Donald Trump, Bildquelle: Wikimedia Commons, Gage Skidmore, Bildlizenz: CC-BY-SA 2.0

Bör­sen­crash: Wenn die Gurus schweigen – Wie sich poli­tisch Kor­rekte an der Börse selbst schaden

Bin dabei, wenn ich keine Nach­teile habe — diese (rationale) Ver­hal­tens­weise ist ein alter Hut. An der Börse scheint es davon heute auf­fällige Aus­nahmen zu geben. Wie man das Phä­nomen, ohne in die Depots der Betrof­fenen schauen zu können, fest­stellen kann, zeigen nach­fol­gende Beispiele.

Das normale Bör­sen­ver­halten in poli­ti­schen Krisenzeiten

„Poli­tische Börsen haben kurze Beine“ — heißt eine alte Ver­hal­tens­weisheit der Bör­sianer. Profis halten sich aus der Bewertung poli­ti­scher Vor­gänge — sofern diese nicht die Wirt­schafts­po­litik (z.B. Steuern) betreffen — heraus. Oft kann es hier Inter­es­sens­kon­flikte geben. Was poli­tisch schlecht ist (Regie­rungs­krisen, Kriege), kann für die Börse gut sein. Auch sind die insti­tu­tio­nellen Bör­sianer (Invest­mentbank, Ana­lysten, Fonds, Ver­mö­gen­ver­walter) gut beraten eigenen Regie­rungen nicht in die Quere zu kommen und z.B. Gesetze oder Maß­nahmen (Migra­ti­ons­po­litik) zu kritisieren.

Immer mehr „Demo­kra­tie­ver­tei­diger“ erlauben sich Börsen- und Wirtschaftsbewertungen

Beim heu­tigen Auf­ein­an­der­prallen der „Popu­listen“ (die Bösen) und der „Demo­kra­tie­ver­tei­diger“ (die Guten) fällt die stei­gende mora­lische Bewertung von Wirt­schafts­vor­gängen (CO2, Atom­energie, Klima) durch die echten und ver­meint­lichen Gut­men­schen auf. Peinlich war in diesem Kontext zuletzt die Ein­mi­schung von DAX-Bossen, die plötzlich für das mer­kelsche Migra­ti­ons­aben­teuer Partei bezogen haben. Kein Wunder, wenn auch ange­sehene For­schungs­in­stitute (Ber­telsmann Stiftung, DIW, IdW) mit zwei­fel­haften Migra­ti­ons­thesen (Migranten bringen Wachstum, sie schließend unsere Renten- und Fach­ar­bei­ter­lücken, EU-Grenz­kon­trollen bringen Kon­junk­tur­chaos) hier mitjonglierten.

Bei­spiel 1: Der Vor­sprung der „popu­lis­ti­schen Börsen“ wird verschwiegen

Seit der EU-Grenz­öffnung in 2015 sind 3 Jahre ver­gangen. In dieser Zeit haben sich die Akti­en­märkte in popu­lis­tisch-auto­kra­ti­schen Ländern (USA, Ungarn, Öster­reich, Bal­tikum, China, Russland, Türkei) besser als in den „demo­kra­ti­schen“ Ländern, wie in Deutschland, ent­wi­ckelt. Der Vor­sprung vom Juni 2018 blieb auch nach sieben Monaten erhalten. Viel­leicht liegt die Ursache dafür im Ver­trauen des Kapitals in Regie­rungen die keine teuren „Migra­ti­ons­expe­ri­mente“ wagen? Wer also aus mora­li­schem Prinzip nicht in Popu­listan inves­tiert hatte, machte einen Fehler.

Bei­spiel 2: Rea­li­täts­ver­wei­gerung beim Ursachen-Check

Trump, Brexit und Italien sind die Haupt­schul­digen für die Bör­sen­misere, nicht aber die rea­li­täts­fremde EU und die GroKo. — so die offi­zielle Lesart. Das wäre zu einfach. Denn die Märkte ver­lieren zuse­hends Ver­trauen an den Euro, Target 2, Grie­chen­lands Schul­den­dienst oder an den Slogan „Wir schaffen das!“. Den Pri­vat­an­leger trifft auch die Schuld. Er hat sich nicht die Mühe gemacht nach­zu­denken, ob die pau­sen­losen Regel­brüche der Wirt­schaft irgendwann nicht zu viel werden. Anleger die Phrasen von der „boo­menden deutsche Kon­junktur“ unkri­tisch hin­nahmen und „popu­lis­tische Warn­hin­weise“, wie das Fla­schen­sammeln der Rentner igno­rierten, sind von der Börse zu Recht bestrafft worden.

Bei­spiel 3: Prof. Otte: „Ein popu­lis­ti­scher Ver­mö­gens­ver­walter“ muss boy­kot­tiert werden!

In die ntv-Tele­börse werden häufig poli­tisch kor­rekte Experten ein­ge­laden, die das übliche Manna über den Crash her­un­ter­beten, schon einen Namen haben und ansonsten nicht — wie Dirk Müller („Mister Dax“) oder Max Otte („Bör­sen­pro­fessor“) — auf­ge­fallen sind. Sind die Gäste abhängige Bank­ana­lysten, tun sie nicht nur ihren Job (Robert Halver & Co., Baader Bank, sondern pflegen auch die eigene Eitelkeit. Sind sie dagegen selb­ständige Ver­mö­gens­ver­walter (Dr. Zschaber & Co) werden diese Herren wohl in erster Linie an Kun­den­ge­winnung denken und wie sie sich vor der Kamera anstellen müssen, um noch einmal ein­ge­laden zu werden. Von solchen ntv-Experten werden die Pri­vat­an­leger keine War­nungen erhalten.

Nicht ein­ge­ladene Fach­leute, wie der Fonds­ma­nager Prof. Dr. Otte werden dagegen „draußen“ boy­kot­tiert und auch kör­perlich bedrängt, wenn sie es wagen öffent­liche Vor­träge zu halten. Otte bildet hier keine Aus­nahme. In Schutz nehmen die boy­kot­tierten Kol­legen unsere ntv-Stars nicht. Wenigstens einmal des Skandals wegen, sollten sie es aber tun und nicht immer an sich und die fol­gende Ein­ladung denken. Mit dem ntv hätten sie das richtige Forum.

Bei­spiel 4: Kölner Pen­si­ons­fonds auf Nach­hal­tigkeit getrimmt, Kirchen des Erz­bistums inves­tieren dagegen „unethisch“

Es gibt noch eine vierte Kate­gorie der bör­sen­schäd­lichen Sturheit, wenn Anleger glauben an der per se unmo­ra­li­schen Börse mora­lische Anlagen, — die sie als solche glauben iden­ti­fi­zieren zu können, — gefunden zu haben. Es geht hierbei nicht um den Boykott von Trump- oder Orban-Aktien, sondern um die Titel der Rüs­tungs­aktien oder der Tabak-Aktien, also generell um Aktien der „unethi­schen Wirtschaftsunternehmen“.

Dagegen sollten Anteil­scheine der „ethi­schen Wirt­schafts­un­ter­nehmen“ (Öko & Co.), wie die von Her­stellern erneu­er­barer Energien, Kli­ma­schutz­an­lagen oder Land­wirt­schaft gekauft werden. Dagegen wird niemand etwas haben. Da es aber schwierig zu unter­scheiden ist, was nun bör­sia­nisch gut und was schlecht ist, ver­stecken sich die Fonds­an­bieter — die längst das Geschäft gerochen haben — hinter dem nicht geschützten Ter­minus Nach­hal­tigkeit und bieten den Gut­gläu­bigen mas­sen­weise „ethische Anla­geware“ an. Egal wie hoch die Ver­luste sind, — der Pleite gegangene Solar­zel­len­an­bieter Solar­World mahnt — Haupt­sache ich inves­tiere in mein Gewissen, bin dabei und inves­tiere und handle nach­haltig und ethisch — wird sich so mancher freuen.

Mit Erstaunen erfuhr ich in der Rede des Käm­merers von Köln, das jetzt auch das Pen­si­onsgeld der Dom­stadt-Ange­stellten in nach­haltige Fonds, die der Kirchen dagegen in unethische Private-Equity-Betei­li­gungs­fonds angelegt werden sollen. Werde da einer schlau! Welche Rendite die beiden zu erzielen ver­mögen, lässt sich schlecht sagen. Schlimm ist dabei nur, — das darf wohl gesagt werden — dass fremdes Geld nach poli­ti­sierten Kri­terien inves­tiert wird, leider oft ohne eigene Sach­kenntnis und auf Anraten der befan­genen Banken.

Dog­ma­tiker, Heuchler oder einfach nur arme Familienväter

Was lernen wir daraus? Auch Bör­sianer sind nur Men­schen, die nicht vor­ur­teilsfrei handeln und tag­täglich von Sach­zwängen getrieben werden. Es gibt unter ihnen die unbe­lehr­baren Dog­ma­tiker, die auf den eigenen Vorteil Bedachten und last but not least ein­fache Fami­li­en­väter, die nur ihren Job erle­digen und für die lieben Familie sorgen. Oder meinen Sie etwa ein Anla­ge­be­rater, der, so lange es geht, eine rück­sichtslose „Gebüh­ren­ma­xi­mierung“ für seine Bank betreibt, es immer nur aus eigenem Antrieb macht?


Dr. Viktor Heese – Finanz­analyst und Fach­buch­autor; www.prawda24.com, www.finanzer.eu