Die Men­schen wählen das Ori­ginal: Warum die Grünen so stark sind

Die Grünen bestimmen schon lange die gesell­schaft­lichen Dis­kus­sionen in Deutschland. Je mehr sich die anderen Par­teien an sie ange­biedert haben, desto stärker sind sie geworden: Die Men­schen wählen jetzt das Ori­ginal, nicht mehr die Kopien.
(Von Dr. Rainer Zitelmann)
„Bei vielen Fragen ist es heute schon so, dass die Grünen die Richtung vor­geben, dann die SPD nach­zieht und schließlich die Union mit einem deut­lichen Ver­zö­ge­rungs­effekt nach­hinkt… Die Ein­wir­kungen der grünen Partei gehen weit über ihre Betei­ligung an Lan­des­re­gie­rungen und die in Wahlen doku­men­tierten Erfolge hinaus. Ent­schei­dender ist, dass es den Grünen immer wieder gelang, poli­tische Themen zu besetzen und die Mei­nungs­füh­rer­schaft in der öffent­lichen Dis­kussion zu über­nehmen. Dies konnte jedoch nur geschehen, weil sie über­durch­schnittlich viele Sym­pa­thi­santen in den Medien hatten und haben, und weil die Reihen ihrer natür­lichen Wider­sacher, also par­tei­po­li­tisch gesehen die CDU, bereits innerlich auf­ge­weicht waren und maß­ge­bende Poli­tiker der Union ent­schei­dende Posi­tionen der Grünen schon über­nommen hatten.“
Diese Sätze habe ich nicht vor einem oder vor zwei Jahren geschrieben, sondern vor 24 Jahren (!), in meinem 1995 erschie­nenen Buch „Wohin treibt unsere Republik?“ In diesem Buch hatte ich ver­sucht, län­ger­fristige Ent­wick­lungs­linien für die poli­tische Ent­wicklung der Bun­des­re­publik vor­her­zu­sagen. Der Befund aus dem Jahr 1995 zeigt, dass die Ent­wicklung, die zu dem Ergebnis von 20,7 Prozent für die Grünen geführt hat, Folge einer langen Ent­wicklung ist. Freilich erfolgte diese Ent­wicklung nicht gerad­linig – zwi­schen­durch waren die Grünen manchmal so schwach, dass manche schon ihren Untergang vorhersagten.
Die Men­schen wählen das Ori­ginal und nicht die Kopie
Nach den Wahlen werden wir sehen, dass SPD und CDU/CSU uns erklären werden, sie müssten sich nun noch stärker für den Kli­ma­schutz ein­setzen. Dies sei die Lehre aus dem Ergebnis der Euro­pawahl. Das ist natürlich absurd: Jemand, der den fal­schen Weg geht, meint, er müsse ihn nun noch schneller gehen, um ans Ziel zu gelangen.
Union und SPD haben doch schon seit Jahren das grüne Pro­gramm umge­setzt: Abschalten der Kern­kraft­werke, Koh­le­aus­stieg, Umformung der Ener­gie­wirt­schaft in eine Plan­wirt­schaft usw. Jüngst haben sie begonnen, auch die Auto­mo­bil­wirt­schaft plan­wirt­schaftlich umzu­ge­stalten – mit soge­nannten „Flot­ten­zielen“ wird EU-weit vor­ge­schrieben, welche Autos pro­du­ziert werden dürfen und welche nicht. Die Stra­tegie der Anpassung an die Grünen und der Über­nahme ihrer Themen hat jedoch lang­fristig nicht zur Schwä­chung, sondern zur Stärkung der Grünen geführt: Die Men­schen wählen lieber das Ori­ginal, statt die Kopie.
Never enough
Die Logik der Grünen ist jedoch: „Never enough“. Schaltet man die Kern­kraft­werke ab, werden die Koh­le­kraft­werke zum Thema. Wie bei einer Welt­un­ter­gangs­sekte wird der bald bevor­ste­hende Welt­un­tergang pro­pa­giert. Und wenn es sonst immer heißt, „Angst ist kein guter Rat­geber in der Politik“ (eine Stan­dard­formel in der Zuwan­de­rungs­de­batte), so wird „Panik“ vor dem Welt­un­tergang nun zur alles bestim­menden Emotion. Es ist wie bei der „sozialen Gerech­tigkeit“, die die Grünen übrigens inzwi­schen auch als Thema belegt haben: Egal, was getan wird, es ist nie genug, und es muss immer noch mehr sein, noch radikaler.
Die klas­si­schen Medien, besonders das Fern­sehen, sind schon längst in grüner Hand, wie wir aus Befra­gungen über die Par­tei­af­fi­nität von Jour­na­listen wissen. Inzwi­schen gelingt es den Grünen jedoch auch, die neuen Medien geschickt zu nutzen, wie zuletzt das Video von Rezo und die Initiative von 70 You­Tubern zeigte.
Die Selbst­zer­störung der Wirtschaft
Die gesell­schaft­lichen Insti­tu­tionen werden längst von Sym­pa­thi­santen der Grünen domi­niert – vor allem die Medien und das Bil­dungs­wesen, aber auch die Kirchen. Dass 37 Prozent der Erst­wähler inzwi­schen Grüne wählen (und in dieser Wäh­ler­gruppe die CDU nur noch zwei Pro­zent­punkte vor der linken Satire-PARTEI liegt), ist auch eine Folge der Tat­sache, dass in den Schulen grüne Glau­bens­be­kennt­nisse als Gewiss­heiten moderner Bildung pro­pa­giert werden.
Das alles funk­tio­niert aber nur, weil die Wirt­schaft oppor­tu­nis­tisch ist und dem grünen Zeit­geist nichts ent­ge­gen­setzt. Die deutsche Wirt­schaft passt sich oppor­tu­nis­tisch an, wie sie das schon immer getan hat. Ich erinnere mich noch, wie sich Daimler-Chef Dieter Zetsche als Grüner ver­kleidete und sich auf deren Par­teitag anbie­derte. VW-Chef Herbert Diess erklärt, wie er VW zu einem grünen Unter­nehmen umge­stalten will.
In den Ver­ei­nigten Staaten gab und gibt es unter erfolg­reichen Unter­nehmern über­zeugte Markt­wirt­schaftler, die der auch in den USA erfolgten Links­ent­wicklung in Uni­ver­si­täten und Medien etwas ent­ge­gen­setzen, besonders mit liber­tären und kon­ser­va­tiven Thinktanks. In Deutschland ist davon kaum etwas vor­handen: Schaut man etwa auf Themen und Pro­gramm der libe­ralen Friedrich Naumann Stiftung, sieht man, dass der herr­schenden Ideo­logie nichts Attrak­tives ent­ge­gen­ge­setzt wird.
Die Links­ent­wicklung beginnt stets im geis­tigen Bereich, und wenn man sie umkehren will – wozu es einen langen Atem brauchen wird -, dann ist das auch nur möglich, wenn der grünen Ideo­logie etwas ent­ge­gen­ge­setzt wird. Das Bewusstsein dafür, was Marktwirtschaft/Kapitalismus ist und sein sollte, ist in Deutschland inzwi­schen fast voll­ständig ver­loren gegangen.
Weckruf?
Die Grünen sind letztlich nur eine spe­zi­fische Form, in der sich der Anti­ka­pi­ta­lismus arti­ku­liert. Die Welt­un­ter­gangs­panik wird zum Vorwand dafür, die Wirt­schaft plan­wirt­schaftlich umzu­ge­stalten. Das wird natürlich zu schwersten wirt­schaft­lichen Ver­wer­fungen führen – zu Mas­sen­ar­beits­lo­sigkeit und öko­no­mi­schem Nie­dergang. Und wenn diese Folgen ein­treten, werden uns die Anti­ka­pi­ta­listen erklären, all dies sei eine Folge „unge­zü­gelter Märkte“ und jetzt gelte es, den Kapi­ta­lismus end­gültig zu über­winden, um „soziale Unge­rech­tigkeit“ und „Kli­ma­ka­ta­strophe“ zugleich abzu­wenden. Ich hoffe, ich behalte mit diesen düs­teren Pro­phe­zei­ungen – anders als mit meinen ein­gangs zitierten Sätzen aus dem Jahre 1995 – Unrecht und die ver­blie­benen ver­nünf­tigen Unter­nehmer ver­stehen das 20,7%-Ergebnis der Grünen als Weckruf.


Quelle: www.theeuropean.de