Was man wirklich von Umfragen, Sta­tis­tiken, Beratern und Gut­achten halten darf

Eine Analyse von Albrecht Künstle

  1. Mei­nungs­um­fragen

Die DDR scheint wie­der­auf­er­standen – als Deutsche Demo­sko­pische Republik. Mei­nungs­um­fragen wurden Mittel der Politik; sie dienen meist dazu, Meinung zu machen, nicht diese zu ergründen. So ist es auch nicht ver­wun­derlich, dass, selbst wenn man einen gleichen Per­so­nen­kreis befragt, die Ergeb­nisse unter­schiedlich aus­fallen können – je nachdem, wie man die Frage stellt. Da gibt es Fragen mit vor­an­ge­stellten Zweck­prä­missen, Kon­troll­fragen, um Befra­gungs­er­geb­nisse bei wider­sprüch­lichen Ant­worten aus­zu­sor­tieren, Zufalls­er­he­bungen, Klum­pen­stich­proben oder auch bewusste Sug­ges­tiv­fragen, um das gewünschte Ergebnis für den Auf­trag­geber zu erzielen.
Wenn nun seit Monaten medial gejammert wird, die Zahl der Zuwan­derer nehme laufend ab, braucht es nicht zu wundern, dass „sich 60 Prozent der Men­schen ohne Migra­ti­ons­hin­ter­grund dafür aus­sprechen, wei­terhin Flücht­linge auf­zu­nehmen“ (KNA). Und die Migra­ti­ons­hin­ter­gründler sowieso, denn sie wollen ihren gewohnten Clan um sich haben. Aber schon die Fra­ge­stellung erklärt dieses Ergebnis. Würde man nach der Bereit­schaft zur Auf­nahme von IS-Rück­kehrern fragen, die jetzt vor der Straf­ver­folgung flüchten, normale Kri­mi­nelle die unsere Gefäng­nisse weniger fürchten als in deren Heimat, Schiiten die vor Sun­niten abhauen oder umge­kehrt, Wohl­stands­mi­granten auf der Suche nach beque­merem Leben, Fami­li­en­mit­glieder von Ein­wan­derern, Migranten all­gemein, fiele das Ergebnis anders aus, als wenn mit dem positiv belegten Begriff „Flücht­linge“ gefragt wird. So sind obige 60 Prozent Zustimmung zu Flücht­lingen kein Wunder.
Dem Leser wird damit sug­ge­riert, was die Schlag­zeile der Meldung war, auf die ich hier Bezug nehme: „Gutes Klima für Inte­gration“. Der Migration wird ein gutes Klima bescheinigt – dem meteo­ro­lo­gi­schen zum Aus­gleich ein mise­rables Klima. Also her mit den Migranten aus aller Welt, auch wenn das gesell­schaft­liche Klima und die globale „Kli­ma­ka­ta­strophe“ dadurch beschleunigt werden. Und allen erstaunten Lesern der Umfrage, die eine andere Meinung haben, soll ver­mittelt werden, „schämt euch!“ und „ihr seid in der Min­derheit!“. Erst zum Schluss erfährt man dann, wer die Befragung in Auftrag gab, ein „Sach­ver­stän­di­genrat deut­scher Stif­tungen für Inte­gration und Migration“. Noch Fragen?
Umso erstaun­licher, dass ein anderes Institut, das ZMSWBw, zu einem anderen Ergebnis kommt, das mit der all­ge­meinen Wahr­nehmung eher kor­re­liert: „55 Prozent der Befragten fühlen sich durch die Zuwan­derung bedroht. Noch vor dem welt­weiten Kli­ma­wandel durch globale Erwärmung mit 48 Prozent. Die geringste Zustim­mungsrate als Mittel der Außen­po­litik erhält die Auf­nahme von Flücht­lingen mit 22 Prozent“. Welches Befra­gungs­er­gebnis ist wohl näher an der Wahrheit?

  1. Statistiken

Das gleiche Spiel kann man mit dem Instrument der Sta­tistik betreiben. In meiner Aus­bildung habe ich gelernt, auch diese Kla­viatur zu beherr­schen. Das geflü­gelte Wort von der Stei­gerung der Unwahrheit ist nicht ganz aus der Luft gegriffen: Lüge, Meineid, Sta­tistik! 105 Prozent der Bevöl­kerung lassen sich damit aufs Kreuz legen. Die Trick­kiste reicht von der will­kürlich aus­ge­wählten Aus­gangs­basis von Daten bis hin zur opti­schen Mani­pu­lation von Kurven und Graphiken.

  1. Berater, Gut­achten, Studien

Womit ich zu den Beratern und Gut­achten komme, allen voran zu denen für die Bun­des­re­gierung – eine wahre Gold­grube. Seit dem Jahr 2000 wurden dafür 500 Mio. EUR aus­ge­geben, alleine in den letzten fünf Jahren 250 Mio. Neulich wurde die Frage auf­ge­worfen, ob denn dort nur Pfeifen sitzen würden, die von nichts Ahnung haben. Nun, nix Genaues weiß man nicht. Was man aber weiß: Erstens muss man sich nach einem Gut­achten nicht mit einer eigenen Meinung unbe­liebt machen, zweitens kann man durch die Auswahl der Gut­achter das Ergebnis halbwegs vor­weg­nehmen, ohne sich die Finger schmutzig machen zu müssen, und drittens können die Poli­tiker ihre Hände in Unschuld waschen, wenn eine Pro­gnose später daneben lag oder deren Emp­fehlung in einem Desaster enden (die Hartz-OP ist zwar gelungen, aber der Patient SPD trotzdem fast tot).
So, wie es unter Unter­neh­mens­be­ratern berüch­tigte Kan­di­daten gibt, so auch im poli­ti­schen Bereich. Hier ist es z.B. die Ber­telsmann-Stiftung. Obwohl diese, wie andere auch, bisher in der Pro­gnos­ti­zierung der Bevöl­ke­rungs­ent­wicklung und Erwerbs­per­sonen daneben lag, sollten diese Herr­schaften den Wunsch der Wirt­schaft nach einem noch grö­ßeren Arbeits­kräf­te­an­gebot unter­mauern mittels einer Her­un­ter­rechnung der erwerbs­fä­higen Per­sonen, jetzt und bis zum Jahr 2060. Wieder und immer wieder, wurde im aktu­ellen Gut­achten das Lied von der „alternden Gesell­schaft“ gesungen. Statt auf ihre Rechner, sollte diese Spezies einmal einen Blick auf die Straße werfen, wie viele Kinder um die kopf­tuch­ver­hüllten Frauen her­um­tollen und in deren Kin­der­wagen liegen. Aber sie sehen das nicht, weil sie in schwarzen Limou­sinen mit schwarzen Scheiben unterwegs sind – als ob sie das Bild von Lei­chen­wagen in einer ster­benden Gesell­schaft ver­mitteln wollten.
Um dem Wunsch des Bestellers gerecht zu werden, lautet das Credo, „Migranten unver­zichtbar – ohne Zuwan­derer wird es an Arbeits­kräften mangeln“, z.B. in http://www.badische-zeitung.de/wirtschaft‑3/studie-sieht-migranten-als-unverzichtbar–166371250.html . Ohne diese gehe es nicht in der „alternden Gesell­schaft“ – als ob die Zuwan­derer nicht auch einmal alt werden, viele sind es bereits. Der „Arbeits­markt“ – nicht die Unter­nehmer – brauche deshalb 260.000 Per­sonen pro Jahr, jeden­falls bis 2035. Davon würden 162.000 aus Europa erwartet und deshalb „jährlich 98.000 aus Dritt­staaten rekru­tiert“ werden sollen. Aber dass mit einer Arbeits­kraft min­destens zwei weitere Per­sonen kommen würden, ver­mutlich mehr, wird aus­ge­blendet. Deren zusätz­liche Kauf­kraft wird weitere Nach­frage, Auf­träge, Arbeits­kräf­te­bedarf und „Fach­kräf­te­mangel“ aus­lösen usw.
Sta­tis­ti­sches Bun­desamt Destatis: Weil es in den Schulen an allem fehlt, sollte eben­falls die Ber­telsmann-Stiftung den mit­tel­fris­tigen Bedarf an Lehrern und Schulen ermitteln. Sie stellte fest: „Die Grund­schulen in Deutschland befinden sich in einer her­aus­for­dernden Lage. Hohe Zuwan­derung und stei­gende Gebur­ten­zahlen sorgen für einen Schü­lerboom, der immer stärker spürbar wird. Die Klas­sen­zimmer werden viel­fäl­tiger – nicht nur wegen des Anstiegs der Schüler mit aus­län­di­schen Wurzeln… Ins­gesamt müssen bis ein­schließlich 2025 knapp 105.000 Grund­schul­lehrer neu ein­ge­stellt werden“.
Dazu griff das Institut auf Zahlen von Destatis zurück und kommt zum abwei­chenden Ergebnis, „auch die aktua­li­sierte Bevöl­ke­rungs­vor­aus­be­rechnung unter­schätzt hin­sichtlich der ange­nom­menen Gebur­tenzahl die tat­säch­liche Ent­wicklung“. Die Ber­tels­männer schätzen die Zahl der bis unter Neun­zehn­jäh­rigen bis 2030 auf 14,939 Mio. statt 14,422 Mio. wie Destatis. Teile man die Jahr­gänge in Gruppen ein, seien derzeit die unter Drei­jäh­rigen am stärksten ver­treten (2,398 Mio.), d.h. 800.000 pro Jahrgang. Im Jahr 2025 soll der Schwer­punkt bei den Drei- bis unter Fünf­jäh­rigen liegen mit 2,405 Mio., d.h. über 800.000 pro Jahrgang. Bei den Sechs- bis unter Zehn­jäh­rigen Schüler seien es 3,256 Mio., d.h. 814.000 pro Jahrgang. Im Jahr 2030 solle der Schwer­punkt bei den Zehn- bis unter Sech­zehn­jäh­rigen mit 4,899 Mio. Schülern liegen, d.h. 816.500 pro Jahrgang. Von wegen unser Land stirbt aus.
Und wenn die neu hin­zu­ge­kom­menen Kinder mit 18 Jahren nicht selbst schon wieder Kinder haben, strömen sie auf den Arbeits­markt oder in die Uni­ver­si­täten. Aber wenn diese Noch-Kinder schon Kinder bekommen, werden sie den Bedarf an Kin­der­ta­ges­stätten zusätzlich erhöhen, weil die Sta­tis­tiker für ihre Pro­gnosen immer noch mit dem bun­des­durch­schnitt­lichen Erst­ge­bär­alter der Mütter von 30 Jahren rechnen.
Anstatt viele Hypo­thesen anzu­stellen, wäre es deshalb zweck­dien­licher, jene ein­zu­be­ziehen, die tag­täglich mit der Materie zu tun haben. So z.B. den Mono­po­listen Milupa mit dessen Gebur­ten­liste. Im Jahr 2014 wurden 97 Prozent der tat­säch­lichen Geburten erfasst, 2015 waren es 97,2 Prozent. Diese Liste der belast­baren Daten für die Abschätzung der Gesamtzahl der Geburten ergab für die Bil­dungs­po­li­tiker einen Gebur­ten­an­stieg schon 2014 und 2015 von über drei Prozent und 2016 über sechs Prozent. In den Stadt­staaten sind es noch mehr. Die vom Sta­tis­ti­schen Bun­desamt zugrunde gelegten 1,3 Prozent Gebur­ten­stei­gerung im Jahr stimmt hinten und vorne nicht. Ob die von Amts wegen geschätzten zuwan­dernden Kinder von 7.000 im Jahr zu halten sind, ist ebenso fraglich.
Die geschönten Zahlen des Bun­des­amtes können nur den Zweck haben, die Bun­des­re­gierung zu ent­lasten und für ihre Ein­wan­de­rungs­po­litik einen Per­sil­schein zu erteilen. Aber langsam fällt es dem einen oder anderen Bür­ger­meister u.a. auch durch meine publi­zis­tische Arbeit wie Schuppen von den Augen: „Mit jedem Gewer­be­gebiet, das wir geneh­migen, brauchen wir auch neue Wohn­ge­biete und Straßen, Polizei, weitere Kin­der­gärten und Schulen, Ärzte, zusätz­liche Ein­kaufs­märkte. Und die­je­nigen, die hier Arbeit finden, brauchen weitere Woh­nungen usw.“, klagte ein Bür­ger­meister in unserer Zeitung.
Die meisten Demo­skopen, Sta­tis­tiker und Gut­achter folgen ihren Auf­trag­gebern ohne sich zu fragen, was ihr Tun bewirkt. Viel­leicht doch nicht so ver­wun­derlich, denn sie sind Mit-Pro­fi­teure der Mäch­tigen in Wirt­schaft und Politik nach dem Motto, „Wessen Brot ich ess’, dessen Lied ich sing“. Es gibt nicht nur so etwas wie eine „Asyl­in­dustrie“. Auch Demo­skopen, Sta­tis­tiker und Gut­achter sind dem System zudiensten.
 
Von Albrecht Künstle