Anfang März sah es kurzfristig so aus, als ob die AfD ihren Abwärtstrend, der jetzt schon fast ein halbes Jahr lang anhält, endlich brechen könnte. Es gab – wenn auch nur ganz schwache – Zeichen, dass die Zustimmung in der Bevölkerung wieder ein wenig steigen könnte. Doch dies hat sich seither nicht bestätigen können. Ganz im Gegenteil, der Abwärtstrend der Alternative für Deutschland setzt sich auf breiter Front fort – auch im Osten des Landes. Gut fünf Monate vor der Sachsenwahl sehen wir hier gleich zwei katastrophale Entwicklungen.
AfD verliert in Sachsen in drei Monaten jeden dritten bis vierten Anhänger
Sachsen gilt als die Hochburg schlechthin für die AfD. Seit Oktober 2016, also seit zweieinhalb Jahren, hat sie hier bei jeder Umfrage, wirklich bei jeder, bei über 20 Prozent gelegen. Im November 2016 erreichte sie sogar erstmals 25 Prozent. Jeder vierte Wähler wollte der AfD jetzt schon seine Stimme geben. 2017 fiel sie zwar auch in Sachsen etwas zurück auf bis zu 21 Prozent, aber 2018 erreichte sie im Freistaat wieder 24 und 25 Prozent, zuletzt Ende Dezember bei INSA. Ein Monat zuvor hatte sie IM Field für die Sächsische Zeitung mit 24 Prozent gemessen.
Vier Monate später legt nun das gleiche Institut eine aktuelle Umfrage vor, dieses Mal für die Leipziger Zeitung, und siehe da, die AfD steht laut IM Field/FB Czaplicki vom 22.03.2019 nur noch bei 18 Prozent. Damit hätte sie, selbst wenn wir nur die 24 Prozent aus dem November und nicht die 25 Prozent von INSA aus dem Dezember zugrunde legen, in nur vier Monaten ein Viertel ihrer Anhänger verloren, bezogen auf das Dezember-Ergebnis in nur drei Monaten sogar jeden dritten bis vierten Anhänger.
Die Grünen steigen in Sachsen von 4 auf 16 Prozent
Schockiernd auch die Entwicklung der Grünen. Lagen diese 2017 noch durchweg bei 4 Prozent, also unter der 5 Prozent-Hürde, so stehen sie nun gut fünf Monate vor der sächsischen Landtagswahl laut IM Field/FB Czaplicki bei 16 Prozent, hätten sich also verfierfacht und die AfD in ihrer eigenen Hochburg schon fast eingeholt.
Nun mag man einwenden, dass bei dieser IM Field/FB Czaplicki die Zahl der Befragten zu gering war, sodass die Zahlen wenig verlässlich sind. Das ist sicherlich richtig. Befragt wurden hier per Telefon tatsächlich nur 703 Personen. Das ist deutlich zu wenig. Unter 1.000 Befragten sind die Ergebnisse meist sehr unzuverlässig und die Genauigkeit der Hochrechnungen erreicht eigentlich erst bei über 2.000 Befragten befriedigende Ergebnisse. Gleichwohl deutet sich hier auch in Sachsen etwas an, was wir überall beobachten können. Denn diese Negativentwicklung betrifft nicht nur den Freistaat Sachsen.
AfD fällt auch auch in Rheinland-Pfalz und Hamburg
Ein Tag zuvor, am 21.03.2019, legte nämlich Infratest dimap eine aktuelle Umfrage für Rheinland-Pfalz vor. Dort kam die AfD vor drei Jahren auf 12,6 Prozent. In den drei letzten Infratest dimap-Umfragen von 2018 im Juni, Oktober und Dezember lag die AfD jeweils bei 13 Prozent, also etwas besser als bei der letzten Landtagswahl 2016. Nun aber fällt sie laut Infratest dimap auch in Rheinland-Pfalz von 13 auf 11 Prozent. (Telefonisch befragt wurden hier wenigstens 1.000 Personen).
Nochmals ein Tag zuvor legte die Universität Hamburg eine aktuelle Befragung der Hamburger vor. Nun sind die Ergebnisse der Hamburger Uni (1.069 Befragte) meines Erachtens mit großer Vorsicht zu genießen. Hier fehlt es wohl an Professionalität in der Auswertung der Ergebnisse oder aber man dreht an den Stellschrauben gezielt in die gewünschte Richtung. Gleichwohl lässt diese Umfrage aufhorchen. Denn die Uni Hamburg sieht die AfD bei der Hamburger Landtagswahl sogar nur noch bei 4 Prozent. Das wäre nicht nur weniger als bei der letzten Landtagswahl vor vier Jahren, als sie bei 6,1 Prozent landete, es würde auch nicht mehr reichen, um überhaupt in den Landtag einzuziehen. Aber wie gesagt, sind diese Zahlen wohl mit großer Vorsicht zu genießen. Infratest dimap kam vor vier Wochen immerhin noch auf 8 Prozent für die Hamburger AfD. Sowohl in Sachsen als auch in Hamburg müssen weitere Umfragen von anderen Instituten abgewartet werden, die professioneller und zuverlässiger arbeiten.
Auf Bundesebene verliert die AfD fast alle Zugewinne seit der letzten Bundestagswahl
Die verlässlichsten Zahlen finden wir sicherlich beim Bundestagswahltrend. Denn hier werden die meisten Umfragen mit den meisten Befragten durchgeführt und das nicht nur von ein, zwei, sondern von bis zu acht Instituten. Betrachten wir hier die fünf aktuellsten Befragungen von Forschungsgruppe Wahlen, INSA, Infratest dimap, Emnid und Forsa und nehmen den Mittelwert, dann kommen wir für die AfD zum Stand heute nur noch auf 12,7 Prozent.
Das wäre fast exakt das Ergebnis von der Bundestagswahl vom September 2017, also vor eineinhalb Jahren. Damals kam die Alternative für Deutschland auf 12,6 Prozent. Alle zwischenzeitlichen Zuwächse wären damit also fast wieder vollständig verloren. Dabei stand die AfD vor knapp sechs Monaten im Mittel aller Institute auf über 17 Prozent.
Und auch wenn wir den EU-Wahltrend betrachten, zeigt sich grundsätzlich das gleiche Bild. INSA sah die AfD im Oktober 2018 in Bezug auf die Europawahl noch bei 16 Prozent. Anfang März taxierte INSA die AfD nur noch auf 12 Prozent und Infratest dimap und Forschungsgruppe Wahlen Mitte März sogar nur noch bei 11 bzw. 9 Prozent. Dies entspräche Verlusten von jedem dritten Wähler oder sogar von vier Neunteln.
20 Prozent bundesweit rücken in immer weitere Ferne
Fazit: Seit fast sechs Monaten können wir eine ausgesprochen negative Entwicklung bei der AfD beobachten, die zunehmend schlechter beim Wähler ankommt. JFB hatte bereits Ende Oktober 2018 auf diese sich abzeichnende Entwicklung hingewiesen und auch einige markante Schwachpunkte der Partei dezidiert benannt. Es ist aber kaum etwas Wirksames zu erkennen, was die AfD dem Gegenwind, der ihr quasi von nahezu allen Seiten – Massenmedien, sämtliche Altparteien, Kirchen, Gewerkschaften, Wirtschaft … – ins Gesicht bläst, entgegenzusetzen hätte.
Bundesweit 20 bis 30 Prozent Stimmanteile, was eigentlich Ziel und Anspruch der Partei sein müsste angesichts der desaströsen Entwicklung unseres Landes – in Sachsen hatte man sich über 30 Prozent als Ziel gesetzt -, scheinen in immer weitere Ferne zu rücken. Bei der EU-Wahl im Mai wird sie Stand heute wohl eher darum bangen müssen, überhaupt deutlich über 10 Prozent zu kommen.
Text: Jürgen Fritz — www.juergenfritz.com — Titelbild: Jörg Urban, Vorsitzender der AfD-Sachsen