Arbeit­ge­ber­prä­sident jubelt: „Wir schaffen das“ ist ein­ge­troffen! Flücht­linge sind „Stützen der Wirtschaft“

Am Freitag ver­kündete der Focus eine zur Weih­nachtszeit pas­sende „frohe Botschaft“:
Die Inte­gration der Flücht­linge in Deutschland läuft nach Ansicht von Arbeit­geber-Prä­sident Ingo Kramer deutlich erfolg­reicher als ange­nommen. ‘Von mehr als einer Million Men­schen, die vor allem seit 2015 nach Deutschland gekommen sind, haben heute bald 400.000 einen Aus­bil­dungs- oder Arbeits­platz’, sagte Kramer der ‘Augs­burger All­ge­meinen’ vom Freitag. Bun­des­kanz­lerin Angela Merkel (CDU) habe mit ihrem Satz ‘Wir schaffen das’ Recht behalten.“
Da staunt der infor­mierte Bun­des­bürger, liest er doch immer wieder, dass nur wenige Migranten über­haupt für beruf­liche Ein­glie­derung geeignet seien. Dass die meisten, die irgendwo eine Arbeit beginnen, schon nach kurzer Zeit abbrechen, weil es ihnen zu schwierig und zu stressig ist, weil sie das frühe Auf­stehen nicht gewohnt sind, weil sie wesentlich mehr Lohn erwartet hätten… alles gar nicht wahr?
Wenden wir uns doch erst einmal den Zahlen zu. Dabei nehmen wir die offi­zi­ellen Zahlen, die wahr­scheinlich schon geschönt sind, wie alle Sta­tis­tiken, aber die dann wenigstens unan­greifbar sind. Für Inter­es­sierte: Die Quellen stehen unter dem Beitrag.
Zur Zeit sollen es etwa 1,5 Mil­lionen Flüchtlinge/Migranten/Asylanten in Deutschland sein. Davon sollen 400.000 einen Aus­bil­dungs­platz oder einen Arbeits­platz haben. Bei den 1,5 Mil­lionen handelt es sich aus­schließlich um alle jene, die den Behörden bekannt sind, ob Gedulder, Antrags­steller oder anerkannt.
Zuerst einmal stellen wir fest, dass im Januar 2018 ganze 951.103 davon — also fast eine Million — Hartz IV-Emp­fänger waren. Die neueste Zahl dürfte im Januar 2019 noch höher liegen:
 

 
Dazu kommen 194.632 Arbeitslose. Das macht zusammen 1.145.735 Ein­wan­derer (In Worten: Eine Million-Ein­hun­der­fünf­unfvier­zig­tausend-Sie­ben­hun­der­fünf­und­dreißig), die Hartz IV oder Arbeits­lo­sengeld empfangen.
Im Dezember 2017 zählten nämlich knapp 243.000 in Wirk­lichkeit arbeitslose Flücht­linge nur darum nicht als arbeitslos, weil sie an „arbeits­markt­po­li­ti­schen Maß­nahmen“, wie Deutsch­kurse, teil­nahmen, krank­ge­schrieben waren — oder auf­grund ihres Alters nicht mehr als arbeitslos galten. Diese Per­sonen sind daher nicht in der Zahl der Arbeits­lo­sen­sta­tistik, jedoch in der Unter­be­schäf­ti­gungs­sta­tistik ent­halten. Die Zahl der Unter­be­schäf­tigten lag im Dezember 2017 bei knapp 414.000 Per­sonen und damit fast zwei­ein­halbmal so hoch wie die offi­zielle Zahl der Arbeitslosen.
 

 
Migranten in sozi­al­ver­si­che­rungs­pflich­tiger Beschäf­tigung gab es im Januar 18 genau 180.065 (in Worten Ein­hun­dert­acht­zig­tausend-Fünf­und­sechzig) das sind etwa 15% der Migranten. Ein großer Teil davon war schon vor 2015 hier, und das waren keine Flücht­linge. Dass sich die Zahl der Sozi­al­ver­si­che­rungs­ver­pflich­teten bis heute mehr als ver­doppelt haben soll, ist schwer vor­stellbar. Und selbst wenn, wäre die Belastung der Sozi­al­kassen immer noch gigan­tisch höher, als die ent­rich­teten Sozi­al­ab­gaben der Beschäf­tigen unter den Flücht­lingen, die hineinfließen.
Das Zah­lenwerk bildet nur Aus­länder mit einer Auf­ent­halts­ge­stattung, einer „Auf­ent­halts­er­laubnis Flucht“ und einer Duldung ab. Flücht­linge mit „Nie­der­las­sungs­er­laubnis“ (nach drei bis sieben Jahren Auf­enthalt in Deutschland), sind darin auch nicht ent­halten. Ebenso werden nach­ge­zogene Fami­li­en­an­ge­hörige nicht berück­sichtigt, beziehen aber durchaus auch Unterstützungsleistungen.
Die Kosten für Unter­bringung in kom­mu­nalen Ein­rich­tungen, Gesund­heits­für­sorge, Kurse und Wei­ter­bil­dungen, usw. sind nicht berück­sichtigt in der Kos­ten/­Nutzen-Rechnung. Die oben genannten, in den Zahlen nicht ent­hal­tenen Per­sonen kommen noch dazu. Mit anderen Worten, auch der Nutzen, den die arbei­tenden Zuwan­derer der Wirt­schaft bieten, wiegt die Nach­teile und Kosten bei weitem nicht auf. (Zahlen zur Arbeits­lo­sigkeit und zu Unter­be­schäf­tigung: Sta­tistik der Bun­des­agentur für Arbeit (BA) zu „Per­sonen im Kontext von Flucht­mi­gration“.)
Die For­mu­lie­rungen des Herrn Arbeit­ge­ber­prä­si­denten Ingo Kramer sind geschickt gewählt:
„‘Die meisten jungen Migranten können nach einem Jahr Unter­richt so gut Deutsch, dass sie dem Berufs­schul­un­ter­richt folgen können’, sagte Kramer. Die große Mehrheit der erwerbs­tä­tigen Flücht­linge arbeite in sozi­al­ver­si­che­rungs­pflich­tiger Beschäf­tigung und sei damit inte­griert. ‘Viele Migranten sind eine Stütze der deut­schen Wirt­schaft geworden’, betonte der Arbeit­ge­ber­prä­sident. ‘Wir dürfen keine Angst vor Zuwan­derung haben, sondern müssen Men­schen, die zu uns kommen und hier arbeiten, als Berei­cherung sehen.’“ 
Erst einmal spricht er nur von den Migranten, die ein Jahr Deutsch­un­ter­richt durch­halten. Und dann sind es nur die, die davon gut genug Deutsch können, um dann einem Berufs­schul­un­ter­richt über­haupt folgen zu können.
Dann ist es nur die Mehrheit der erwerbs­tä­tigen Flücht­linge, die in sozi­al­ver­si­che­rungs­pflich­tigen Beschäf­ti­gungen arbeitet.
Auch bei aller­freund­lichster Betrachtung kommt man nur dann auf eine Zahl von ca. 400.000 „Stützen der Wirt­schaft“, wenn man die „Unter­be­schäf­tigten“, also die mit Aus­bildung, Sprach­kursen und „arbeits­markt­po­li­ti­schen Maß­nahmen“, mit ein­rechnet. Das ist aber eine höchst unse­riöse, eigentlich betrü­ge­rische Rechnung, denn diese sind nicht pro­duktiv und zahlen nicht in die Kassen ein, sondern kosten nach wie vor viel Geld. Man will ganz offen­sichtlich die Wer­be­trommel rühren, um im Sinne des Welt­wirt­schafts­forums die globale Agenda der weltweit migrie­renden Dum­pinglohn-Wan­der­ar­beiter zu befördern.
Die meisten Mit­tel­ständler seien nach wie vor auf der Suche nach Mit­ar­beitern und Fach­kräften, die die Ein­wan­derung bringen soll, meint der Herr Arbeitgeberpräsident.
Der Mit­tel­stand sieht sich eher von der Politik voll­kommen im Stich gelassen. Während das Internet voll ist von Jubel­mel­dungen über Inte­gration der Flücht­linge auf dem Arbeits­markt, muss man schon suchen, um die Wahrheit zutage zu fördern.
So schreibt die Wirt­schafts­woche unter dem Titel „Warum 90 Prozent der Firmen keine Flücht­linge einstellen“:
Doch die Euphorie der Wirt­schaft ist längst ver­flogen, und das Enga­gement vieler Dax-Unter­nehmen bleibt höchst bescheiden, wie Anfragen der Wirt­schafts­Woche bei den 30 größten Kon­zernen ergeben. Der Siemens-Konzern will 2016 zumindest Praktika für 166 Flücht­linge anbieten. Soft­ware­riese SAP erklärt, 64 Prak­ti­kanten und zwölf Azubis anzu­heuern. Auto­gigant Daimler gewährt 300 Asyl­be­werbern ein Prak­tikum und 50 zusätz­liche Lehr­stellen. Che­mie­riese BASF hat 53 soge­nannte ‘För­der­plätze’ ver­geben. Andere Kon­zerne mochten sich auf Nach­frage nicht zu Flücht­lingen als Beschäf­tigte äußern.“
Neben büro­kra­ti­scher Über­re­gu­lation beklagen viele, am „am schwie­rigsten sei aber, dass viele Flücht­linge kaum Deutsch könnten (76 Prozent) und eher schlecht aus­ge­bildet seien (49 Prozent).“
Die Zeit schreibt:
„ …Demnach waren knapp 300.000 Geflüchtete im Juni als arbeits­su­chend gemeldet, obwohl es zeit­gleich rund 665.000 offene Stellen in Deutschland gibt. 
Als Gründe dafür bieten sich fol­gende Zahlen an: Drei­viertel der Geflüch­teten haben laut BA keine abge­schlossene Berufs­aus­bildung. Rund 37 Prozent nicht mal einen Schul­ab­schluss. Daher eignen sich 58 Prozent von ihnen nur für Hilfs­tä­tig­keiten, lautet das Fazit. Der Großteil der Men­schen, von denen sich Öko­nomen noch im Herbst erhofften, sie würden den Fach­ar­bei­ter­mangel in Deutschland beheben, scheint also zu wenig qualifiziert.“ 
Ob der Herr Arbeit­ge­ber­prä­sident Ingo Kramer auch bis­weilen mal mit den Betrieben Kontakt hat?
 
Quellen:
http://www.o‑ton-arbeitsmarkt.de/o‑ton-news/fluechtlinge-am-arbeitsmarkt-was-die-arbeitslosenzahl-verschweigt
Bun­des­agentur für Arbeit, Migra­tions-Monitor Arbeits­markt – Eck­werte (Deutschland, Länder), März 2018.
Bun­des­agentur für Arbeit, Migra­tions-Monitor: Per­sonen im Kontext von Flucht­mi­gration – Deutschland, Länder, Kreise, Agen­turen für Arbeit und Job­center (Monats­zahlen), März 2018, Tabelle 7.
O‑Ton Arbeits­markt, Migranten am Arbeits­markt: Immer mehr Beschäf­tigte – und immer mehr Hartz-IV-Bezieher, 09.10.2017.
O‑Ton Arbeits­markt, Was die offi­zielle Arbeits­lo­senzahl ver­schweigt: 3,42 Mil­lionen Men­schen ohne Arbeit, 29.03.2018.
Sell, Stefan, Arbeits­markt­ent­wicklung – scheinbar alles gut. Und wo bleiben die Flücht­linge? , 30.09.2017.