Gehen wir elf Jahre zurück in der Zeit. Februar 2007. Wir sitzen mit hochkarätigen Journalisten, darunter Michael Spreng, an einem Tisch und der „plaudert aus dem Nähkästchen“. Es geht um DAS Thema: Friedrich Merz hat das Handtuch geworfen und zieht sich aus der Parteipolitik zurück. Jeder weiß, Merz ist das jüngste Opfer der Kanzlerin.

Der nächste, der in ihr Fadenkreuz rückte, war das nächste Großwild: CDU-Parteichef Wolfgang Schäuble, sie seine Generalsekretärin. Auch Herr Schäuble war in die Kohl‘sche Spendenaffäre verwickelt und damit angreifbar, was Frau Dr. Angela Merkel zu nutzen wusste. Mit der Unterstützung der Parteibasis konnte sie – ebenfalls im Jahr 2000, sozusagen in einem Aufwasch — den Parteivorsitzenden Schäuble verdrängen und selbst auf diesen Posten vorrücken. Sie wusste allerdings, dass jemand wie Wolfgang Schäuble so etwas nicht vergisst. Als er auf der Zielgeraden zum Bundespräsidenten war, fand Frau Merkel, dass ihr ein unfreundlich gesonnener Bundespräsident die weitere Karriere nicht leichter machen würde und wusste es zu verhindern – was die Parteifreundschaft der beiden nicht vertiefte.
Den Posten des Generalsekretärs der CDU nahm – nach Ruprecht Polenz — später Laurenz Meyer ein. Er bekleidete den Posten von 2000 bis 2004. Bei Frau Dr. Merkel hatte er gleich am ersten Tag bei Amtsantritt verschissen, heißt es. Er ahnte wohl, dass ein Posten in der Umgebung der Parteivorsitzenden Merkel ein Schleudersitz ist, und unter Anspielung auf seinen Vorgänger Ruprecht Polenz, der schon nach sieben Monaten aus der Kurve flog, versuchte Laurenz Meyer, der Parteivorsitzenden diskret zu drohen: „Ich habe eine viel stärkere Position als Polenz. Einen zweiten Missgriff können Sie sich nicht leisten.“ Sie konnte.
Er galt als Wirtschaftsexperte, brillanter Rhetoriker und Shooting Star der CDU: Friedrich Merz. Er war Fraktionschef der CDU und wollte eine „Steuerreform auf einem Bierdeckel“ entwerfen und machte sich schon Hoffnungen, einen Machtkampf mit Frau Dr. Merkel um den Parteivorsitz zu gewinnen. Das funktionierte nicht. Angela Merkel hielt dank Edmund Stoibers Unterstützung die Stellung und Friedrich Merz musste sich in die zweite Reihe zurückziehen. 2004 hatte er keine Lust mehr auf Machtspielchen und trat als Vizefraktionschef der CDU zurück. Er blieb noch ein paar Jahre Bundestagsmitglied, ab 2009 saß er auch nicht mehr im Bundestag.

Es folgten Günther Öttinger, Roland Koch, Christian Wulff. Und irgendwie auch die ganze SPD.
Zurück zum Journalistenstammtisch. Michael Spreng ist nicht irgendwer. Er war unter anderem auch Berater von Edmund Stoiber, Chefredakteur der „Bild am Sonntag“ und schreibt zu dieser Zeit als Kolumnist beim „Hamburger Abendblatt“.
Dass Friedrich Merz und Angela Merkel keine Freunde sind, ist ein offenes Geheimnis. Aber der ehemalige Stoiber-Wahlkampfberater war zu dem Zeitpunkt Insider und weiß ein bisschen mehr.
Als Fraktionschef Friedrich Merz nach der durchgestandenen Spendenaffäre bei dem CSU-Parteivorsitzenden Stoiber in München auftauchte, erfuhr er von diesem, er wolle nicht Kanzlerkandidat werden. Friedrich Merz in Hochstimmung beschloss, kraft eigener Selbstherrlichkeit, sich zum Kanzlerkandidaten der CDU/CSU-Fraktion zu küren, eilte stehenden Fußes zurück, teilte dies Frau Merkel mit und fragte sie dann:
„Aber Angela – was machst DU denn dann?“
„Mach Dir mal keine Sorgen“, entgegnete „Angela”.
Weiter schreibt Michael Spreng im Abendblatt:

Nur Friedrich Merz glaubte bis zum Wahlabend 2002 gemeinsam mit Stoiber, Merkels Karriere noch stoppen zu können — eine gewaltige Fehleinschätzung, geboren aus Überheblichkeit. Als ihm Stoiber, der von Merkel im Wahlkampf bis zur Selbstverleugnung unterstützt wurde, am Wahlabend 2002 sagte, dass er Merkels Griff nach dem Fraktionsvorsitz unterstützen werde, fiel Merz aus allen Wolken. So verlor Merz Amt und Einfluss. Und so wurden die beiden Rivalen zu Feinden.”
Der Verlierer der Fehde war also Friedrich Merz. Und so endet Michael Spreng seine Nähkästchen-Geschichte mit der Bemerkung: „Es ist die exemplarische Geschichte eines talentierten, aber überheblichen und eitlen Mannes, der eine listige, zielstrebige und uneitle Frau dramatisch unterschätzte.“
Friedrich Merz machte nach seiner Zeit als Mitglied des Bundestages in der freien Wirtschaft Karriere. Bereits 2016 wurde er Lobbyist von Blackrock, der weltgrößten Investmentfirma. Nicht, dass es ihm bis dahin langweilig gewesen wäre. Er hatte Posten genug: Aufsichtsrat der Deutschen Börse, Aufsichtsrat bei IVG Immobilien, dazu Beirat der Commerzbank sowie von Borussia Dortmund und Vorsitzender der Atlantik-Brücke. Die Atlantik-Brücke heißt nicht nur so, sie ist auch eine, denn wer darüber nach USA-Land gut vernetzt ist, der wird mit lukrativen Posten beworfen.
Man darf vermuten, dass er auf diesem Wege an die neu hinzugekommene Betätigung geriet. Er wurde Chefkontrolleur des Blackrock Asset Management Deutschland AG. Außerdem werde er noch eine „weiter gefasste Beraterrolle“ einnehmen, in der er „die Beziehungen mit wesentlichen Kunden, Regulierern und Regierungsbehörden in Deutschland für Blackrock fördern wird“. Sprich: Merz wird offenbar wichtiger Lobbyist des Investmentriesen in Deutschland. Mit starkem Rückenwind aus den USA von Atlantikbrücke und Co..

Frau Kramp-Karrenbauer hat in etwa das Format einer parteipolitischen Abrissbirne á la Andrea Nahles und würde die CDU möglicherweise noch schneller abwracken als Frau Merkel. Herr Laschet genießt das Image einer blutleeren Merkel-Marionette ohne eigene Persönlichkeit und Herr Spahn hat seine Zeit als Minister eifrig genutzt, um sein Image nach Kräften zu demolieren.
Aber das Leben ist voller Überraschungen.
Montag, der 29. Oktober 2018. Friedrich Merz leitet mittlerweile den Aufsichtsrat der deutschen Blackrock-Tochter und entfaltet dabei hohe Aktivität. Blackrock verwaltet weltweit mehr als sechs Billionen Dollar Anlagevermögen und sitzt bei allen großen Konzernen in Deutschland als Aktionär, oft als größter Aktionär mit drin. Friedrich Merz ist bestens verdrahtet hüben und drüben des Atlantiks. Er ist der Frontmann von Blackrock Deutschland. Er hat‘s geschafft.
Da erfährt er an diesem besagten Montag, dass Bundeskanzlerin Frau Dr. Angela Merkel den Parteivorsitz niederlegt. Fiel ihm vor Überraschung der Unterkiefer herunter oder war schon ein Vögelein über die Atlantikbrücke geflogen gekommen und hatte es ihm getwittert? Jedenfalls schreibt der Spiegel:
“Merz hatte am Montag — nur wenige Minuten, nachdem Kanzlerin Merkel ihren Rückzug als Parteichefin angekündigt hatte — durchblicken lassen, dass er selbst kandidieren will. Am Dienstag dann machte er seine Kandidatur offiziell.”

Bei Blackrock deutsch zeigt man sich konsterniert, wahrt aber die Façon.
“Man habe quasi erst in allerletzter Minute davon erfahren, dass sich ihr Frontmann auf einen Wechsel zurück in die Politik vorbereitet, heißt es nach SPIEGEL-Informationen in Blackrock-Kreisen. Dass Merz in den vergangenen Wochen immer wieder bei Parteifreunden die Erfolgschancen für eine Kandidatur abgeklopft hatte, hat beim Unternehmen offenbar niemand mitbekommen.” (Wochen vorher? Er scheint also doch schon was gewusst zu haben!)
“Jetzt geht es darum, ohne Gesichtsverlust auseinanderzugehen”, sagt ein Insider. Derzeit werde fieberhaft an einer Lösung gearbeitet. “Klar ist aber auch: Einen Weg zurück zu Blackrock gibt es nicht, wenn seine Kandidatur scheitert.”
Die Chancen für Friedrich Merz dürften nicht schlecht stehen, erst den Parteivorsitz zu übernehmen und von da aus den Sprung ins Kanzleramt zu wagen. Sollte ihm das gelingen, dürfte das der Triumph seines Lebens sein. Für Deutschland würde es eine noch engere Anbindung an die USA und die Kreise bedeuten, die uns als Atlantikbrücke, Council on Foreign Relations, Trilaterale Kommission usw. bestens bekannt sind: Wieder ein Kanzler der Aliierten.
























