Collage - Bild von George Soros von IMF Staff Photographer/Michael Spilotro - flickr.com - CC BY-NC-ND 2.0

Deutsche Spieler jucken Spiel­hal­len­schlie­ßungen am wenigsten. Sie wandern einfach aus: Ins Internet

Büro­kra­ti­scher Aufwand, Exis­tenz­ver­nich­tungen und unend­liche Zeit­ver­schwendung: Das Drama um die Schließung von Spiel­hallen in Deutschland ist so unnötig wie ein kalter Kaffee am Morgen. Denn die, die es eigentlich betreffen soll, inter­es­siert dieses Thema am wenigsten. Spieler frönen ihrer Lei­den­schaft auch wei­terhin. Und müssen dabei nicht einmal mehr die Wohnung verlassen.
Online Glücks­spiel hat den sta­tio­nären Spiel­hallen schon lange den Rang abgelaufen
Wer eine Spielbank besuchen möchte, muss Vor­keh­rungen treffen. Wer im Online Casino spielen möchte, muss nur ein paar Klicks mit der Maus tätigen. Warum sich den Restrik­tionen der Spiel­banken wie Klei­der­ordnung, Aus­weis­kon­trolle, Rauch­verbot und Öff­nungszeit unter­werfen, wenn man Online Rou­lette im Internet spielen kann?
Das sagen sich immer mehr Spieler und ver­lagern ihre Spiel­lei­den­schaft dem­entspre­chend ins World Wide Web. Das ist offi­ziell zwar illegal, wird aber nicht straf­ver­folgt. Sonst ent­gingen dem deut­schen Staat ja womöglich Mil­lionen Euro an Steu­er­geldern, die die Online Casinos und Sport­wet­ten­an­bieter mit der 5‑prozentigen Glücks­spiel­steuer abführen müssen.
Jugend- und Spie­ler­schutz kontra Steu­er­ein­nahmen der Länder
Der Versuch der Pflicht­er­füllung seitens der Politik, Bürger vor Spiel­sucht zu bewahren, gerät immer mehr zum Handeln mit zwei­erlei Maß. Auf der einen Seite werden Spiel­hallen geschlossen, weil sie sich zu nahe an Schulen befinden, werden umfang­reiche Daten­banken mit gesperrten Spielern unter hohem büro­kra­ti­schem Aufwand erstellt, auf der anderen Seite macht der Staat Werbung für Glücks­spiel (Lotto), lässt diese von laut Gesetz ille­galen Anbietern zu (Wun­derino Casino, Mr Green Casino), erfreut sich an den hohen Ein­nahmen der staat­lichen Lot­te­rie­ge­sell­schaften und betreibt deutsch­landweit selbst 66 Spielbanken.
Das ist aso­ziales Ver­halten. Früher sagte man: Sie pre­digen Wasser und trinken Wein. Mit erho­benem Zei­ge­finger wird dem mün­digen Bürger erklärt, dass Spielen in Online Casinos ver­boten ist und süchtig machen kann. Anschließend schickt man ihn in die Lot­to­an­nah­me­stelle oder in die Spielbank.
Private Glücks­spiel­an­bieter betteln um eine ver­nünftige Regelung
Im Deut­schen Online Casino Verband (DOCV) haben sich Unter­nehmen der Glücks­spiel­branche zusam­men­ge­schlossen, um sich für eine grund­le­gende Novel­lierung des Glücks­spiel­staat­ver­trages (GlüStV) sowie einer geord­neten Markt­öffnung und Lizen­zierung von Online Casinos nach qua­li­ta­tiven Kri­terien stark zu machen.
Die Mit­glie­der­liste liest sich wie das Who’s who der Glücksspielbranche:

  • Mr Green
  • William Hill
  • Software Anbieter Microgaming
  • BWIN
  • Novoline-Tochter Gre­entube
  • Bet-at-Home
  • Online Casino Deutschland
  • Gau­sel­manns Software Her­steller Edict

Als grund­sätz­liche Ziele hat sich der Verband eine markt­kon­forme Regu­lierung, den Spieler- und Ver­brau­cher­schutz sowie eine Rechts­si­cherheit, die euro­pa­rechts­konform ist, gesetzt.
Bis 2021 muss eine ein­heit­liche Regelung geschaffen werden
Im Jahr 2021 läuft die Über­gangs­re­gelung des Glücks­spie­län­de­rungs­staats­ver­trages aus. Ist bis dahin keine ein­heit­liche Regelung der 16 Bun­des­länder getroffen, wird der Bereich des Online Glücks­spiels in einem rechts­freien Raum statt­finden. Die Dis­kussion über den zukünf­tigen Umgang mit Online Glücks­spiel wird aber noch immer kon­trovers geführt. Dabei geht es nicht nur um die Online Casinos, sondern auch um Online-Lot­terien, Online-Poker und Online-Sportwetten.
Libe­ra­li­sierung in Schleswig-Hol­stein erfordert CDU-geführte Landesregierung
Immer, wenn im nörd­lichsten Bun­desland die CDU in Koalition mit FDP, Grünen oder SSW an der Macht ist, setzt sich Schleswig-Hol­stein für eine Libe­ra­li­sierung des Glücks­spiels ein. SPD-geführte Koali­tionen machen solche Schritte immer wieder rück­gängig. Aktuell regiert eine Jamaika-Koalition aus CDU, Grüne und FDP noch bis vor­aus­sichtlich 2022. Das lässt die pri­vaten Glücks­spiel­an­bieter hoffen, ihre Geschäfte in diesem Teil der Republik fort­führen zu können.
Tat­sächlich hat das Kabinett Günther bereits einen Gesetz­entwurf vor­gelegt, nach dem in Schleswig-Hol­stein die aus­ge­lau­fenen Geneh­mi­gungen für Online-Casi­no­spiele für eine Über­gangs­phase bis maximal 30. Juni 2021 ver­längert werden sollen.
Schleswig-Hol­stein — Pionier der Liberalisierung
Schleswig-Hol­stein gilt durch die Nicht­un­ter­zeichnung des Glücks­spiel­staats­ver­trags 2012 als Pionier in Sachen Libe­ra­li­sierung des Glücks­spiels. Dadurch wurde ein Vor­gehen gegen die in der übrigen Bun­des­re­publik wei­terhin ille­galen Angebote ab diesem Zeit­punkt massiv erschwert. Inzwi­schen fand auch in den Bun­des­ländern Hessen (Koalition CDU / Die Grünen) und Nord­rhein-West­falen (Koalition CDU / FDP) ein Umdenken statt. Damit stehen auf der Seite Pro Libe­ra­li­sierung des Online-Glücks­spiel­marktes bereits drei Bundesländer.
Der aktuelle Glücks­spiel­staats­vertrag ist noch bis zum 30. Juni 2021 befristet. Das ist genau das Datum, bis zu dem Schleswig-Hol­stein die aus­ge­lau­fenen Glücks­spiel-Lizenzen ver­längern will. Das Bun­desland zeigt sich also offen für einen gesamt­deut­schen geord­neten Regu­lie­rungs­rahmen. Gut zwei Jahre bleiben den 16 Bun­des­ländern dafür noch Zeit.