Bürokratischer Aufwand, Existenzvernichtungen und unendliche Zeitverschwendung: Das Drama um die Schließung von Spielhallen in Deutschland ist so unnötig wie ein kalter Kaffee am Morgen. Denn die, die es eigentlich betreffen soll, interessiert dieses Thema am wenigsten. Spieler frönen ihrer Leidenschaft auch weiterhin. Und müssen dabei nicht einmal mehr die Wohnung verlassen.
Online Glücksspiel hat den stationären Spielhallen schon lange den Rang abgelaufen
Wer eine Spielbank besuchen möchte, muss Vorkehrungen treffen. Wer im Online Casino spielen möchte, muss nur ein paar Klicks mit der Maus tätigen. Warum sich den Restriktionen der Spielbanken wie Kleiderordnung, Ausweiskontrolle, Rauchverbot und Öffnungszeit unterwerfen, wenn man Online Roulette im Internet spielen kann?
Das sagen sich immer mehr Spieler und verlagern ihre Spielleidenschaft dementsprechend ins World Wide Web. Das ist offiziell zwar illegal, wird aber nicht strafverfolgt. Sonst entgingen dem deutschen Staat ja womöglich Millionen Euro an Steuergeldern, die die Online Casinos und Sportwettenanbieter mit der 5‑prozentigen Glücksspielsteuer abführen müssen.
Jugend- und Spielerschutz kontra Steuereinnahmen der Länder
Der Versuch der Pflichterfüllung seitens der Politik, Bürger vor Spielsucht zu bewahren, gerät immer mehr zum Handeln mit zweierlei Maß. Auf der einen Seite werden Spielhallen geschlossen, weil sie sich zu nahe an Schulen befinden, werden umfangreiche Datenbanken mit gesperrten Spielern unter hohem bürokratischem Aufwand erstellt, auf der anderen Seite macht der Staat Werbung für Glücksspiel (Lotto), lässt diese von laut Gesetz illegalen Anbietern zu (Wunderino Casino, Mr Green Casino), erfreut sich an den hohen Einnahmen der staatlichen Lotteriegesellschaften und betreibt deutschlandweit selbst 66 Spielbanken.
Das ist asoziales Verhalten. Früher sagte man: Sie predigen Wasser und trinken Wein. Mit erhobenem Zeigefinger wird dem mündigen Bürger erklärt, dass Spielen in Online Casinos verboten ist und süchtig machen kann. Anschließend schickt man ihn in die Lottoannahmestelle oder in die Spielbank.
Private Glücksspielanbieter betteln um eine vernünftige Regelung
Im Deutschen Online Casino Verband (DOCV) haben sich Unternehmen der Glücksspielbranche zusammengeschlossen, um sich für eine grundlegende Novellierung des Glücksspielstaatvertrages (GlüStV) sowie einer geordneten Marktöffnung und Lizenzierung von Online Casinos nach qualitativen Kriterien stark zu machen.
Die Mitgliederliste liest sich wie das Who’s who der Glücksspielbranche:
- Mr Green
- William Hill
- Software Anbieter Microgaming
- BWIN
- Novoline-Tochter Greentube
- Bet-at-Home
- Online Casino Deutschland
- Gauselmanns Software Hersteller Edict
Als grundsätzliche Ziele hat sich der Verband eine marktkonforme Regulierung, den Spieler- und Verbraucherschutz sowie eine Rechtssicherheit, die europarechtskonform ist, gesetzt.
Bis 2021 muss eine einheitliche Regelung geschaffen werden
Im Jahr 2021 läuft die Übergangsregelung des Glücksspieländerungsstaatsvertrages aus. Ist bis dahin keine einheitliche Regelung der 16 Bundesländer getroffen, wird der Bereich des Online Glücksspiels in einem rechtsfreien Raum stattfinden. Die Diskussion über den zukünftigen Umgang mit Online Glücksspiel wird aber noch immer kontrovers geführt. Dabei geht es nicht nur um die Online Casinos, sondern auch um Online-Lotterien, Online-Poker und Online-Sportwetten.
Liberalisierung in Schleswig-Holstein erfordert CDU-geführte Landesregierung
Immer, wenn im nördlichsten Bundesland die CDU in Koalition mit FDP, Grünen oder SSW an der Macht ist, setzt sich Schleswig-Holstein für eine Liberalisierung des Glücksspiels ein. SPD-geführte Koalitionen machen solche Schritte immer wieder rückgängig. Aktuell regiert eine Jamaika-Koalition aus CDU, Grüne und FDP noch bis voraussichtlich 2022. Das lässt die privaten Glücksspielanbieter hoffen, ihre Geschäfte in diesem Teil der Republik fortführen zu können.
Tatsächlich hat das Kabinett Günther bereits einen Gesetzentwurf vorgelegt, nach dem in Schleswig-Holstein die ausgelaufenen Genehmigungen für Online-Casinospiele für eine Übergangsphase bis maximal 30. Juni 2021 verlängert werden sollen.
Schleswig-Holstein — Pionier der Liberalisierung
Schleswig-Holstein gilt durch die Nichtunterzeichnung des Glücksspielstaatsvertrags 2012 als Pionier in Sachen Liberalisierung des Glücksspiels. Dadurch wurde ein Vorgehen gegen die in der übrigen Bundesrepublik weiterhin illegalen Angebote ab diesem Zeitpunkt massiv erschwert. Inzwischen fand auch in den Bundesländern Hessen (Koalition CDU / Die Grünen) und Nordrhein-Westfalen (Koalition CDU / FDP) ein Umdenken statt. Damit stehen auf der Seite Pro Liberalisierung des Online-Glücksspielmarktes bereits drei Bundesländer.
Der aktuelle Glücksspielstaatsvertrag ist noch bis zum 30. Juni 2021 befristet. Das ist genau das Datum, bis zu dem Schleswig-Holstein die ausgelaufenen Glücksspiel-Lizenzen verlängern will. Das Bundesland zeigt sich also offen für einen gesamtdeutschen geordneten Regulierungsrahmen. Gut zwei Jahre bleiben den 16 Bundesländern dafür noch Zeit.