und was noch wich­tiger ist: Sie können die Folgen ihrer Hand­lungen nicht vorhersagen.

Der Ori­gi­nal­beitrag mit dem Titel Central Planning Failed in the USSR, but Central Banks Have Revived It ist am 19.9.2018 auf der website des Mises-Institute, Auburn, US Alabama erschienen.