Zer­rüttete deutsche Erin­ne­rungs­kultur – eine nationale Schande

An „rechts“ mahnend erinnern, gilt als nationale Pflicht. An „links“ erinnern ist nicht nötig, da gibt´s nichts zu mahnen
(Von Peter Helmes)
Als franko- und italo­philer Mensch bewundere ich seit meiner Jugend den Stolz unserer Nachbarn auf ihre Nation. Frank­reich (fran­zö­sische Revo­lution) und Italien (Mus­solini) haben wie viele Nationen dieser Welt jeweils ein schweres und blut­be­la­denes Erbe mit sich zu schleppen. Und was feiern sie an ihren Natio­nal­fei­er­tagen: die „große Nation“.
„Für mich“, sagte einmal mein Freund aus Paris und dor­tiger Stadt­teil­bür­ger­meister, “für mich umfasst eine wahre Erin­ne­rungs­kultur den Umgang des ein­zelnen Bürgers und der gesamten Gesell­schaft mit ihrer Ver­gan­genheit und ihrer Geschichte – und mit der Höhen und Tiefen.“

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Was wir nicht ver­gessen dürfen
Nach Jan Assmann (Kul­tur­wis­sen­schaftler Uni Hei­delberg) wird mit der Erin­ne­rungs­kultur an die eigene soziale Gruppe die Frage „was dürfen wir nicht ver­gessen?“ gestellt und beant­wortet; insofern wirke Erin­ne­rungs­kultur gemein­schafts­stiftend. Erin­ne­rungs­kultur ist nur möglich, wo die Ver­gan­genheit durch Zeug­nisse irgend­welcher Art präsent sei und wo diese eine cha­rak­te­ris­tische Dif­ferenz zur Gegenwart aufweise.
Erin­ne­rungs­kultur ist also kein Selbst­zweck, sondern will Gerech­tigkeit sowie natio­nalen Frieden fördern – ist damit gleichsam ein wich­tiger Beitrag für einen Frieden über die eigenen Lan­des­grenzen hinaus. Ver­ant­wort­liche Bürger sind somit auf­ge­fordert, sich an der Erin­ne­rungs­arbeit aktiv zu betei­ligen, der Schuld und Ver­säum­nisse zu gedenken und die Ver­ant­wortung dafür zu benennen, wo sie geschwiegen oder mit­ge­macht haben, statt sich dem Unrecht ent­ge­gen­zu­stellen, damit sich Untaten nicht wiederholen.
Den Opfern, die namenlos gemacht wurden, wird damit eine Stimme gegeben. Zugleich wird auch an Men­schen erinnert, die pro­tes­tiert haben gegen Unrecht und Unmensch­lichkeit und dafür mit der Freiheit oder mit dem Leben bezahlen mussten.
Die Erin­ne­rungs­kultur einer Nation ist letztlich die ver­bind­liche Form des kol­lek­tiven Gedächtnisses.
Konkret heißt dies:
Ohne Erin­nerung keine Zukunft! Zum demo­kra­ti­schen Grund­konsens in Deutschland gehören demnach untrennbar die Auf­ar­beitung der NS-Ter­ror­herr­schaft genauso wie die der SED-Dik­tatur. Hinzu zählen auch die deutsche Kolo­ni­al­ge­schichte sowie positive Momente unserer Demokratiegeschichte.
Deutschland ist auf­grund seiner Geschichte besonders dafür ver­ant­wortlich, die Erin­nerung an die Folgen von Dik­tatur und Gewalt­herr­schaft wach­zu­halten. Dies ist Teil unseres natio­nalen Selbstverständnisses.
Wenn wir heute über Ver­ant­wortung nach­denken, wissen wir natürlich, dass wir hier und heute die Ver­gan­genheit nicht selbst ver­schulden, sondern nur die Gegenwart – und über die wird erst in Zukunft gerichtet. Uns trifft trotzdem eine besondere Ver­ant­wortung: Wir schulden es den Opfern, alles daran zu setzen, dass Ver­brechen wie diese nie wieder möglich sind. Das aller­erste Mittel hierzu ist die wach­ge­haltene Erinnerung.
Die Wirk­lichkeit unserer heu­tigen Erin­ne­rungs­kultur ist erschreckend
Dank des unse­ligen Wirkens der ´68er wurde unsere Gesell­schaft in den letzten vierzig Jahren – und wird das auch wei­terhin – so unbarm­herzig indok­tri­niert, dass Jüngere, die die Zeit davor nicht einmal vom Hören­sagen kennen, zur Erkenntnis gelangen müssen, die Deut­schen seien von Natur aus böse und Deutschland eine nie­der­trächtige Nation. Es ist die Reduktion einer tau­send­jäh­rigen großen Geschichte auf zwölf schlimme Jahre.
An der Auf­recht­erhaltung dieser staatlich miss­brauchten „Erin­ne­rungs-Unkultur“ wirken nahezu alle „demo­kra­ti­schen“ Par­teien mit und scheuen sich nicht einmal davor, zum Mittel einer Denun­zia­tions- und Kon­troll­be­hörde maas­kaha­ni­schen Ursprungs zu greifen.
Da feiert der Geist der Stasi im – auch eben deshalb unter­ge­gan­genen – Arbei­ter­pa­radies genauso fröh­liche Urständ´ wie der Ungeist des „Dritten Reiches“ mit seinen Spitzel- und Foltermethoden.
Die neue „bür­ger­liche Freiheit“, die wir nach dem Zweiten Welt­krieg genießen durften, ist aber inzwi­schen an ihr Ende gelangt. Eben jene geis­tigen Umer­zieher, die ihre gesamte „Bildung“ aus der „Frank­furter Schule“ bezogen haben und noch beziehen, treibt unsere Gesell­schaft in Unruhe und Unfrieden. Hübsch säu­berlich unter­schieden werden die „poli­tisch Kor­rekten“ (die „wahren Demo­kraten“) von den poli­tisch Unkor­rekten (den „Faschisten“), die sich dem Mei­nungs­zwang widersetzen.
Da nicht sein kann, was nicht sein darf, denkt sich die neue Mei­nungs­kaste fast täglich neue Umer­zie­hungs­maß­nahmen aus. So werden z.B. Adress­listen unbot­mä­ßiger Blogger und Jour­na­listen ein­ge­richtet (und ins Netz gestellt) oder wird mit hohen Geld­strafen bedroht – und sank­tio­niert – wer sich der neuen Führung nicht unterwirft.
Schüler, meist noch unreif, die Trag­weiten ihres Han­delns zu erkennen, werden gegen den natio­nalen Konsens auf­ge­sta­chelt und zu Pro­testen ver­führt – zum Preis des Schul­schwänzens. Lehrer, Pro­fes­soren usw. werden boy­kot­tiert und/oder öffentlich ange­prangert. Attentate auf sie werden ver­harmlost, während der Anrempler eines „Rechten“ gegen einen Links­fa­schisten fast wie ein Mord­versuch dar­ge­stellt wird.
Man könnte darüber hin­weg­gehen, wenn nicht das gesell­schaft­liche Klima mehr und mehr so zer­stört würde, dass diese unsere Gemein­schaft aus­ein­an­der­brechen und sich feindlich gegen­über­stehen wird.
Wir haben unsere Kultur ver­gessen und wollen uns auch nicht erinnern
Erinnern dürfen wir uns inzwi­schen nur an die Untaten des III. Reiches. Kaum eine deutsche Stadt, in der nicht wenigstens 1 Mahnmal oder eine Gedenk­tafel an die Opfer des Natio­nal­so­zia­lismus bzw. des Faschismus erinnern.
An die Opfer des Inter­na­tio­nal­so­zia­lismus darf man bald nicht mehr erinnern – als hätte es Mau­ertote, Stasi und Sta­chel­draht nie gegeben. Die heu­tigen Inter­na­tio­nal­so­zia­listen sind Gut­men­schen, denen es gelungen ist, sich vom faschis­ti­schen Erbe unserer Nation selbst frei­zu­stellen, und denen es damit zu gelingen scheint, alle „Linken“ als Gut­men­schen“ und alle Nicht-Linken als Neu-Faschisten hinzustellen.
Die neuen Kon­flikt­linien in der inner­deut­schen Dis­kussion sind dem­entspre­chend klar aus­zu­machen. Es geht ins­be­sondere um die Erhaltung und Pflege bestehender Gedenk­ein­rich­tungen. Bestand poli­ti­scher Konsens ursprünglich gewiss darin, das bestehende Konzept für die his­to­ri­schen Gedenk­stätten in Ost und West in Bezug auf die natio­nal­so­zia­lis­ti­schen wie auch die sta­li­nis­ti­schen Gewalt­opfer wei­ter­zu­ent­wi­ckeln, ist heute der Konsens darüber zerbrochen.
Das Problem hat einen Namen: Relativierung
Was am NSDAP-Regime schlimm und ver­ur­tei­lenswert ist, ver­langt – so das Ergebnis der Rela­ti­vierung – andere Maß­stäbe als die Bewertung des SED-Regimes.
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So ist es nur kon­se­quent, dass die Mahnmale des Dritten Reiches gepflegt, aber die Mahnmale an die Links­fa­schisten der unter­ge­gan­genen(?) DDR-Dik­tatur zunehmend geschleift werden.
Gedenk­stätte Frau­en­ge­fängnis Hoheneck soll verschwinden
Hubertus Knabe*) weist mahnend und alar­mierend auf den fol­genden, mir sym­pto­ma­tisch erschei­nenden Vorgang hin. Er schreibt:
„Im berüch­tigten Frau­en­ge­fängnis Hoheneck bei Stollberg wurden unliebsame Frauen weg­ge­sperrt und gefoltert. Stollberg plant jetzt die Gedenk­stätte zu schließen, ein schwerer Schlag für die eins­tigen Insas­sinnen (mdr).
Berlin/Hoheneck, 15.03.2019/cw – Die Befürchtung vieler Frauen, die sei­nerzeit im berüch­tigten Frau­en­zuchthaus Hoheneck in Stollberg zu Zeiten der DDR aus poli­ti­schen Gründen hohe Haft­strafen ver­büßen mussten, drohen nun Rea­lität zu werden: Nach einem Bericht des mdr-Sach­sen­spiegel vom 14.03.2019 (19:00 Uhr) plant die Stadt Stollberg jetzt, die Gedenk­stätte zu schließen (https://www.mdr.de/mediathek/suche/video-283038_zc-f24cd3d3_zs-20a70875.htmlhttps://www.mdr.de/mediathek/suche/video-283038_zc-f24cd3d3_zs-20a70875.html).
In einem Interview erklärte der Stoll­berger Ober­bür­ger­meister Marcel Schmidt (Freie Wähler-Union), die Stadt könne nicht jedem ein­zelnen Opfer gerecht werden. Stollberg habe dieses Gefängnis nicht betrieben, das sei die DDR gewesen:
„Wir haben als Stadt ein ehe­ma­liges Gefängnis gekauft, das wir als Stadt nicht selbst betrieben haben, sondern was die DDR hier instal­liert hat.“…
(Knabe:) … Kehren Sie um, berich­tigen Sie Ihren fatalen, weil erschüt­ternden Beitrag im zitierten Sach­sen­spiegel des mdr, und weisen Sie ggf. nach, dass es sich um einen unsach­ge­mäßen, weil wahr­heits­ver­zer­renden Zusam­men­schnitt Ihrer tat­säch­lichen Äuße­rungen handelt.
Werden Sie Ihrer Ver­ant­wortung gerade auch für diese Gedenk­stätte gerecht oder ziehen Sie die erfor­der­lichen Kon­se­quenzen. Ihre demons­trative Kehrt­wende im 30. Jahr des end­lichen Mau­er­falls ist ein poli­ti­scher Skandal. Der kann so nicht in der poli­ti­schen Land­schaft stehen bleiben.“
(V.i.S.d.P.: Redaktion Hoheneck, Berlin – Tel.: 030–85607937 (1.388).
mehr hier: https://17juni1953.wordpress.com/2019/03/15/mdr-gedenkstaette-frauengefaengnis-hoheneck-soll-verschwinden/https://17juni1953.wordpress.com/2019/03/15/mdr-gedenkstaette-frauengefaengnis-hoheneck-soll-verschwinden/
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*) Hubertus Wilhelm Knabe-Buche (* 1959 in Unna) ist ein deut­scher His­to­riker. Er war Direktor der Stiftung Gedenk­stätte Berlin-Hohen­schön­hausen seit ihrer Gründung im Jahr 2000; im Sep­tember 2018 ist ihm zum 31. März 2019 gekündigt worden.
Aber wehe, ein KZ-Museum soll z. B. im Ausland dicht gemacht werden! Da wird sogar im Bun­destag debattiert!