Die Rolle des ehemaligen FBI-Direktors James Comey im Kampf der Diadochen
(von Helmut Roewer)
Wunsch und Wirklichkeit: Comeys Memoiren 2018 und der amtliche Bericht über sein Dienstende 2019.
Seit Sommer 2015 hat das FBI unter seinem Direktor James Comey im Zentrum der Auseinandersetzungen um die Nachfolge von US-Präsident Barack Obama gestanden. Das lag an zwei strafrechtlichen Ermittlungsverfahren – Midyear Exam, die Email-Affäre von Hillary Clinton betreffend, und Crossfire Hurrican wegen der behaupteten Erschleichung des Wahlsieges durch Donald Trump dank russischer Hilfe.
Beide Fälle sind durchaus nicht abgeschlossen. Dies ist jedoch anders zu verstehen, als es sich anhört, denn jetzt richtet sich der Focus justizieller Aufmerksamkeit auf diejenigen, die diese Verfahren betrieben bzw. – je nach Standpunkt – angezettelt haben. Ein erster Wink, was sich hinter den geschlossenen Türen des Bundes-Justizministeriums (US Attorney General) abspielt, ist dem Prüfbericht des Generalinspekteurs der Behörde (https://oig.justice.gov/reports/2019/o1902.pdf.) zu entnehmen, der soeben das Licht der Welt erblickt hat. Der Titel des Berichts sagt, worum es geht – in meiner Übersetzung: Bericht über die Ermittlung der Weitergabe von sensiblen Ermittlungsinformationen und die Handhabung bestimmter Aktenvermerke durch den ehemaligen FBI-Direktor James Comey. Hinter dieser bürokratischen Formulierung steckt ein sehr spezieller, für den damaligen FBI-Direktor komplizierter Sachverhalt. Comey stand im Brennpunkt öffentlicher Aufmerksamkeit, als er – sozusagen mit der Brechstange – das Ermittlungsverfahren gegen Hillary Clinton abbrach, weil es in der Sache nichts mehr zu ermitteln gebe. Das geschah zu Beginn der heißen Phase des Wahlkampfes Anfang Juli 2016. Ende Oktober 2016, wenige Tage vor der Präsidentenwahl, musste er sich öffentlich korrigieren.
Was Trump anlangt, führte das FBI ein Spionageabwehrverfahren mindestens seit Juli 2016, von dem bis heute nicht klar ist, worauf es eigentlich beruhte und gegen wen genau es sich richtete. Über das Verfahren sprach Comey nur in schwammigen Andeutungen, den Rest konnte sich, wer wollte, aus der Mainstreampresse zusammenreimen: Trump an der Erpressungs-Angel des bösen Wladimir Putin.
Es ist verständlich, dass Comey dem Amtswechsel von Obama auf Trump im Januar 2017 mit Skepsis entgegensah. Sie veranlasste ihn, dem neuen Amtsinhaber im Weißen Haus, wo er nur konnte, aus dem Wege zu gehen. In den wenigen Fällen, in denen das nicht gelang, notierte er akribisch, was gesprochen wurde. Auch das kann man leicht nachvollziehen. Weniger Verständnis hingegen zeigten viele, dass man Comeys Gesprächs-Notate alsbald in der Mainstreampresse nachlesen konnte.
Und so ging Comey vor: Er notierte zum Beispiel, dass Trump dem Hinweis über Gerüchte, seine angeblichen sexuellen Eskapaden in Moskau betreffend, wütend widersprach, worauf Comey erwiderte, er sehe es als seine Pflicht an, Trump zu informieren, dass es diese Gerüchte gebe, über welche die Presse zu berichten beabsichtige. Sie suche nur noch nach dem passenden Aufhänger (hook). Soweit so gut, doch falls derselbe pflichtbewusste James Comey die Presse mit vertraulichen Gesprächsvermerken fütterte, um ihr den Aufhänger für die Präsidenten-Sex-Geschichten zu liefern (nach dem Motto: FBI-Chef spricht mit Trump über dessen Sex-Geschichten in Moskau), kann ich ihn kaum loyal nennen.
Der Generalinspekteur des Justizministeriums hat eine noch drastischere Beurteilung vorge- nommen: Ein FBI-Chef, der zu Jahresbeginn 2017 den parlamentarischen Kontrollgremien zum Schutz der Betroffenen keine Auskunft über die Zielpersonen der Russlandermittlungen geben will und gleichzeitig die Presse mit den Details füttert, handele verwerflich und begehe zugleich eine schwer- wiegende Verletzung seiner Dienstpflichten, die zu ahnden sei. Das wird wohl so sein.
Das Besondere des vorgelegten Berichts ist für mich, dass ihm Comeys Aktenvermerke als Anlagen beigegeben sind. Man kann also in Ruhe miteinander vergleichen, was Comey selbst zu Papier brachte, und was die Presse im Frühjahr 2017 daraus machte. Während die Medien einen selbstverliebt schwadronierenden Clown präsentierten, sieht Comeys Originalbild etwa anders aus. Es zeigt einen denkbar gut informierten Mann, aber auch einen geschickt taktierenden Politiker, der versucht, zum Ermittlungschef eine persönliche Beziehung aufzubauen.
Comey will das zurückgewiesen haben. Zwar sagte er dem Präsidenten wiederholt, dass er gegen ihn nicht ermittle, doch weigerte er sich, das öffentlich zu wiederholen. Er verwies mehrfach auf die Zuständigkeit des Justizministers – wohl wissend, dass dieser sich aus den Russlandermitt- lungen wegen persönlicher Befangenheit verabschiedet hatte und das Amt des Stellvertreters wegen der noch ausstehenden Senatsanhörungen nicht besetzt war. Doch kaum war dieser Stellvertreter, Rod Rosenstein, im Amt, veranlasste er am 9. Mai 2017 Comeys Entlassung wegen seines öffentlich erklärten Abbruchs des Clinton-Verfahrens im Vorjahr, was allein Sache der Staatsanwaltschaft gewesen sei – formal sicher vertretbar, aber man sieht das Zwinkern des Auges. Von Stund’ an sah für James Comey die Welt ganz anders aus. Auch das kann man verstehen.
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Dr. Helmut Roewer wurde nach dem Abitur Panzeroffizier, zuletzt Oberleutnant. Sodann Studium der Rechtswissenschaften, Volkswirtschaft und Geschichte. Nach dem zweiten juristischen Staatsexamen Rechtsanwalt und Promotion zum Dr.iur. über ein rechtsgeschichtliches Thema. Später Beamter im Sicherheitsbereich des Bundesinnenministeriums in Bonn und Berlin, zuletzt Ministerialrat. Frühjahr 1994 bis Herbst 2000 Präsident einer Verfassungsschutzbehörde. Nach der Versetzung in den einstweiligen Ruhestand freiberuflicher Schriftsteller und Autor bei conservo. Er lebt und arbeitet in Weimar und Italien.
Dieser lesenswerte Beitrag erschien zuerst auf dem Blog von Peter Helmes – www.conservo.wordpress.com
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