Die deutsche Lust am Untergang — Können wir dem noch entkommen?

Der Titel „Die Lust am Untergang“ stammt von Friedrich Sieburg, einem fast ver­ges­senen Jour­na­listen und Schrift­steller. Mit seiner Essay-Sammlung wurde Sieburg in eine Reihe mit den pro­mi­nen­testen deut­schen Kul­tur­pes­si­misten wie Friedrich Nietzsche und Thomas Mann gestellt.
(Von altmod)
Sieburg war in den 50ern Lite­ra­tur­kri­tiker der FAZ und hatte sich vor allem auch gegen den Ein­fluss der linken Ideo­logie aus der „Gruppe 47“ auf Lite­ratur und Gesell­schafts­leben in Deutschland gewandt.
Von ihm stammen Sätze wie
„Die Welt oder wenigstens den Men­schen an den Abgrund zu führen, war von jeher Sache der Deutschen.“
„Wir erklären, dass unser Leben wieder normal geworden sei, aber wir kennen die Norm nicht und glauben auch nicht, dass es eine gibt.“

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„Man muss auch eine Sache, von der man nichts weiß, zu Ende denken können. Niemand soll uns vor­werfen, dass wir dessen nicht fähig seien.“
(
ohne dass er schon eine „Bun­des­kanz­lerin“ anti­zi­pierte
Ich werde nochmal auf Friedrich Sieburg zurückkommen.
Wie äußert sich diese deutsche „Lust am Untergang“?
Es war u.a. ein Beitrag von Max Erdinger, der mir Anlass gab, hier und jetzt meine Betrach­tungen hinauszuposaunen.
Schon vor einem Jahr fand ich in der Neuen Zürcher Zeitung einen ähnlich düs­teren Kom­mentar, wie der von Erdinger mit dem Ein­gangs-Titel „Die deutsche Lust am Nie­dergang!“ von Wolfgang Bok. Der Jour­nalist führt scho­nungslos das deutsche Desaster vor. Vom Ban­ken­wesen bis zur Flücht­lings­po­litik, vom deut­schen Selbsthass bis zur „Ferns­ten­so­li­da­rität“.
* Z.B. Deutsche Bank, das letzte deutsche Geldhaus, das noch in der inter­na­tio­nalen Finanz-Liga mit­spielen darf. Deutsche Poli­tiker haben kein Interesse am Erhalt dieser für eine Export­nation wichtige Insti­tution, lieber empört man sich über Bonus­zah­lungen für Banker. Das kommt in der deut­schen Neid­ge­sell­schaft immer gut an.
* Die Auto­mo­bil­in­dustrie stellt jeden achten Arbeits­platz in Deutschland. Aber jede Unge­schick­lichkeit wird zum Gross-Skandal auf­ge­blasen und kein Poli­tiker wagt es, die deutsche Auto­mo­bil­in­dustrie gegen Anfein­dungen und Auf­lagen aus Washington oder aus Brüssel in Schutz zu nehmen. Asia­tische Bat­terie- und ame­ri­ka­nische Elek­tro­au­to­bauer sind will­kommen und die Metall­ge­werk­schaft nutzt die Gunst der Stunde, um den Ein­stieg in die 28-Stunden-Woche zu erstreiken und deutsche Pro­dukte zu verteuern.
* Die Ein­stellung der Deut­schen zur Flücht­lings­po­litik der Regierung resul­tiert aus einem Selbsthass und einer mora­li­sie­renden Erlö­sungs­sehn­sucht in weiten Teilen der Gesell­schaft. Als «Rassist» gilt, wer mit Blick auf die mas­sen­hafte Zuwan­derung aus ara­bi­schen und afri­ka­ni­schen Ländern um das Eigene fürchtet. Hun­dert­tau­sende bereits aner­kannte Asyl­be­werber und geduldete Migranten dürfen ihre Ange­hö­rigen ins Land holen. Dass sie sich nicht selbst ver­sorgen können, spielt keine Rolle wie auch die Frage nach den Kosten.
* Man muss bald nicht mehr nach Nord­korea, Kuba oder Vene­zuela reisen, um den real exis­tie­renden Sozia­lismus stu­dieren zu können, denn die Über­windung des „Kapi­ta­lismus“ wäre auch hier­zu­lande angeblich ein „Befrei­ungs­schlag“; so das  Kern­an­liegen der SPD- Jugend und der Jungen Grünen.
In einem Beitrag bei Cicero zitiert Wolfgang Bok auch den „Comedien“ Dieter Nuhr mit seinem Jah­res­rück­blick 2018:
„Die Che­mie­branche ist den Bach runter. Die Ener­gie­wirt­schaft wickeln wir gerade ab. Atom­aus­stieg, Koh­le­aus­stieg, jetzt stehen nur noch ein paar Wind­räder rum. Die Banken haben sich selbst zer­schossen. Nun sind wir auch noch dabei, unsere Auto­in­dustrie zu vernichten.“

„Es wird oft ver­gessen, dass es durchaus Wohl­stands­ein­bußen geben könnte, wenn wir nur noch Kar­toffeln pro­du­zieren. Ich fürchte, unser Wohl­stand basiert zu einem nicht geringen Teil auf der Auto­in­dustrie. Doch das Auto ist der Volks­feind Nr. 1. Wir ver­nichten gerade alles, was irgendwie unseren Sozi­al­staat bezahlen könnte.“

 „Wir wickeln die Diesel-Tech­no­logie ab für Antriebe mit Bat­terien, die man nir­gends laden kann und schon bei der Pro­duktion so viel CO2 aus­stoßen, dass man den Diesel noch gut acht Jahre hätte fahren können. Aber Bat­terien sind bestimmt vegan und glutenfrei.“
Dieter Nuhr gibt das Stichwort von der „grünen Lust an der Deindus­trie­ali­sierung“, die in den öko­no­mi­schen Nie­dergang mündet – was Max Erdinger zur Frage brachte, wer wählt denn die Grünen?
Stimmt das, was z.B. Oliver Nachtwey auch in seinem Kom­mentar „Deutschland ist im Eimer – auch ohne Merkel“ für die New York Times schreibt? Wie Erdinger sieht er die Grünen als Symbol und die Akteure am deut­schen Desaster. Ein Grund, die zu wählen, sei für viele Deutsche: sie „würden jene ein­sammeln, die den großen Par­teien nicht mehr zutrauen, der radi­kalen Rechten ent­ge­gen­zu­treten oder auch nur den Lebens­standard zu erhöhen.“

Das ist ein Aspekt, dass vielen Deut­schen die Grünen sozu­sagen als die edlere und mora­lische Variante, als die „saubere“ Antifa erscheinen möchten.
Nachtwey hätte noch erwähnen können, dass die Wähler der Grünen im Regelfall zu jenen Schichten gehören, die selbst auch in Zeiten der Krise stets ihre Schäfchen im Tro­ckenen haben. Es sind die (angeblich) gut gebil­deten urbanen Schichten, die dem Anblick und den Gege­ben­heiten der sozialen Ver­wer­fungen aus­weichen können, die ihre Kinder in Pri­vat­schulen schicken, die in den schicken Stadt- oder Vorort-Revieren wohnen, um dem Anblick der pre­kären Ver­hält­nisse und einem nicht inte­grierten Mob aus­zu­weichen. Mit ihren kul­tu­rellen und poli­ti­schen Ideen und Zielen, mit deren Kon­se­quenzen und Kosten zum Aufbau und Erhalt einer immer mäch­tiger wer­denden Kon­troll- und Sozi­al­bü­ro­kratie sind sie Ursache dafür, dass der Mit­tel­schicht und der Arbei­ter­schaft Wohl­stand und Auf­stieg zunehmend verbaut werden. Das hat der „Comedien“ Dieter Nuhr in seinem Rück­blick auf Deutschland eben­falls iden­ti­fi­ziert. Nicht nur nebenbei erwähnt er dabei auch das „her­un­ter­ge­wirt­schaftete und ideo­lo­gi­sierte Bil­dungs­wesen“, das die roten und „grünen Khmer” Deutsch­lands zu ver­ant­worten haben.
„Ein Land, das die Grünen hat, muss Schreck­liches durch­machen.“ (Michael Klo­novsky)
Sieburg beklagte in seinem Essay die „Lust an der Unfreiheit“ und auf­kom­menden  „Kon­sum­terror“, den er damals beobachtete.
Es muss schon „Lust an der Unfreiheit“ sein, wenn man den mora­lisch auf­ge­la­denen Ver­hal­tens­regeln, den Leit­ideen der Grünen folgen will, welche diese der Gesell­schaft und dem Staat unver­blümt durch Zwang über­stülpen wollen. Die Grünen betreiben  „Kon­sum­terror“, jedoch in der anderen Art, als solchen Sieburg regis­trierte. Der „Alles­fresser Mensch“, soll mittels Ver­ord­nungen und Gesetze mit Ächtung und Stig­ma­ti­sierung mensch­ge­rechter Lebens- und Ernäh­rungs­weisen und durch Zer­schlagung der klas­si­schen Land­wirt­schaft, in einen fried­lichen, gerne auch wie­der­käu­enden Pflan­zen­fresser umge­wandelt werden.
Sieburg wusste noch nichts von der öko­lo­gi­schen Bewegung und dem Frei­heits-toxi­schen Phä­nomen namens „Grüne“ – aber man kann schon mit ihm räsonieren:
„Das ist das Ende unbe­küm­merten Löffelns.“
und
»Möglich, dass der Mensch gut ist. Aber wir wollen es lieber nicht darauf ankommen lassen.«

Es ist wohl ein Aus­fluss der „deut­schen Seele“, dass man sich hier­zu­lande die Apo­ka­lypse selbst erzeugt. Die „deutsche Seele“ die als eine Berei­cherung der Welt­kultur die deutsche Romantik in Lite­ratur, Kunst und Phi­lo­sophie hervorbrachte.
Die Schrift­stel­lerin Thea Dorn resümiert:
„Je mehr die deutsche Seele aber zer­franst und sich vom Dies­seits abwendet, ohne auf den Trost im himm­li­schen Jen­seits zu setzen, desto mäch­tiger zieht es sie zum unter­ir­di­schen Jen­seits, zum Abgrund hin, in dem alles möglich scheint. Wer den Erdrücken als kalt und unwirtlich emp­findet und den Himmel für eine allzu wolkige Utopie hält, der sucht sein (ver­meint­liches) Heil im Schoß der Erde. Die unent­fremdete, wahre Heimat wandert in die Tiefe ab.“

Reiß mich an deinen Rand
Abgrund – doch wirre mich nicht!
Stefan George

“Wirre mich nicht!“
Ver­loren gegangen sind durch eigenes Ver­schulden, durch den Ein­fluss der roman­ti­sie­renden Grünen und der angeblich so auf­ge­klärten Eliten in Deutschland: feste Ordnung, Klarheit und Maß, Objek­ti­vität, Gesetz und Ver­nunft.
Alles das gilt es wiederzuerlangen.
Aber wer führt uns dahin?
Von den gegen­wär­tigen selbst­ge­fäl­ligen poli­ti­schen Kräften – den Par­teien und dem schma­rot­zenden Estab­lishment in Medien, Wis­sen­schaften und den Kirchen ist das nicht zu erwarten.

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Wie kriegen wir die denn wieder los? Wer soll an deren Stelle treten?
Einer Hoffnung weckenden libe­ralen Ordnung mit Besinnung auf das Erhal­tens­werte sind die klugen Köpfe abhanden gekommen.
Haben wir in Deutschland über­haupt noch aus­rei­chende „Resi­lienz“, um aus dem sicheren Nie­dergang wieder auch einen Auf­stieg hervorzubringen?
Man bleibt in Rat­lo­sigkeit zurück und fragt sich, ob wir uns denn nicht doch auf die „Apo­ka­lypse“ mit einem totalen Zusam­men­bruch ein­stellen sollten, wie er ver­gleichbar sich in Deutschland vor 75  oder schon mal vor 370 Jahren ereignet hatte – und über­wunden wurde?
Brauchen wir nicht doch wieder so ein Pur­ga­torium, das uns endlich wieder zur Besinnung bringt?
Da ist er auch bei mir anscheinend ange­langt, dieser (Kultur-) Pes­si­mismus, vor dem schon mal Fritz Stern, der deutsch-jüdische His­to­riker, Freund von Helmut Schmidt, gewarnt hatte: als eine „poli­tische Gefahr“.
Ich glaube aber an die resi­dente Kraft der­je­nigen, „die schon länger hier leben“, das latente Ver­derben zu erkennen und sich schließlich doch von den erkannten Ver­ur­sa­chern zu befreien. Diese werden gewiss alles in ihrer Macht Ste­hende ein­setzen, um das zu ver­hindern. Das jüngste, angeblich demo­kra­tische Gebaren in den Par­la­menten – in Berlin und in Hessen – weist einmal mehr darauf hin. Doch auch bei den bis­he­rigen Miet­mäulern und Miet-Schreibern in Funk und Presse ist nach und nach ein zunehmend kri­ti­scher Blick darauf zu erkennen.
Es gilt, dass es „noch mehr“ werden, die den Finger in die Wunde legen, Ross und Reiter der Apo­ka­lypse scho­nungslos benennen und brand­marken. Nur so können wir sie los­kriegen. Aber es wird doch Schmerzen brauchen, um für den Prozess der Erneuerung mehr als nur zu sen­si­bi­li­sieren. Wenn schon nicht mehr aus den Bergen, so doch aus dem „Osten“ könnte die Rettung erstehen.

*) „altmod“ ist Facharzt und Blogger (altmod.de) sowie Kolumnist bei conservo.wordpress.com