By MOs810 - Own work, CC BY-SA 4.0, Link

Euro­pawahl: Meine Stimme für die euro­päische Einheitsfront?

Was machen Sie eigentlich am 26. Mai? Sie müssen nicht im Kalender nach­sehen, es ist ein Sonntag, der Tag der Euro­pawahl. Meine Tages­ge­staltung wird sicher eher vom Wetter als vom Klima abhängen, aber eines weiß ich heute schon sicher: Wählen werde ich nicht. Und bevor Sie jetzt empört auf­hören zu lesen, muss ich Ihnen mit­teilen, dass ich mich kundig gemacht habe: Ich muss auch nicht! Niemand kann mich zwingen. Nicht mal mora­lisch, auch wenn dies im Wahl­kampf im Vorfeld immer wieder ver­sucht wurde, denn wer nicht wählt oder sein Kreuz an der fal­schen Stelle setzt, wolle doch nichts weniger, als Europa zer­stören. Ich sehe das anders.
Leicht habe ich mir diese Ent­scheidung nicht gemacht, denn ich lasse sonst keine Wahl aus. Aber im Gegensatz zu Kommunal‑, Landtags- oder Bun­des­tags­wahlen gibt es für das EU-Par­lament keine poli­tische Kon­stel­lation, der ich mit meiner Stimme ans Ruder ver­helfen möchte. Da ich kein Freund von „Pro­test­wahlen“ und Stimm­zetteln als „Denk­zettel“ bin und man wegen der feh­lenden Pro­zent­klauseln sein Kreuz auch nicht gefahrlos bei einer klei­neren oder Spaß­par­teien wie „Die Partei“ machen kann, weil dies poli­ti­schen Hüt­chen­spielern wie Son­neborn und Sen­srott zu Spe­sen­konto und Sit­zungs­geldern ver­helfen würde, muss ich leider die Leihgabe meiner Stimme ver­weigern. Niemand bekommt sie. Denn was da in Brüssel und Straßburg pas­siert, ist kein Spaß, sondern ein Witz. Ein Witz auf Kosten der Bürger. Ich bin, um es mit einem Film­zitat zu sagen, „mit der Gesamt­si­tuation unzu­frieden“ – ganz zu schweigen von einigen häss­lichen Details.
Ein Wahl­kampf, der keiner ist
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Eine Aussage zieht sich wie ein roter Faden durch die pla­ka­tiven Bot­schaften der soge­nannten „pro-euro­päi­schen“ Par­teien, die gemeinsam, wenn auch ungesagt, als eine Art „demo­kra­ti­scher Block“ dafür stehen wollen, dass Europa immer enger, stärker, ver­einter, größer, mäch­tiger und welt­be­stim­mender wird. Es gelte den über­kom­menen Natio­na­lismus zu bekämpfen, weil der von gestern sei – die Zukunft gehöre einem immer umfas­sender ver­einten Europa, das der Welt seinen schönen Stempel auf­drücken müsse. Parolen, die immer wieder zu hören sind, lauten „Das kann nur Europa lösen“ oder „Nationale Allein­gänge führen in die Iso­lation“. Hier wird eine Idee zum Dogma erhoben und niemand fragt nach, ob sie so weit trägt.
Es ist die Idee der immer stär­keren Zen­tra­li­sierung und der glo­balen Macht­zentren in einer kol­lek­ti­vis­ti­schen Welt­ge­sell­schaft. Die für dieses kris­tallene Utopia ver­wen­deten For­mu­lie­rungen atmen eine Kälte, wie man sie aus frü­heren Zeiten und von heils­ver­spre­chenden natio­na­lis­ti­schen Bewe­gungen kennt. Motto: „Du bist nichts, die Bewegung ist alles!“ Die EU-Auguren stellen glatt in Abrede, dass es außerhalb der EU und besonders in kleinen Staaten über­haupt freies und erfolg­reiches Leben geben könne. Wie die Schweiz, Sin­gapur oder Island mit dem Umstand zurecht­kommen, sich außerhalb der Sonne Brüssels auf­halten zu müssen, sollte man besser nicht fragen. Es muss dort schrecklich sein.
Ist „Europa“, das gern und unbe­rech­tig­ter­weise synonym mit „EU“ ver­wendet wird, tat­sächlich die Lösung aller Pro­bleme? Wenn Größe ein Merkmal der Über­le­bens­fä­higkeit wäre, müssten wohl heute noch die Dino­saurier auf diesem Pla­neten das Sagen haben oder das Römische Reich, das Osma­nische Reich oder die Sowjet­union ton­an­gebend sein. Größe, wenn sie nicht mit großer Homo­ge­nität gekoppelt ist, ist eine Illusion, die sich in der Rea­lität der EU derzeit langsam in Luft auflöst. Die Briten ver­lassen die EU, die Türkei wird ihr nie ange­hören und die Bei­tritts­kan­di­daten im Süden und Osten sind noch weit davon ent­fernt, die Kri­terien zu erfüllen – von teil­weise unge­lösten Ter­ri­to­ri­al­kon­flikten (etwa mit Russland) ganz zu schweigen – und auch innerhalb der EU gibt es die eine oder andere Bau­stelle: Italien, Grie­chenland, Rumänien, das gelb­be­westete Frank­reich … die Liste ist unvollständig.
Flucht nach Brüssel
 

Es ist viel geschrieben und gelästert worden über den inhalts­leeren Wahl­kampf mit seinen Null­aus­sagen und ver­un­glückten Sinn­sprüchen, man könnte sich an Äußer­lich­keiten der Plakate reiben, wenn etwa die Grüne Annalena Baerbock in Peter-Pan-Pose mit dem Spruch „Wer den Pla­neten retten will, muss mit diesem Kon­tinent anfangen“, um Stimmen für ihre galak­ti­sches Ret­tungs­mission wirbt oder Nikola Beer von der FDP mit einer Play­mobil-Nudel­hals­kette posiert, als wäre ihr die Last jetzt schon zu groß. Alter­na­tivlos kommt dieses Europa nicht rüber, eher als irgend­etwas zwi­schen hirn­weich und al dente. Und dann ist da auch die Kam­pagne von Katarina Barley von der SPD, die anscheinend gleich die Fotos ihrer Tochter für ihre Plakate ver­wendete. Ist das noch Politik, oder kann das weg? Und warum will Barley über­haupt weg nach Brüssel? Sie ist ja nicht die zweit­ge­borene Tochter des Müllers aus Grimms Märchen, die die Mühle nicht erbt und deshalb auf der Suche nach ihrem Glück in die Fremde ziehen muss – sie ist bereits amtie­rende Minis­terin eines der Schlüs­sel­mi­nis­terien in Deutschland! Und sie hat noch nicht mal eine Wahl ver­loren wie Öttinger oder McAl­lister, „musste“ also nicht gehen!

 

Als wenn juris­tisch in Deutschland nichts mehr zu tun wäre oder im Argen läge! Anste­hende Ent­schei­dungen, wie etwa die Frage, ob eine Mehrehe der Ein­bür­gerung im Weg stehen sollte, schiebt die Minis­terin jeden­falls weit weg, in die Zeit nach der Euro­pawahl, wenn sie längst ihre Koffer zwi­schen Brüssel und Straßburg hin und her fahren lässt. Kommt Herbst, kommt Rat, kommt Kalifat. Wir haben es in Deutschland ja nicht eilig mit poli­ti­schen Ent­schei­dungen! Außer sie betreffen den Welt­un­tergang in zwölf Jahren. Solche Unge­reimt­heiten ver­miesen mir die Stimmung.

 

Barleys Abflug bringt mich gleich zum nächsten Punkt, der mir gewaltig stinkt. Denn bereits im März berichtet unsere Jus­tiz­mi­nis­terin stolz von ihren Umzugs­vor­be­rei­tungen, die Wohnung in Berlin sei schon gekündigt. In der Tat kann sie sicher sein, dass es im Mai zum Mandat reichen wird, denn bekanntlich gibt es in einer Euro­pawahl über­haupt keine Direkt­kan­di­daten, sondern nur Par­tei­listen. Und da Barley auf Lis­ten­platz 1 steht und die SPD wohl mehr als 0,5% der Stimmen erhalten wird, ist sie gesetzt. Es ist also eine Ja-und-Amen-Wahl, eine Wahl von Partei-Kadern. Dieses Ver­fahren passt den Par­teien gut in den Kram, weil sie sich ohnehin für die Garanten von Freiheit und Demo­kratie in Europa halten, wenn nicht gar für deren Erfinder.
Gewogen und zu leicht befunden
Doch gerade was die immer wieder beschworene „euro­päische Idee“ angeht, schneiden die pre­di­genden Par­teien alles andere als vor­bildlich ab. Denn während man einer­seits so tut, als könne man durch Ver­ein­heit­li­chung, Regu­lierung und Gleich­schaltung dem­nächst zu den „Ver­ei­nigten Staaten von Europa“ gelangen, indem man mit gemein­samen Steuern, gemein­samen Kassen, gemein­samen Risiken und gemein­samen Schulden die „natio­nal­staat­lichen Fesseln“* abschüttelt, wacht man gleich­zeitig eifer­süchtig über nationale par­tei­liche Befind­lich­keiten. Denn falls Sie es noch nicht gemerkt haben: es ziehen nationale Ver­treter der euro­päi­schen Par­teien ins EU-Par­lament ein.
Nicht Volks­ver­treter, denn diese haben die Völker schon in ihre Par­la­mente gewählt. Auch nicht Europäer, denn das Zusam­men­spiel in EU-Frak­tionen führt nicht dazu, dass etwa die CDU und die „Süd­ti­roler Volks­partei“ oder SPD und die „Bul­ga­rische Sozia­lis­tische Partei“ das voll­ziehen, was als Endziel für den modernen euro­päi­schen Bürger vor­ge­sehen ist: gemeinsame Sache, gemeinsame Kasse, gemein­sames Risiko. Die Brü­der­lichkeit geht nicht so weit, dass ein Bayer sein Kreuz bei einem Kon­ser­va­tiven von der ÖVP machen könnte, weil ihm deren Ver­treter geeig­neter erscheint, kon­ser­vative Inter­essen zu ver­treten. Die Frak­tionen der „Par­tei­fa­milien“ sind kaum mehr als Vehikel für par­la­men­ta­rische Privilegien.
Zuge­geben, es gibt Ver­suche, soge­nannte „euro­päische Par­teien“ zu bilden. Die weit­weit­linke „Volt“ ist eine solche. Doch auch dort unter­scheiden sich die lokalen Depen­dancen erheblich, nicht zuletzt in Sachen Finanzen und Kan­di­daten. Und für „Volt“ ist das wich­tigste Ziel lediglich, durch diese Stra­tegie als erste Partei Europas Frak­ti­ons­status zu erlangen. Ein Wettlauf um Pri­vi­legien, was für eine Farce! Die „Ver­ei­nigten Staaten von Europa“ kann es erst geben, wenn die „Ver­ei­nigten Par­teien von Europa“ mit gutem demo­kra­ti­schem Bei­spiel vor­an­gehen – also vor­aus­sichtlich nie. Irgendwie finde ich das schon wieder beruhigend.
Und die AfD? Die ver­kämpft sich im Euro­pa­par­lament künftig auf einer Bühne, die nicht die ihre ist. Was Union, Grüne, Linke und SPD als Macht­zu­wachs erstreben, wird zumindest für einige bekannte Köpfe dieser Partei zum Exil werden. Denn das erwartete Erstarken der soge­nannten „Euro­pa­skep­tiker“ wird nur dazu führen, dass wir in Brüssel in Zukunft genau das erleben können, was wir bereits aus dem Bun­destag kennen. Ton­an­gebend bei der Fraktion der „Skep­tiker“ dürfte ohnehin Le Pen’s Truppe sein, die Europa vor Augen führt, was einem Land blüht, das den Weg, den Union und SPD ein­ge­schlagen haben, noch ein paar Jahre länger geht.
Der EU winkt oder blüht derweil eine GröKo, eine größte anzu­neh­mende Koalition von Ganz­links bis EVP, was bei den Beschlüssen keinen Unter­schied zur aktu­ellen Situation aus­machen wird. Denn die infor­melle Groko aus EVP und S&D ist seit vielen Jahren und mit wech­selnden Mehr­heiten so ein­ge­spielt, die abso­luten Mehr­heiten so sicher, dass sich an der Kon­stel­lation auch dann nichts ändern wird, wenn man weitere „Euro­pa­freunde“, also edle Kämpfer für die gute gemeinsame Sache, mit ins Boot holt. Wer bei „mehr Europa“ hüpft, darf mit­machen. Die AfD ist da schon mal draußen.
Irgendeine Oppo­sition muss es ja aber auch geben im EU-Par­lament, selbst wenn dieses ohne Initia­tiv­recht, ohne Bud­get­recht und ohne das Recht, eine Regierung zu wählen, nur infor­melle Bedeutung hat. Das Ganze soll ja noch nach Demo­kratie aus­sehen! Für diese Farce löse ich kein Ticket, auch keines für die harten Sitze der Oppo­sition. Da ist Pro­vinz­theater besser! Diese Ein­schätzung gilt übrigens wort­gleich für die FDP. Wenn der Laden hochgeht**, sollte man seine Finger nicht gerade am Zünder haben. Es werden auch später noch Hände gebraucht, und sei es nur, um die Trümmer weg­zu­räumen und einen bes­seren Neu­start vor­zu­be­reiten. Man sollte nicht erst Teil des Pro­blems werden, wenn man Teil der Lösung sein will. Ein Rat, den die FDP beher­zigte, als sie sich „Jamaika“ verweigerte.

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Immer nur meckern!
Ist Ihnen das alles zu negativ? Halten Sie mich womöglich sogar für einen dieser „Euro­pa­feinde“, die überall lauern und schon das Beil schwingen? Das Gegenteil ist der Fall! Ich mache aber erstens nicht den Fehler, Europa und die EU für iden­tisch zu halten. Europäer bin ich von Geburt, dafür ein Gefühl zu ent­wi­ckeln, ist völlig unnötig. Dieses Gefühl dann auch noch aus­ge­rechnet positiv auf eine durch Ver­wal­tungsakte und Ver­träge ent­standene, mul­ti­na­tionale und büro­kra­tische Fazi­lität richten zu sollen, ist geradezu obszön. Die EU ist eine poli­tische Insti­tution und für deren Akteure gilt aus­nahmslos immer noch das, was Dieter Hil­de­brandt sagte: „Poli­tiker muss man nicht achten, man muss auf sie achten.“
Anfangs war ich weniger kri­tisch. Ich übersah die knir­schende Rea­lität und mochte die „Idee“. Im Grunde ist das heute noch so. Nach der Erwei­te­rungs­runde 2004 war ich geradezu begeistert. Aber da dachte ich Dum­merchen ja auch noch, die Poli­tiker wissen, was sie da tun.
Über die Rei­hen­folge der Schritte und die nötigen Zeit­räume, um belastbare Ergeb­nisse zu erhalten, machte ich mir keine Gedanken. Und das ver­rückte war: die Poli­tiker offenbar auch nicht! Denn das Ele­men­tarste, was eine solche Wirt­schafts­ge­mein­schaft bräuchte, wäre eine gemeinsame Ver­tei­di­gungs­po­litik, das, was sie sich als letztes geben sollte, nachdem ein sehr langer Anglei­chungs­prozess durch­laufen ist, wäre eine gemeinsame Währung. Von gemein­samer Haftung sollte man lieber gleich ganz die Finger lassen, wie die Geschichte immer wieder gezeigt hat. Sie wissen selbst, was wir heute haben, was nicht und was wir nie bekommen werden.
Worauf wir aber wohl gut ver­zichten könnten, wäre das EU-Par­lament, wie es derzeit ver­fasst ist. Der Planet Brüssel ist mir zu weit oben, zu weit weg von der Rea­lität, die Abge­ord­neten nicht mit Wahl­kreisen ver­bunden und zu par­tei­ab­hängig. Ich hätte gern, dass Euro­päi­scher Rat und Euro­päische Kom­mission mit ihren Geset­zes­vor­schlägen – sofern sie nicht unmit­telbar die Kom­pe­tenzen der EU betreffen, auf die man sich ver­traglich ver­ständigt hat (etwa Zölle, Wirt­schafts­ver­träge, Außen­handel etc.), – die natio­nalen Par­la­mente auf­suchen müssen. Und zwar alle! Denen gegenüber sollten sie auch sonst rechen­schafts­pflichtig sein. Das mag umständlich klingen und Ein­stim­migkeit ist eine schwierige Sache. Aber man wüsste immer, wo man in Sachen Zusam­menhalt und Zusam­men­wachsen steht, wenn man sich die Themen ansieht, bei denen man sich gerade nicht einigen kann. Für die ist es dann ent­weder zu früh, oder die Ver­hand­lungen gehen auf der Suche nach einem Kom­promiss weiter.
Mons­tro­si­täten wie das NetzDG, Upload­filter oder die quo­tierte Ver­teilung von Migranten, als handele es sich um Blu­men­zwiebeln, die man nach Belieben irgendwo ein­pflanzen könne, hätte es ohne EU-Par­lament mit Sicherheit nie gegeben.

Es ist nur leider so ver­dammt schwer, von Macht und Bedeutung zu lassen, wenn man sie erst einmal in den Händen hat. Die Wahr­schein­lichkeit, dass die EU mit dem ernst­haften Rückbau ihrer Kom­pe­tenzen und ihrer Büro­kratie beginnt, wenn man sie bei der Wahl des EU-Par­la­ments nur mit einem mög­lichst „breiten Mandat“ aus­stattet, ist gleich Null. Und da ich genau dies von ihr ver­lange, wen sollte ich wählen?
Prin­zipien statt Praxis
Ein wei­terer Aspekt sorgt bei mir für großes Unbe­hagen, welches umso größer ist, da es nicht nur die Euro­päische Ebene betrifft, sondern sich geradezu überall zeigt. In ihrem durchaus nach­voll­zieh­baren Streben, alles auf den Prüf­stand zu stellen, alles zu regu­lieren und gesetzlich zu erfassen, gingen die Bewohner des „Pla­neten Brüssel“ lange Zeit ins Detail. Analog zu Douglas Adams, dessen Figur Slar­tib­artfas sich so gern mit der Model­lierung nor­we­gi­scher Fjorde befasste und sogar mal einen Preis dafür bekam.
Die schiere Menge an Regu­lie­rungen, besonders jene, die Nor­mungen und Ver­brauchs­werte betrafen, ging noch in diese Richtung. Betrachtet man aber die Ein­schrän­kungen, die NetzDG oder Upload­filter bringen, wird es in letzter Zeit schon sehr viel prin­zi­pi­eller. Hört man den aktu­ellen Euro­pa­wahl­kämpfern zu oder erinnert sich an die Gruß­bot­schaft Jun­ckers an den CSU-Par­teitag, in der er davon sprach, es gälte in Europa „die Kapi­ta­listen zu bekämpfen“, geht es mitt­ler­weile eher um das große Ganze als um fit­zelige Fjorde, Staub­sauger­leistung oder Bananenlängen.
Die Kriegs­er­klärung an die Wirt­schafts­ordnung, welcher die EU ihren Wohl­stand über­haupt ver­dankt, hat bereits einen grif­figen Namen: Kli­ma­wandel. Und auch wenn Katarina Barley twittert: „Jetzt zählt’s: In 64 Tagen einen euro­päi­schen Min­destlohn, Besteuerung von Amazon & Co. und Kli­ma­schutz wählen“ ist der Kli­ma­wandel immer dabei. Er ist das „Ceterum censeo“ von heute, gern ergänzt um Begriffe wie „Kapi­ta­lis­mus­kritik“ oder „Ver­ge­sell­schaftung“, die mitt­ler­weile nicht nur die Spatzen von den Dächern pfeifen, sondern auch die Tauben und Blinden in den Jugend­or­ga­ni­sa­tionen von SPD und Grünen. Und nicht nur dort. Die Jagd ist eröffnet.

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Und wenn Katarina Barley vor­schlägt, „ … ein Früh­warn­system für Rechts­staat­lichkeit“ ein­zu­führen sowie „einen Fonds für euro­päische Grund­werte, um zivil­ge­sell­schaft­liche Orga­ni­sa­tionen, NGOs, Akti­vis­tinnen und Wis­sen­schaft zu unter­stützen“, der dann euro­paweit „rechts­staat­liches Ver­halten“ defi­niert und die „euro­päi­schen Grund­werte“ im Auftrag der EU und abseits der natio­nalen Justiz ver­walten soll, muss eure Wahl­party ohne mich steigen, weil ich vollauf damit beschäftigt sein werde, auf dem Feld Haken zu schlagen, um den Nach­stel­lungen der Wächter dieser zukünf­tigen „gelenkten Demo­kratie“ zu entgehen.

* „Natio­nal­staatlich“ ist im EU-Kontext übrigens ein hin­ter­häl­tiger Euphe­mismus für den alt­mo­di­schen Begriff „nach­voll­ziehbare Verantwortlichkeiten“
** Bitte im über­tra­genen Sinne ver­stehen. Es gibt für das EU-Par­lament in Brüssel keinen Gun­powder-Plot. Die Risiken durch Han­dels­kriege, gleich­zei­tiges USA-Bashing, China-Angst und Russland-Embargo, Staats­schulden, ero­die­rende Banken, Euro­rettung und diverse weitere poli­tische Fehl­ent­schei­dungen sind ohnehin explo­siver als alles, was die Chemie an Spreng­stoffen bereithält.


Der Autor Roger Letsch ver­öf­fent­licht seine sehr lesens­werten Bei­träge auf unbesorgt.de