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EU-Bil­dungs­po­li­tiker ver­stehen nichts von Wissenschaft

Lob­by­ismus und Politik greifen zu sehr in die For­schung ein, um Vor­schriften zu machen und Ziele vor­zu­geben. Das ist in der Bun­des­re­publik und EU besonders aus­ge­prägt. Die Folge: Die großen bahn­bre­chenden Ent­de­ckungen bleiben aus.
Das erklärte Ziel war einst, die euro­päi­schen Spit­zen­uni­ver­si­täten auf das gleiche Level wie die US-ame­ri­ka­ni­schen zu heben. Man wolle euro­päische Pen­dants zu Harvard, Stanford, Yale, Columbia, Ber­keley und Princeton schaffen. Groß­bri­tannien hatte bereits Oxford und Cam­bridge. Aber Kontinentaleuropa?
Hier fing der erste Denk­fehler an zu wirken, besonders seit den 1990er-Jahren. Europa ori­en­tierte sich an den »Ran­kings«. Diese sind nach angel­säch­si­schen Kri­terien kon­zi­piert. Das Uni­ver­si­täts­system ist dort kom­plett anders. Man ver­glich Äpfel mit Birnen.
Also begann die Fehl­ent­wicklung. Anstatt die Kri­terien guter Bildung und For­schung mit­zu­ge­stalten und eigene Maß­stäbe zu ent­wi­ckeln, wurde die anglo­ame­ri­ka­nische Version zum Allein­vorbild sti­li­siert. Prompt fanden sich alle euro­päische Uni­ver­si­täten in den Ran­kings nur im Mit­telfeld wieder. Daraus folgte eine Reformwut. Europas Uni­ver­si­täten wurde kaputt refor­miert, um ins angel­säch­sische Bil­dungs-Schema zu passen.
Der Bologna-Prozess begann sein Unheil zu nehmen, Bachelor und Mas­ter­stu­di­en­gänge wurden ein­ge­führt, das Diplom wurde ent­thront. Aka­de­miker werden zunehmend über die Quan­tität der Publi­ka­tionen bewertet, was zu end­losen Publi­ka­ti­ons­listen führt, in denen jeder Kon­gress­beitrag als Artikel ver­wurstet wird. Der Mit­telbau wurde aus­ge­dünnt. Die Pro­fes­soren bekamen mehr Macht. Die For­schungs­gelder müssen zunehmend über Dritt­mittel ein­ge­trieben werden. Ein guter Pro­fessor ist heute ein Drittmitteleintreiber.
Dann kam der Fokus­sie­rungswahn mit den Exzel­lenz­clustern, DFG-For­schungs­pro­jekten, Son­der­for­schungs­be­reichen (SFB) und all den anderen Zen­tra­li­sie­rungs­maß­nahmen. For­scher müssen nun ihre Gebiete irgendwie in größere Zusam­men­hänge bringen, die von der Bil­dungs­po­litik und den Uni­ver­si­täts­spitzen defi­niert werden.
Trotzdem bleiben die Ergeb­nisse mager. Man ver­gisst fast, dass das Deutschland der Kai­serzeit und Wei­marer Republik einst Wis­sen­schafts­nation Nummer Eins in der Welt war. Kein anderes Land hatte damals mehr Nobel­preise gewonnen als Deutschland. Was war damals anders?
Der bekannte US-Astronom Carl Sagan, Ver­ant­wort­licher für viele NASA-Pro­jekte, wurde einmal gefragt, auf welche Wis­sen­schafts­pro­jekte man sich fokus­sieren sollte, in welche Themen und For­schungs­be­reiche man besonders inves­tieren sollte.
Die Antwort von Sagan war klar und ein­deutig: Die meisten großen wis­sen­schaft­lichen Ent­de­ckungen seien auf völlig uner­war­teten Wegen ent­standen. Niemand kann vor­aus­ahnen, wo die nächste große Ent­de­ckung geschieht. Je breiter man inves­tiert und je freier man die Wis­sen­schaftler for­schen lässt, desto höher sind die Chancen, dass neue bahn­bre­chende Ent­de­ckungen erfolgen. Doch wenn der Staat und Inves­toren Ziele vor­geben und die For­schung auf bestimmte Bereiche fokus­sieren wollen, wird das Blickfeld ein­geengt, und desto geringer wird die Chance, dass außer­ge­wöhn­liche Ent­de­ckungen erfolgen.
Poli­tiker und Manager ver­stehen das nicht. Sie wollen der Wis­sen­schaft Ziele vor­schreiben. Doch so funk­tio­niert Wis­sen­schaft nicht. Diese Art zu denken führt dazu, dass die Aus­gaben für die Wis­sen­schaft und For­schung und somit die Kosten für die Steu­er­zahler in die Höhe steigen, die Ergeb­nisse aber oft ohne bahn­bre­chende Ent­de­ckungen bleiben.


Quelle: www.freiewelt.net