Die Sozi­al­de­mo­kraten auf der Suche nach sich selbst: Rechtsruck? Linksruck? Hauruck?

Im Gegensatz zu Deutschland wählte Dänemark bei den Wahlen Anfang Juni die Sozi­al­de­mo­kratie zur Wahl­sie­gerin. Ein Irrtum? Umdenken? Was unter­scheidet die däni­schen Sozi­al­de­mo­kraten von den Deutschen?
Nun, man könnte jetzt unfair sein und eine Andrea Nahles oder einen Martin Schulz, die die SPD auf den Weg zu einer Split­ter­partei gesteuert haben, mit der däni­schen Chefin der Sozi­al­de­mo­kraten Mette Fre­de­riksen ver­gleichen. Aber das wollen wir ja nicht.

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Doch in der Tat ist Frau Fre­de­riksen einer der Haupt­gründe dafür, dass die Sozia­listen wahr­scheinlich nun die Regie­rungs­ge­schäfte über­nehmen. Sie sind zwar mit 25,9% der Stimmen die stärkste Partei und belegen 91 von 179 Sitzen, haben aber im Ver­gleich zu den letzten Wahlen auch etwas Federn lassen müssen, was die Ver­hand­lungen für‘s Regieren nicht gerade einfach macht. In Dänemark geht es zwar etwas anders zu als in Deutschland, und man muss keine Koalition bilden, die die Mehrheit hat. In Dänemark kann die stärkste Partei in einer Min­der­heits­re­gierung arbeiten, solange sie nicht eine Mehrheit gegen sich hat.
Mette Fre­de­riksen wird also wahr­scheinlich mit ihren 41 Jahren der jüngste Minis­ter­prä­sident Däne­marks und die zweite Frau auf diesem Posten.
Die rechts­bür­ger­liche Koalition unter Lars Løkke Ras­mussen wurde abge­wählt, die de facto mit­re­gie­rende, „rechte“ Dänische Volks­partei (DF) musste mit ansehen, wie ihr Stim­men­anteil hal­biert wurde. Sie werden als die großen Ver­lierer gesehen. Eine brutale Absage an die „Rechts­po­pu­listen?“
Viel zu kurz gegriffen.
Vielmehr ist es so, dass der Grund für das rechts­po­pu­lis­tische Wahl­de­bakel darin liegt, dass die anderen Par­teien – und ins­be­sondere Frau Fre­de­riksen —  das Asyl- und Migra­ti­ons­pro­gramm der Däni­schen Volks­partei schlichtweg kopiert haben. Viele Dänen haben bei der letzten Wahl aus­schließlich aus diesem Grund die DF gewählt, weil die Zustände unhaltbar wurden und der Volkszorn über­zu­kochen drohte. Nichts anderes ist der Grund, dass auch die Sozi­al­li­berale Partei und die Kon­ser­va­tiven diese Agenda mit­ge­tragen haben. Obwohl die DF nicht direkt mit an der Regierung war, wurden ihre Pläne umge­setzt. Die dänische Regierung ver­schärfte ihre Gesetze zum bis dato sehr frei­zü­gigen Asyl­recht dras­tisch, löste No-Go-Areas und Ghettos von Migranten auf, ver­schärfte das Straf­recht für Migranten, strich Sozi­al­gelder bei Nicht­be­folgung von Vor­schriften und baute Auf­fang­lager für Asyl­be­werber auf men­schen­leeren Inseln oder abseits der Städte hinter Zäunen und Absper­rungen auf.
Die Rechts­po­pu­listen haben nach ein­hel­liger Meinung der poli­ti­schen Kom­men­ta­toren die Wahl ver­loren, weil ihre Agenda so gut beim Volk ankam, dass auch die Sozi­al­de­mo­kraten sie adap­tieren. Daher wählten die Dänen wieder tra­di­tionell linker, denn da hat man das gute Gewissen, nicht „rechts“ zu sein und bekommt trotzdem die restriktive Migra­ti­ons­po­litik der Popu­listen im Paket, womit auch Mette Fre­de­riksen geworben hat. Und natürlich die Sozi­al­po­litik der Sozia­listen. Denn unter den Kon­ser­va­tiven und Libe­ralen im Verbund mit der Volks­partei wurden die Sozi­al­pro­gramme und Zuwen­dungen doch etwas gerupft und Frau Mette Fre­de­riksen ver­spricht nun, wieder das Füllhorn zu öffnen. Ihre Partei gelobt, den Abbau von Sozi­al­leis­tungen wieder umzu­kehren, wie zum Bei­spiel die schmerz­hafte Ren­ten­reform wieder rück­gängig zu machen (und es gibt viele alte Leute in Dänemark). Dafür sollen Steuern und Abgaben der Wohl­ha­benden und Kon­zerne die Staats­kassen wieder füllen.
Die Wahl­ana­lysen zeigen: Es waren gerade viele Wähler aus der Arbei­ter­schaft, die sich der Däni­schen Volks­partei ange­schlossen hatten, weil sie sich als die Ver­lierer der Ein­wan­de­rungs­po­litik der offenen Grenzen und der Glo­ba­li­sierung wie­der­fanden und sich von der Linken ver­raten und ver­lassen fühlten. Mit Mette Fre­de­riksens Angebot kehrten sie zu ihren sozi­al­de­mo­kra­ti­schen Wurzeln zurück.
Einfach wird es für eine Minis­ter­prä­si­dentin Mette Fre­de­riksen dennoch nicht werden, denn sie muss den schwie­rigen Spagat zwi­schen einer linken Sozi­al­po­litik und Umwelt­po­litik mit der Fort­führung einer strengen, „rechten“ Asyl- und Migra­ti­ons­po­litik schaffen. Letz­teres wird dadurch schwie­riger, weil die restriktive Agenda der Däni­schen Volks­partei ja Erfolg zeigte und die Zahlen der ankom­menden Asyl­be­werber stark gesunken sind — und die stren­geren Regeln, sowie das beherztere Durch­greifen gegenüber den bereits im Lande Lebenden die Kri­mi­na­lität spürbar hat sinken lassen. Damit setzte in diesem Pro­blemfeld eine gewisse Ent­spannung ein, die das Thema „Migration“ vom ersten Platz des alles domi­nie­renden Auf­regers verdrängte.
Wie gesagt, das wird es einer Minis­ter­prä­si­dentin Fre­de­riksen nicht leicht machen, auf den rigiden Regeln in Punkto Migration zu bestehen und Unter­stützung zu finden.
Trotzdem ist unüber­sehbar, dass Fre­de­riksen es geschafft hat, den Auf­stieg der „Popu­listen“ aus­zu­bremsen, ganz ent­gegen dem all­ge­meinen Trend in Europa. Überall ver­zeichnen die Popu­listen Zuwächse, und die sind unzwei­felhaft in erster Linie der von der EU ver­ord­neten Migra­ti­ons­po­litik der unbe­grenzten Zuwan­derung geschuldet. In Deutschland fühlt sich die Arbei­ter­klasse und der kleine Mit­tel­stand eben­falls von der Politik ver­raten, der Brexit gewann auf­grund der immensen Zuwan­derung an Schwung. Das Ergebnis der Euro­pawahl belegt es ebenso ein­drucksvoll: Die Völker Europas wollen die Über­fremdung einfach nicht.
Mette Fre­de­riksen emp­fiehlt ihre poli­tische Agenda auch den Par­tei­kol­legen anderer Länder, wenn sie nicht unter­gehen wollen. Die Sozia­listen ver­grätzten ihre Stamm­wäh­ler­schaft der unteren Hälfte der Gesell­schaft, indem sie sich vor den Karren der Glo­ba­listen und Mul­ti­kulti-Pro­pa­gan­disten spannen lassen. „Back to the Roots“ rät sie den sozia­lis­ti­schen Par­teien Europas.
Offen­sichtlich nicht ver­geblich. Sigmar Gabriel hat bereits seine Partei auf­ge­fordert, sich an den däni­schen Sozia­listen ein Bei­spiel zu nehmen: „Alle Ver­suche, eine humane Flücht­lings­po­litik nicht zur Über­for­derung der Inte­gra­ti­ons­fä­higkeit werden zu lassen, sind in der deut­schen SPD kon­se­quent zurück­ge­wiesen worden“, schreibt Gabriel in einem Gast­beitrag für das „Han­dels­blatt“. Die däni­schen Sozi­al­de­mo­kraten hätten aber nicht nur einen harten Kurs in der Migra­ti­ons­po­litik vor­ge­schlagen, sondern auch einen deutlich sozia­leren Kurs in der Sozial- und Ren­ten­po­litik, schreibt der frühere Außenminister.
Na, dann… Herr Gabriel, will­kommen beim „Pack“.