Putin der Schreckliche! - Photo: https://www.pocketmeta.com

ZDF und Spiegel melden “Skandal”: Hat Russland einen Abge­ord­neten der AfD “in der Tasche”?

Wir sehen große Schlag­zeilen heute, weil Russland angeblich Ein­fluss auf Poli­tiker in der EU genommen hat. Das Ganze ist das Ergebnis von gemein­samen Recherchen von SPIEGEL, ZDF, der bri­ti­schen BBC und der ita­lie­ni­schen Tages­zeitung „La Repubblica“. Was steckt dahinter und wie kann man es einordnen?
(Von Thomas Röper)
Fangen wir mit der Frage an, ob es eigentlich so schlimm ist, wenn Russland tat­sächlich Ein­fluss auf Abge­ordnete haben sollte. Ja, das wäre schlimm, denn jeder Staat hat das Recht darauf, dass sich niemand in seine inneren Ange­le­gen­heiten ein­mischt. Aber wir leben ja nicht in einer idealen Welt und der Westen mischt sich mehr als alle anderen in die inneren Ange­le­gen­heiten anderer Staaten ein.
In Syrien wurden nicht bloß irgend­welche Poli­tiker vom Westen beein­flusst, da hat der Westen gleich radikale Isla­misten bewaffnet und einen Krieg mit einer halben Million Toten los­ge­treten. Nein, das ist weder eine Ver­schwö­rungs­theorie oder „rus­sische Pro­pa­ganda“, das haben die USA selbst zuge­geben, die Akten der CIA-Ope­ration „Timber Sycamore“ sind fast kom­plett öffentlich gemacht worden.
In der Ukraine haben die Staaten des Westens ganz offen Par­teien, die nach ihrer Pfeife tanzen, finan­ziell, logis­tisch und mit Beratern unter­stützt. So hat die CDU und deren EU-Dach­or­ga­ni­sation EVP ganz offen die Partei „Udar“ von Klit­schko unter­stützt und tut das auch wei­terhin. Und beim Maidan haben sich die Poli­tiker des Westens die Klinke in die Hand gegeben und die Men­schen zu einem Putsch auf­ge­rufen, den es dann ja auch Ende Februar 2014 gegeben hat. Alle Details zur Ukraine-Krise 2014 finden Sie in meinem Buch dazu.

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In Vene­zuela beob­achten wir aktuell, dass der Westen nicht nur einen Poli­tiker in der Tasche hat, wir können sogar seit über zwei Monaten live zuschauen, wie der Westen diesen eben­falls bei einem Putsch­versuch unter­stützt. Und das, obwohl der Wis­sen­schaft­liche Dienst des Bun­des­tages dies als Bruch des Völ­ker­rechts ein­ge­stuft hat. Aber was kümmert die Bun­des­re­gierung unter Merkel das Völkerrecht?
Und wie war das mit dem soge­nannten „ara­bi­schen Frühling“, als der Westen die Oppo­si­tionen in Nord­afrika unter­stützt hat und eben­falls Putsche gefördert hat? Demo­kra­tisch ist dadurch dort nichts geworden, es wurden nur Dik­ta­toren aus­ge­tauscht. Aber der Westen hatte seine Hände kräftig im Spiel und in Libyen wurde quasi im Vor­über­gehen noch ein Staat völ­ker­rechts­widrig in die Steinzeit gebombt, was zu hun­dert­tausend Toten und der unkon­trol­lierten Flücht­lings­welle nach Europa geführt hat.
Und in Russland wird eben­falls nach Oppo­si­tio­nellen gesucht, die man gegen den unge­liebten Putin in Stellung bringen kann.
Was ist das alles, wenn nicht Ein­mi­schungen des Westens in die Politik anderer Länder?
Aber wehe, jemand tut so etwas in west­lichen Ländern, dann ist die Ent­rüstung groß! In den USA beob­achten wir seit fast drei Jahren eine Hexenjagd, die trotz 50 Mil­lionen Dollar Budget noch nicht einmal ein greif­bares Ergebnis gebracht hat, es war und ist eine grundlose Hys­terie, die aber von Medien und Politik trotzdem kräftig befeuert wird. Oder wie war das, als ein ita­lie­ni­scher Minister sich auch nur ver­ständ­nisvoll über die Gelb­westen geäußert hat? Macron war darüber so sauer, dass er den Bot­schafter aus Rom abbe­rufen hat, ein ein­ma­liger Vorgang innerhalb der EU, und das letzte Mal ist so etwas zwi­schen den beiden Ländern bei Kriegs­aus­bruch 1940 geschehen.
Wir beob­achten also eine große Dop­pel­moral im Westen. Während der Westen sich überall ein­mischt und bei Bedarf auch ganze Länder in die Steinzeit bombt, wenn ihm Regie­rungen nicht gefallen, reagiert er hys­te­risch, wenn jemand ver­sucht, sich im Westen ein­zu­mi­schen. Übrigens sind im Haushalt des US-Außen­mi­nis­te­riums 50% des Jah­res­budgets für Ein­mi­schungen in anderen Staaten vor­ge­sehen, das sind immerhin knapp 25 Mil­li­arden für – wie es hübsch umschrieben wird – „inter­na­tional assis­tance“. Von solchen Summe können andere nur träumen.
Von all den soge­nannten NGOs, die von west­lichen Staaten finan­ziert werden, gar nicht zu reden. Schon der Begriff NGO (Nicht-Regie­rungs-Orga­ni­sation) ist ein Hohn, wenn sie Finan­zierung und Anwei­sungen von Staaten und Regierung bekommen. Und all diese „NGOs“ mit so wohl­klin­genden Namen wie „National Endowment for Demo­cracy“, „Reporter ohne Grenzen“ und wie sie alle heißen, sind kom­plett von den Staaten der Nato finan­ziert und kon­trol­liert, und sie haben nur einen Daseins­zweck: Die Ein­mi­schung in die Politik anderer Länder. Von Soros, der dabei mit den Nato-Staaten zusam­men­ar­beitet und als angeb­licher Wohl­täter vor allem dort aktiv wird, wo er finan­ziell enga­giert ist und seinen Gewinn mehren kann, gar nicht zu reden.
Und was sollen nun andere Länder tun, wenn der Westen so offensiv vorgeht? Sollen sie die Hände in den Schoss legen und sich das ohne Gegenwehr gefallen lassen? Aus Sicht der west­lichen Medien und Politik wird genau das von zum Bei­spiel Russland und China erwartet. Nur sehen die das etwas anders und wollen sich das nicht gefallen lassen.
Natürlich haben weder Russland noch China ein so ein­ge­spieltes Orchester von „NGOs“, Think Tanks und Stif­tungen, wie es der Westen in über 70 Jahren auf­gebaut und per­fek­tio­niert hat. Aber dass sie sich wehren, muss jeder ver­nünftig den­kende Mensch ver­stehen und sollte nie­manden verwundern.
Nun aber zu aktu­ellen Ent­hül­lungen, wenn es denn über­haupt welche sind. In Deutschland melden das ZDF und der Spiegel in weit­gehend wort­gleichen Artikeln, dass Russland den AfD-Abge­ord­neten Markus Frohn­maier „absolut unter Kon­trolle“ haben soll, wie das ZDF in der Über­schrift schreibt.
Das ist gut, da hat man gleich zwei Feind­bilder auf einen Schlag bedient, die AfD und Russland. Ein Fest für die Medien! Aber wie immer lohnt es sich, genau zu lesen, auf welche Quellen sie sich berufen.
Bei Spiegel und ZDF steht dieser Satz wort­gleich im ersten Absatz der Artikel:
„Nach gemein­samen Recherchen von SPIEGEL, ZDF, der bri­ti­schen BBC und der ita­lie­ni­schen Tages­zeitung „La Repubblica“ kur­sierte in der Prä­si­di­al­ver­waltung von Wla­dimir Putin vor der Bun­des­tagswahl 2017 ein Stra­te­gie­papier über Akti­vi­täten, mit denen die EU-Staaten desta­bi­li­siert und Pro­pa­ganda für rus­sische Posi­tionen ver­breitet werden sollte.“
Nun ist das Problem, dass Russland die EU weder desta­bi­li­sieren, noch schwächen will, wie immer unter­stellt wird. Das habe ich mit unge­zählten Zitaten und Belegen in meinem Buch über Putin nach­ge­wiesen: Das Ziel Russ­lands ist ein „gemein­samer kul­tu­reller und wirt­schaft­licher Raum von Lis­sabon bis Wla­di­wostok“ und um dieses stra­te­gische Ziel zu erreichen, braucht Russland zwangs­läufig eine starke und einige EU. Russ­lands Ziel ist es in Wahrheit, die EU so sehr zu stärken, dass sie sich von Washington eman­zi­pieren kann. Das hat Putin schon in seiner Rede vor dem Bun­destag 2001 sehr deutlich auf Deutsch gesagt und daran hat sich seitdem nichts geändert.
Putins igno­rierte Bun­des­tagsrede vor 17 Jahren: Plä­doyer für ein gemein­sames euro­päi­sches Haus
https://youtu.be/dEMQs2v8rNc
Die Details dieser Politik Putins können Sie detail­liert in meinem Buch nach­lesen. Und in diesem rus­si­schen Ziel, eine starke EU zu fördern, liegt auch der Grund dafür, dass die USA von Anfang an Putin ver­teufelt haben und die Medien auf diesen Zug auf­ge­sprungen sind. Die USA sind an einer schwachen EU inter­es­siert, die sie wei­terhin weit­gehend kon­trol­lieren können.
Aber zurück zu dem „Stra­te­gie­papier“, auf das sich die Medien heute berufen. ZDF und Spiegel schreiben wieder wortgleich:
„Das Papier wurde in einer E‑Mail am 3. April 2017 an einen hohen Beamten in der rus­si­schen Prä­si­di­al­ad­mi­nis­tration geschickt. Als ein kon­kretes Projekt wird die geplante „Unter­stützung“ der Bun­des­tags­kan­di­datur des AfD-Poli­tikers Markus Frohn­maier genannt, der schon damals mit russ­land­freund­lichen Posi­tionen auffiel.“
Und sie berufen sich auf einen unge­nannten „ehe­ma­ligen hoch­ran­gigen Nach­rich­ten­dienst­mit­ar­beiter“ der das Papier für „plau­sibel“ hält. Klingt gut, aber geht es auch kon­kreter? Wer ist dieser unge­nannte „Experte“ und bei welchem Geheim­dienst war er tätig? Das sollte man doch wissen, wenn man seine Ein­schätzung ein­ordnen möchte.
Aber besonders inter­essant ist die Her­kunft des Papiers, ich zitiere das ZDF:
„Die Recherchen basieren auf Material, die das Dossier Center in London zur Ver­fügung gestellt hat. Die Orga­ni­sation wird vom rus­si­schen Geschäftsmann und Kreml-Kri­tiker Michail Cho­dor­kowski finanziert.“
Cho­dor­kowski ist ein ehe­ma­liger rus­si­scher Oligarch und rechts­kräftig ver­ur­teilter Betrüger und Steu­er­hin­ter­zieher. Obwohl die Medien gerne davon ablenken, ist es trotzdem wahr und wurde vom Euro­päi­schen Gerichtshof für Men­schen­rechte bestätigt. Der hat ein­deutig ent­schieden, dass der Prozess gegen Cho­dor­kowski nicht poli­tisch moti­viert war, sondern dass er sich dieser Straf­taten schuldig gemacht hat. Lediglich an den Haft­be­din­gungen hatte der Euro­päische Gerichtshof für Men­schen­rechte etwas zu kritisieren.
Cho­dor­kowski ist ein erklärter Gegner Putins, der mit Putin noch eine Rechnung offen hat. Es ist also kei­neswegs eine neu­trale Quelle, auf die sich die Medien berufen, im Gegenteil ist es eine sehr par­tei­ische Quelle. Ob das Dokument, das ZDF und Spiegel von einem rechts­kräftig ver­ur­teilten Betrüger bekommen haben und auf das sich diese Vor­würfe stützen, echt ist, kann niemand nachprüfen.
Aber wie gesagt, würde es mich gar nicht wundern, wenn Russland ver­suchen würde, seine Inter­essen zu lob­by­ieren. Das tut jedes Land und vor allem tut es der Westen überall auf der Welt. Es wäre schön, wenn kein Land so etwas tun würde, aber da kann der Westen ja mit gutem Bei­spiel vor­an­gehen und seine Akti­vi­täten etwas redu­zieren. Wie gesagt, alleine das US-Außen­mi­nis­terium hat dafür ein jähr­liches Budget von ca. 25 Mil­li­arden. Das Pen­tagon hat in seiner Pro­pa­ganda-Abteilung 27.000 Mit­ar­beiter und ein Budget von meh­reren Mil­li­arden. Und es gibt noch mehr Minis­terien in den Nato-Staaten, die eben­falls Budgets für diese Politik der Ein­mi­schung in die inneren Ange­le­gen­heiten anderer Länder haben.
Ob Russland nun tat­sächlich das getan hat, was ihm heute vor­ge­worfen wird, kann man nicht nach­prüfen. Aber ich finde ein Zitat aus Putins Bun­des­tagsrede nach­den­kenswert: „Zwi­schen Deutschland und den USA liegt ein Ozean, zwi­schen Deutschland und Russland liegen 1.000 Jahre gemeinsame Geschichte„.
 

Thomas Röper — www.anti-spiegel.ru
Thomas Röper, Jahrgang 1971, hat als Experte für Ost­europa in ver­schie­denen Ver­si­che­rungs- und Finanz­dienst­leis­tungs­un­ter­nehmen in Ost­europa und Russland Vor­stands- und Auf­sichts­rats­po­si­tionen bekleidet, bevor er sich ent­schloss, sich als unab­hän­giger Unter­neh­mens­be­rater in seiner Wahl­heimat St. Petersburg nie­der­zu­lassen. Er lebt ins­gesamt über 15 Jahre in Russland und betreibt die Seite  www.anti-spiegel.ru. Die Schwer­punkte seiner medi­en­kri­ti­schen Arbeit sind das (mediale) Russ­landbild in Deutschland, Kritik an der Bericht­erstattung west­licher Medien im All­ge­meinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.
Thomas Röper ist Autor des Buches „Vla­dimir Putin: Seht Ihr, was Ihr ange­richtet habt?“