Greta Thunberg - Bild: Screenshot Youtube

Die Greta-Glosse

Ver­meint­liche Gut­men­schen mit einer gewissen Erlöser-Aura gab es zu allen Zeiten, auch wenn sie nicht alle hei­lig­ge­sprochen wurden, von welcher Ideo­logie auch immer. Die wirklich großen, außer­ge­wöhn­lichen Per­sön­lich­keiten, die diese Welt berei­chern oder viel­leicht sogar vor einer Kata­strophe gerettet haben, sind selten und werden auch nur selten als solche erkannt. Umso lieber feiert unser medial wie ethisch ver­wahr­loster Planet jene Märchen-Figuren, die, scheinbar aus dem Nichts kommend, ins gestörte Schalt­schema ein­ge­schossen werden wie Plasma in die Vene. Das hebt die Stimmung und den Schwung enorm, wenn auch manchmal nur für kurze Zeit. Harmlos ist das nicht, trotzdem ziemlich bizarr. Die schwe­dische Schü­lerin Greta mit den Rot­käpp­chen­zöpfen, samt ihrer glo­balen Entourage, ist so ein Fall. Nun schwant wohl auch den gerührten Grü­ninnen von Habecks Graden, dass sie da einer von vorn­herein schlechten Glosse aufsitzen.

(Von J.E. Rasch)
Schon als Greta Thunberg, das 16-jährige Mädchen mit dem etwas stoi­schen Blick, erstmals in den Medien auf­tauchte, um nach und nach eine nahezu weltweit beachtete Kam­pagne unter dem Begriff „Friday for Future“ ins Rollen zu bringen, müsste min­destens den kri­tisch den­kenden Auguren in den sou­ve­ränen Redak­tionen gewisser Zei­tungen ein Licht auf­ge­gangen sein: Schul­streiks von krei­schenden Teen­agern an Frei­tagen, noch während der Unter­richtszeit, haben zunächst die Qua­lität von Laus­bu­ben­ge­schichten. Aber die tat­sächlich chao­tische Umwelt­po­litik der alten Frauen und Männer von Merkel bis Trump ändern sie nicht. Die Betrof­fen­heits­adressen aus ver­ein­zelten Amts­stuben sind so hohl wie die Bam­bus­stangen, auf denen sich Groß­grund­be­sitzer heute noch durch den bra­si­lia­ni­schen Regenwald tragen lassen, bevor sie ihn gna­denlos roden, ver­steht sich.
Ein erheb­licher Teil der Schüler (bei­derlei Geschlechts!) hat immerhin schnell durch­schaut, auf welchem Mar­keting-Rössl die kleine Greta da ein­her­ge­ritten kommt. Und weit mehr als die Hälfte der Protest-Infanten, die sich da – anfangs – zu Tau­senden in die Schilder- und Trans­pa­ren­ten­wogen geworfen haben, geben, wenn auch anonym und inof­fi­ziell aber frei­mütig zu, dass sie „dabei“ gewesen seien, weil für sie dadurch „Schule dann schon am Freitag mal Pause“ gehabt habe. Der Protest im Schutz der trotzig-mutigen Greta sei halt nur ein amü­santer Nebeneffekt.
Der Mar­keting-Coup, den aller Wahr­schein­lichkeit nach Gretas schrei­bende Mutter und ihr akti­vis­ti­scher Papa gelandet haben, hat trotz allen Kalküls unge­wohnt schnell Wirkung gezeigt und Ausmaße ange­nommen wie lange nichts mehr – seit Lady Dianas erstem Sei­ten­sprung, viel­leicht; das war zu Zeiten des Wald­sterbens. Wir erinnern uns vage. Heute wie damals reichte die Anteil­nahme von gemüts­be­tonter Rührung, ob der Stand­haf­tigkeit der umschwärmten Prot­ago­nistin, bis hin zum wütenden Aufruf zur Soli­dariät, wie auch immer die aus­zu­sehen hätte. Man wagt gar nicht, genauer darüber nachzudenken.
Der traurige Gipfel der Ignoranz wurde aller­dings erreicht, als Greta, das trotzige Gör, gar für den Frie­dens­no­bel­preis vor­ge­schlagen wurde.

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Selbst frie­dens­zar­teste Eso­te­riker fürchten angeblich erschrocken, draußen in den kos­mi­schen Weiten den gleich­falls ver­störten Welt­geist wiehern zu hören…
Dagegen ist der holprige Brexit von Fla­mingo-Dame Theresa natürlich eine unap­pe­titlich grobe Schlamm­schlacht, die einfach nur noch viel teurer und gröber werden dürfte, doch der Greta-Glosse in Sachen Absur­distan nicht das Wasser reichen kann, das Klein-Greta so gern in öko­lo­gi­schen Wein ver­wandeln möchte.
Auf diesem desas­trösen Kon­tinent ist also schon so viel unglaublich Aber­wit­ziges möglich, dass sich einem schon beim bloßen Hin­schauen der Magen umdreht. Im Ver­ei­nigten König­reich, solange es noch als solches bezeichnet werden kann, laufen die alten Impe­ria­listen zwar schon gegen die Wand, aber die Stur­köpfe bluten wohl noch nicht genug.
Und im Kopf­windel- und Inter­net­spaß­gebiet Deutschland läuft es auch nicht besser. Nur ist das deutsche Gesell­schafts­be­wusstsein schon weit­gehend sehr ver­wässert und ver­harmlost. Selbst wenn ara­bische Clans und alba­nische und sonst­woher kom­mende Mafiosi ganze Städte terrorisieren.
In einem Land, in dem kul­tu­relle Ambi­tionen mas­senhaft an aus­ge­spro­chenen Nichts­könnern, wie einem nur grö­lenden – und kei­nes­falls sin­genden – Herbert Grö­ne­meier oder einem dritt­klas­sigen, piep­senden Schla­ger­sternchen wie einer Helene Fischer (samt aller glei­cher­maßen peinlich „atem­losen“ Wett­ei­ferer) gemessen werden, in einem solchen Land, das einst als eines der Dichter und Denker, der wis­sen­schaft­lichen Pio­niere und künst­le­ri­scher Titanen von bester Pro­ve­nienz gesehen wurde, ist es doch dann auch nicht mehr ver­wun­derlich, dass eine Angela Merkel schon über 13 Jahre die „vor­ste­hende“, staatlich bezahlte Ver­wal­tungs­an­ge­stellte spielen kann – und ist es also auch nicht mehr über­ra­schend, – wenn auch bla­mabel – dass an Gretas Glosse so gefühls­du­selig mit­ge­schrieben wird. Der sicht­barste Aus­druck dieser sen­ti­men­talen Kut­schen­fahrt durch die ver­blödete Gut­men­schen-Republik ist aller­dings jetzt die Ver­leihung der „Gol­denen Kamera“ an Greta Thunberg. „Heile, heile Gänsje…“
Der Arroganz bri­ti­scher Peers steht die Ignoranz pseudo-teu­to­ni­scher Win­kel­eu­ropäer jedoch in nichts nach. Der gesamte Kon­tinent wird über­haupt in weiten Teilen von einer abge­half­terten Clique durch die gegen­wär­tigen Kri­sen­zeiten geschupst. Jean-Claude Juncker ist ihr ein­drück­lichster Prot­agonist; ein küs­sender Früh­stücks­di­rektor mit der Beschaf­fenheit des nicht minder bau­ern­schlauen wie spenden-affinen Helmut Kohl. Dessen zahl­reiche „schwarze“ Koffer waren wohl und sicher auch in Onkel Jean-Claudes steu­er­pa­ra­die­si­schem Lüxem­bürgchen auch gut aufgehoben.
Greta also, die stups­näsige Schwedin mit dem spröden Charme einer Lön­ne­bergaer Zie­gen­hü­terin, will – nein: soll uns glauben machen, dass sich diese Gene­ration Smart­phone-ver­spannter Teenager, die sich scha­ren­weise jedenTag von ihren Heli­kopter-Eltern bevorzugt im SUV zur Schule chauf­fieren lassen, um unsere tat­sächlich plas­tik­ver­seuchte, Co2-erhitzte und ölver­schmierte Welt kümmern möchte. Oder wie?
Man darf mit einer gewissen Gelas­senheit darauf warten, dass sich die Spuren von Greta im Sande verlaufen.

Der Autor: Joseph-Emich Rasch – Jahrgang 1953 – ist Lin­guist, Dra­maturg und Kolumnist, schrieb und insze­nierte diverse Thea­ter­stücke sowie zahl­reiche Satire-Pro­gramme, wandte sich im ver­gan­genen Jahr­zehnt ver­mehrt der Ana­ly­ti­schen Phi­lo­sophie zu. Er ist Dozent für Kom­mu­ni­kation, Rhe­torik und Dialektik.
conservo.wordpress.com