By Persia135 - Own work, CC BY-SA 4.0, Link

Warum kann ich meine Religion nicht kritisieren?

Majid Rafizadeh - Als ich einen Brief von einem schii­ti­schen reli­giösen Pre­diger aus Groß­bri­tannien erhielt, hat mich das nicht über­rascht. Ich erhalte viele ähn­liche Briefe von extre­mis­ti­schen Mus­limen auf der ganzen Welt sowie von west­lichen Libe­ralen, Sozia­listen und anderen. Jedes Mal, wenn ich diese Briefe öffne, bereite ich mich auf die Kritik an meiner sorg­fäl­tigen Über­prüfung meiner Religion vor. Wie erwartet, begann der Brief mit einem bekannten Vor­schlag: “Hör auf, deine eigene Religion zu kritisieren.”
Der Brief unter­stützte diese Unter­weisung mit Ver­spre­chungen, dass mich die Medien und die west­lichen Pro­gres­siven begüns­tigten und mich weitaus mehr unter­stützen würden, wenn ich meine Ansichten an ihre bevor­zugten Gesprächs­punkte anpassen sollte:
“Wenn du auf­hörst, den Islam zu kri­ti­sieren, wird der Westen dich sicherlich mehr will­kommen heißen, und du wirst mehr Angebote und Mög­lich­keiten erhalten, deine Kar­riere zu fördern.”
Was ist an dem, was ich sage, das die Linke so sehr ärgert? Ich weigere mich, den radi­kalen Islam im Westen zu ent­schul­digen. Ich weigere mich, die dun­kelsten Folgen, zu denen der zügellose Extre­mismus geführt hat, zu ver­schleiern. Ich weiche nicht ab von der Vor­stellung von Mul­ti­kul­tu­ra­lismus oder Toleranz; manche Dinge sind nicht dazu bestimmt, tole­riert zu werden. Die Bot­schaft der Apo­lo­geten ist klar: Stell dich in die Reihe. Sende die gleichen Bot­schaften aus, die auch andere aus­senden: über alle Aspekte des Islam, der eine lie­be­volle und wohl­wol­lende Religion ist. Kon­zen­triere dich darauf und kehre die Ver­brechen gegen die Mensch­lichkeit unter den Teppich.
Ich wünschte wirklich, ich könnte es.
Es ist natürlich nicht schwer zu ver­stehen, warum so viele meiner Kol­legen diesem Druck erlegen sind. Mein Weg wäre in der Tat viel ein­facher gewesen, wenn ich die poli­ti­sierte Sicht­weise auf­ge­griffen und mit den anderen, die sich für die Zweck­mä­ßigkeit statt der Wahrheit ent­schieden haben, wei­ter­mar­schiert wäre. Doch ich fand es unmöglich, mich anzu­passen und mit den isla­mi­schen Main­stream-Apo­lo­geten im Westen zu ver­schmelzen. Die Erin­ne­rungen an das, was ich gesehen habe, und die Grau­sam­keiten, von denen ich weiß, dass sie immer noch begangen werden, ver­folgen mich und treiben mich an, für die Stimm­losen zu sprechen. Mein Ziel war nie, den Westen so zu machen, wie ich es bin oder per­sön­liche Vor­teile aus dem Aus­tausch meiner Erfah­rungen zu ziehen. Mein Ziel war immer nur, die Qualen zu beenden, die mein Volk durch die Hände gna­den­loser tyran­ni­scher isla­mis­ti­scher Regime und Gruppen erlitten hat.
Ich bin in mehr­heitlich mus­li­mi­schen Gesell­schaften geboren und auf­ge­wachsen, in den beiden domi­nanten Sekten des Islam, Sun­niten und Schiiten, sowohl in der ara­bi­schen als auch in der per­si­schen Welt. Die Erfah­rungen, die meine Familie und die Men­schen um uns herum gemacht haben, haben mich so geprägt, dass es unvor­stellbar ist, nicht zu erkennen, wie gefährlich Scharia und isla­mis­tische Herr­schaft sein können. Daher war es meine Mission, diese grund­le­genden Pro­bleme, die in meinen Büchern erläutert wurden, anzu­gehen, in der Hoffnung, dass sie dazu bei­tragen könnten, einige Reformen innerhalb der Religion ein­zu­leiten. Muslime wie der ägyp­tische Prä­sident Abdel Fattah al-Sisi, Dr. M. Zuhdi Jasser und Salim Mansur, um nur einige zu nennen, haben sich eben­falls für eine Neu­in­ter­pre­tation ausgesprochen.
Was die Islam-Apo­lo­geten ver­stehen müssen, ist, dass ich und andere wie ich kein faus­ti­sches Geschäft abschließen werden, um vom Main­stream zu pro­fi­tieren und uns ihm anzu­passen. Es gibt einige Werte wie die Sen­si­bi­li­sierung und die Unter­stützung unter­jochter Frauen, die unter isla­mis­ti­scher Herr­schaft oft in vie­lerlei Hin­sicht effektiv ver­sklavt und gefoltert werden, die weitaus wich­tiger sind, als nur den per­sön­lichen Inter­essen zu dienen.
Ein wei­terer Zweck dieser Bot­schaften ist es, die Worte “der Westen” zu ana­ly­sieren. Es scheint, wenn Men­schen wie der isla­mische Pre­diger sagen, dass der Westen Dich mögen wird und Du mehr pro­fi­tieren wirst, wenn Du den Isla­mismus nicht kri­ti­sierst, dass dann “der Westen” nicht für alle Westler steht, sondern sich haupt­sächlich auf Insti­tu­tionen und Per­sön­lich­keiten der poli­ti­schen extremen Linken zu beziehen scheint. Diese extre­mis­ti­schen Muslime können sich auf Orga­ni­sa­tionen oder soziale Medien ver­lassen, die nicht über Fakten, sondern über Ideo­logie berichten. Sie scheinen die Dinge so anzu­gehen, wie sie es sich wün­schen, und nicht, indem sie sich Beweise ansehen. Leider sind viele dieser Uni­ver­si­täten, Insti­tu­tionen und Nach­rich­ten­portale zufällig die rie­sigen und domi­nanten im Westen.
Als ich zum ersten Mal in die USA kam, um während der Obama-Regierung mit einem Ful­bright-Sti­pendium zu unter­richten, war es fas­zi­nierend zu sehen, wie viele Insti­tu­tionen und Per­sön­lich­keiten Kritik am Islam weder gerne hören, noch darüber berichten. Dieses Phä­nomen schien einen abso­luten Dop­pel­standard zu reprä­sen­tieren. Während diese Westler mit ihrer scharfen Kritik an Reli­gionen wie Chris­tentum und Judentum völlig in Ordnung schienen, behan­delten sie den Islam nicht gleich. Es war ein Schock, recht schnell zu ent­decken, dass es akzep­tabel war, wenn sie ihre eigenen Reli­gionen kri­ti­sieren, es jedoch nicht in Ordnung ist, wenn ich meine kri­ti­siere. Es war nicht möglich, daraus einen Sinn zu machen.
Im Iran und in Syrien, wo ich auf­ge­wachsen bin, kann man ver­haftet, inhaf­tiert, gefoltert und sogar hin­ge­richtet werden, weil man etwas gesagt hat, was nicht positiv über die domi­nante Religion des Landes, den Islam, aus­sieht. Auf den ersten Blick schien für die­je­nigen, die den Islam refor­mieren wollten, der einzige Ort, dies zu tun, der Westen zu sein. Schließlich brüsten sich so viele poli­tische Führer immer wieder des Wertes der Mei­nungs- und Pres­se­freiheit. Wo sonst könnte eine Reform einer stark ein­ge­schränkten Religion stattfinden?
Wenn so etwas in einem Land ver­sucht würde, in dem das Scharia-Recht durch­ge­setzt wird, hätte man schwer­wie­gende Folgen zu erleiden, wenn man nur schon ver­suchen würde, die Religion zu kri­ti­sieren. Wir alle gingen davon aus, dass es hier im Westen sicher wäre, alles in Frage zu stellen und zu kri­ti­sieren. Statt­dessen ver­wenden so viele Insti­tu­tionen eine viel sub­tilere Methode, um Kritik zum Schweigen zu bringen. Zu diesen Methoden gehört es, jeden, der etwas im Ent­fern­testen Nega­tives über den Islam sagt — auch die­je­nigen, die kon­struktive Kritik und Reform­mög­lich­keiten anbieten — als “Isla­mo­phobie-för­dernd” zu bezeichnen.
Bitte akzep­tieren Sie einfach eine simple Bot­schaft: Wenn Sie denken, dass Kritik am Chris­tentum und am Judentum kon­struktiv ist und ein Weg zur Moder­ni­sierung und Schaffung von Reformen, dann wenden Sie bitte die gleiche Regel auf den Islam an.
Je mehr Sie kon­struktive Kritik am Islam ver­bergen oder igno­rieren, desto schwie­riger machen Sie es für Reformen und desto leichter machen Sie es mus­li­mi­schen Radi­kalen, sich durch­zu­setzen. Es gibt derzeit auf der ganzen Welt Gräu­el­taten, die jeden Tag im Namen des Islam begangen werden; Ihr Ziel sollte nicht sein, poli­tisch korrekt zu sein oder diese Religion heftig zu schützen, sondern ihre Ver­wun­deten zu heilen und denen Unter­stützung anzu­bieten, die die Miss­bräuche besei­tigen wollen. Das Ver­schleiern der oft unsäg­lichen Hand­lungen, zu denen die Scharia führen kann, wird nur die­je­nigen Men­schen befä­higen, die bös­willige Absichten haben, während sie die Schwächsten ihrer Grau­samkeit unterwerfen.
Wenn, wie Sie behaupten, Ihre Kern­werte die Wahrung der Mei­nungs­freiheit, der Pres­se­freiheit und der offenen Dis­kus­sionen über Chris­tentum und Judentum sind, sollten diese Werte auch für den Islam gelten. Unter­stützen Sie die Stimmen der­je­nigen, die das Scharia-Recht aus erster Hand erfahren haben, und fordern Sie Reformen.
Der Grund, warum ich die radi­kalen Ele­mente meiner Religion kri­ti­siere, ist nicht, weil ich Hass in meinem Herzen habe, sondern weil ich die­je­nigen schützen möchte, die von ihren Führern miss­braucht und ver­lassen wurden. Offenen Auges bin ich nicht bereit, mich vor der Wahrheit zu ver­stecken, egal wie groß der Nutzen oder Gewinn ist.
 


Majid Rafizadeh ist ein in Harvard-aus­ge­bil­deter Wis­sen­schaftler und Mit­glied des Advisory Board der Harvard Inter­na­tional Review, einer offi­zi­ellen Publi­kation der Uni­ver­sität Harvard.
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