WORLD ECONOMIC FORUM/swiss-image.ch/Photo Michele Limina - CC BY-NC-SA 2.0

Wie die Medien ver­suchen, aus dem neo­li­be­ralen Macron einen sozialen Wohl­täter zu machen

Es ist beein­dru­ckend, wie die Presse über Macron berichtet. Nicht die Unzu­frie­denheit der Fran­zosen ist der zen­trale Punkt, sondern der „gute“ Macron. Er ist immer noch der Medi­enstar, obwohl seine Politik vom Volk zu inzwi­schen fast 80% abge­lehnt wird.

Wie die Presse die Meinung beein­flussen will, ist immer wieder spannend. Da macht ein Macron eine Politik gegen sein Volk und er ist der Medi­enstar. Ein Putin sorgt dafür, dass es seinem Volk besser geht und er ist der Buhmann. Oder ein Trump, den ich nicht allzu gut finde, erfüllt seine Wahl­ver­sprechen, das geht natürlich gar nicht.

Wobei: Auch Macron erfüllt seine Wahl­ver­sprechen, er hatte seine unso­ziale Politik ange­kündigt. Aber die Fran­zosen hatten so die Nase voll von den eta­blierten Par­teien, dass sie eine Ver­än­derung wollten. Da fanden sie den jungen Sun­nyboy wohl so sym­pa­thisch, dass sie gar nicht zugehört haben, was er poli­tisch ange­kündigt hat.

Macron hat einer­seits die Reichen durch Abschaffung der Ver­mö­gens­steuer massiv ent­lastet und gleich­zeitig Steuern und Abgaben für die ein­fachen Leute massiv erhöht. Da ist den Fran­zosen der Kragen geplatzt. Im Gegensatz zu den Deut­schen reicht es nicht, wenn neo­li­berale „Experten“ ihnen in Talk­shows erzählen, dass das nun mal sein muss.

Nun hat Macron einen Bür­ger­dialog begonnen, wobei er aber keine Bürger getroffen hat, sondern Bür­ger­meister. Man könnte sagen, er hat wohl Angst vor seinen Bürgern und trifft daher die Bür­ger­meister. Man könnte aber auch sagen, dass das durchaus intel­ligent ist, denn wenn er die Bür­ger­meister für sich gewinnt, besteht die Chance, dass sie den Dialog als Mul­ti­pli­ka­toren in die Gemeinden tragen und die Lage entschärfen.

Nur ob das reichen wird, während gleich­zeitig nach den Fei­er­tagen die Bewegung der Gelb­westen wieder Fahrt aufnimmt?

Spannend ist nun, wie der Spiegel darüber berichtet. Er führt sich regel­recht als Sprachrohr Macrons auf, denn er über­nimmt die For­mu­lie­rungen Macrons vom „sozialen Bruch“ oder schreibt: „Besonders die Mit­tel­schicht würde die Rechnung für die Krisen der ver­gan­genen Jahre zahlen, sagte Macron.“

Macron der Ver­ständ­nis­volle, soll beim Leser ankommen. Dass die Mit­tel­schicht nicht für die Krisen der Ver­gan­genheit zahlt, sondern nur für die Politik Macrons zahlen soll, das wird ausgeblendet.

Und anstatt auf die For­de­rungen der Demons­tranten ein­zu­gehen, zeigt der Spiegel Ver­ständnis für Macron: Die Bewegung der Gelb­westen „gilt als bislang größte Her­aus­for­derung für den jungen Staatschef. Die “Gelb­westen” wenden sich gegen die Reform­po­litik der Mitte-Regierung, einige fordern auch den Rück­tritt Macrons. Immer wieder kam es in den ver­gan­genen zwei Monaten zu Ausschreitungen“

Hier ist gut zu sehen, wie subtil dabei gear­beitet wird. Ein „junger Staatschef“, das klingt sym­pa­thisch, „Reform­po­litik“, das klingt auch gut und natürlich redet der Spiegel von einer „Mitte-Regierung“, denn wir haben ja zwanzig Jahre gelernt, dass die poli­tische Mitte gut ist und damit Macron schon quasi einer von uns. Im Gegensatz zum auf diese Weise zum Sym­pa­thie­träger ver­klärten Macron, wird über die Gelb­westen nur im Zusam­menhang mit Aus­schrei­tungen berichtet, sie sind also die Unsym­pa­thi­schen im Spiegel.

Das ist psy­cho­lo­gisch geschickte Mei­nungs­mache, indem der Spiegel mit den beiden Par­teien ein­deutige Emo­tionen ver­knüpft: Macron ist jung und macht Reformen für die Mitte, die Gelb­westen machen Randale. So kommen diese For­mu­lie­rungen im Unter­be­wusstsein des Lesers an.

Aber wie sieht es mit der Rea­lität aus? Macrons „Reformen“ gehen ein­seitig zum Vorteil der Reichen im Land und zu Lasten der Mit­tel­schicht. Das kann man gut finden, aber es ist kaum so, dass die Mitte es gut findet, wenn alles zu ihren Lasten geht. Ergo ist Macron wohl kaum jemand aus der Mitte.

Und die Gelb­westen? Sie sind in ihrer Mehrheit friedlich, letztes Wochenende waren 80.000 auf den Straßen und einige hundert haben tat­sächlich ran­da­liert. Aller­dings sind bei solchen Demos die Chaoten immer dabei, das lässt sich nicht ver­hindern. Aber sie sind in Frank­reich eine sehr kleine Min­derheit, auch wenn die Presse fast nur über sie berichtet.

Aber die subtile Mei­nungs­mache im Spiegel ist damit nicht vorbei: „Im Streit um die Ver­mö­gen­steuer signa­li­sierte Macron Gesprächs­be­reit­schaft. Die Frage sei für ihn “weder ein Tabu noch ein Totem”, sagte der sozi­al­li­berale Staatschef.“

Hier bringt der Spiegel es fertig, nur mit For­mu­lie­rungen alles zu ver­drehen. Macron ist angeblich bereit, über die Ver­mö­gens­steuer zu reden (obwohl er genau das immer abge­lehnt hat) und natürlich ist er nun für den Spiegel ein „sozi­al­li­be­raler Staatschef“.

Klingt super, aber welche von seinen Maß­nahmen war sozial? Ich kann mich an keine erinnern und frage mich, wie der Spiegel zu dieser Bezeichnung für einen neo­li­be­ralen Hard­liner kommt.

Aber klingt alles ganz sym­pa­thisch im Spiegel, man darf es nur nicht hinterfragen.

Nachtrag: Es gibt immer mehr aktuelle Mel­dungen, dass in Frank­reich die Polizei mit G36 Gewehren aus­ge­rüstet wird, die nicht mit Gum­mi­ge­schossen, sondern mit scharfer Munition geladen werden. Das ist nichts, was die Gelb­westen beru­higen wird, eher im Gegenteil. Trotz der vielen Mel­dungen und Videos auf Youtube über Poli­zei­gewalt bei den Demos, haben bisher nur noch mehr Wider­stand und stei­gende Zahlen von Demons­tranten pro­vo­ziert. Man möchte sich nicht vor­stellen, was pas­siert, wenn die Polizei tat­sächlich beginnt, auf Demons­tranten zu schießen.

Dazu passt, dass der ehe­malige fran­zö­sische Minister für Jugend und Kultur den Einsatz von scharfer Munition gefordert hat.

Aber all dies findet sich in den Artikeln, die der Spiegel über den sozialen Macron schreibt.