Wie sym­bo­lisch! Bun­des­tags­neubau droht Abriss wegen gra­vie­render Baumängel

Seit einiger Zeit ver­wirrt ein unheim­liches Phä­nomen die Ein­wohner von Berlin-Dahlem. Ein unde­fi­nier­bares Wummern und Surren scheint aus dem Unter­grund zu dringen. Erst vor kurzem kamen Experten dem Mys­terium auf die Spur: Zentrum dieser rät­sel­haf­ten­Vi­bra­tionen ist das Grab von Marie-Eli­sabeth Lüders, die sich mit einer unglaub­lichen Geschwin­digkeit im Grabe her­um­dreht, ja, geradezu in Hochfrequenz-Rotation.
Der Gund dafür ist leicht zu finden. Das 200 Mil­lionen teure Marie-Eli­sabeth-Lüders Haus im Ber­liner Regie­rungs­viertel ist gerade erst einmal 15 Jahre alt und schon abrissreif. Gerade für die Namens­ge­berin der sünd­teuren Bruchbude muss das uner­träglich sein. War sie doch die erste Frau, die in Deutschland zur Dr. rer. pol. pro­mo­viert wurde und überdies von 1919 ab Mit­glied in der ver­fas­sungs­ge­benden Ver­sammlung und von 1924 bis 1930 Mit­glied des Reichs­tages. Stets kämpfte sie für die Gleich­be­rech­tigung der Frau und gründete bereits 1909 einen „Verband für hand­werks­mäßige und fach­ge­werb­liche Aus­bildung der Frau“.
Und nun ist das Regie­rungshaus, was die Krönung ihres Andenkens sein sollte, eine hand­werklich und fach­ge­werblich der­maßene Fehl­kon­struktion und anscheinend so schlampig gebaut, dass es 15 Jahre nach Schlüs­sel­übergabe abge­rissen wird, weil eine Sanierung wahr­scheinlich viel zu teuer und der Erfolg ungewiss ist.
Wasser dringt durch große Risse in der Boden­platte. Man könnte die Risse viel­leicht auf­wändig schließen, doch dann sucht sich das Wasser sehr wahr­scheinlich seinen Weg durch die vielen klei­neren Risse nach oben, denn der Druck muss sich ja wei­terhin ent­laden. Ein ständig feuchtes Gebäude kann aber nur durch intensive Gegen­maß­nahmen vor dem Schimmeln bewahrt werden und wird auch instabil.
Wolfgang Kubicki, Bun­des­tags­vi­ze­prä­sident und Vor­sit­zender der Bau­kom­mission des Par­la­ments meint zwar, dass das Gebäude viel­leicht doch saniert werden könne, aber es werde „ein Wackel­kan­didat bleiben, auf den man auf­passen“ müsse.
Wie sym­bo­lisch dieser Sach­verhalt doch zeigt, dass das Fun­dament der Deut­schen Regierung voll­kommen marode und durch tiefe Risse unbrauchbar ist und dass die ganze vor­geb­liche Pracht und Herr­lichkeit des Überbaus auf eine zer­fal­lende, instabile Grundlage auf­gebaut ist. Etwa zwei Jahre nach Fer­tig­stellung des Baus wurde Frau Dr. Angela Merkel Kanz­lerin. Und jetzt, wo sie jeden Rückhalt ver­loren hat und sowohl ihren Par­tei­vorsitz nie­der­legen musste, wie auch ihre Kanz­ler­schaft spä­testens 2021, wird auch das Marie-Eli­sabeth-Lüders Haus durch die Abriss­birne dem Boden gleich­ge­macht. Bei beiden ist eine Sanierung nicht sinnvoll. Die Bun­des­kanz­lerin und das Marie-Eli­sabeth-Lüders Haus im glän­zenden Auf­stieg und elenden Zerfall vereint. Man könnte glatt poe­tisch werden.

Ver­ant­wortlich für die Regie­rungs­ge­bäude ist das Bun­desamt für Bau­wesen und Raum­ordnung. Die Bun­des­tags­ver­waltung hat, so schreibt der Spiegel, jenem Amte ein „mise­rables Zeugnis“ aus­ge­stellt, aller­dings nur in einem intern kur­sie­renden Papier.

Sämt­liche Bauten, die sie für den Bun­destag rea­li­sieren, dauern demnach zwi­schen drei und acht Jahre länger als geplant. Und sie werden deutlich teurer, kosten bis zu 55 Prozent mehr.“ Das Urteil der Bun­des­tags­ver­waltung: Das Bun­des­bauamt müsse “ent­lastet” werden und zwar “in erheb­lichem Umfang”.

Dabei geht es nicht nur um besagtes Marie-Eli­sabeth-Lüders Haus, sondern auch um die anderen zwei Regie­rungs­ge­bäude. Auf seiner Web­seite feiert der Deutsche Bun­destag die drei Gebäude in fein­zi­se­lierter Lyrik. Hier der Text zum Ensemble der drei aus­ge­fallen gestal­teten Gebäude Paul-Löbe-Haus, Bun­des­kanz­leramt und Marie-Eli­sabeth-Lüders Haus:

Das Marie-Eli­sabeth-Lüders-Haus ist der dritte Par­la­ments­neubau an der Spree und wurde im Dezember 2003 mit der fei­er­lichen Schlüs­sel­übergabe ein­ge­weiht. Es voll­endet das “Band des Bundes”, das mit dem von Axel Schultes ent­wor­fenen Bun­des­kanz­leramt beginnt. Das Band wird durch eine Frei­fläche unter­brochen, da das Bür­ger­forum nicht gebaut wurde. Es setzt sich jedoch mit dem Paul-Löbe-Haus (PLH) fort und findet mit dem Marie-Eli­sabeth-Lüders-Haus (MELH) seinen Abschluss.
Die Brücke zwi­schen den beiden Par­la­ments­bauten PLH und MELH, schließt die Ver­bindung zwi­schen West und Ost. Der Architekt der beiden Häuser, Stephan Braunfels, nennt es den “Sprung über die Spree”. Das Marie-Eli­sabeth-Lüders-Haus überbaut den ursprüng­lichen Verlauf der Ber­liner Hin­ter­land­mauer. In einem öffentlich zugäng­lichen Mau­er­mahnmal sind Seg­mente dieser Mauer wieder an ihrem ursprüng­lichem Ort aufgebaut.“
Viel­leicht hätten die Archi­tekten und Bau­firmen schlicht etwas weniger Poesie und dafür etwas mehr Hand­werks­kunst an der Spree betreiben sollen. Und ist es nicht hübsch? Das vor­ge­sehene “Bür­ger­forum” wurde gar nicht erst gebaut. Der Bürger ist in all der brö­selnden Pracht nicht erwünscht.
Der gar wun­der­baren Worte und hehrster Ziele sind wir, das Volk, weidlich über­drüssig geworden, ver­ehrte Regie­renden, denn die so hoch­ge­prie­senen Werke Eures Geistes und Eurer Pläne und Taten erweisen sich zuver­lässig nach kür­zester Zeit als teurer Tand und Ruinen.
Abriss­birne ist die erste gute Idee.