Greta Thunberg - Bild: Screenshot Youtube

Wir werden euch nicht davon­kommen lassen

Zum Auftakt des UN-Kli­ma­gipfels in New York hielt Greta Thunberg eine Rede, die ich nicht wie manche als beein­dru­ckend, sondern als beängs­tigend bis ver­störend bezeichnen würde. Ich bin kein Psy­chologe, aber gerade diese Experten sollten endlich mal fragend die Hände erheben. Denn was da heute in New York zu hören und zu sehen war, hatte jedes Maß verloren.
(von Roger Letsch)
Dabei bin ich mir sicher, dass die anwe­senden Poli­tiker in toto jede Schelte ver­dient haben, wenn ich auch in Bezug auf die For­de­rungen Gretas anderer Meinung bin. Total­ver­sager, allesamt! Der Vorwurf trifft, ver­letzt aber sicher keinen der Anwe­senden. Ich kann sogar die Eltern Gretas ein Stück weit ver­stehen, die froh waren, dass sich die Abkap­selung ihrer Tochter ein Ventil nach außen ver­schafft hat und ihre ganze Wut sich nicht mehr gegen deren Hilf­lo­sigkeit, sondern auf ein externes Problem richtete, dass ohnehin viel zu theo­re­tisch und rie­sengroß war, um an den Faust­schlägen einer 16-Jäh­rigen Schaden zu nehmen: “Sie will gegen CO2 kämpfen? Soll sie doch!” Die Ausmaße, die Wortwahl, die Mimik und Gestik, die Tränen bei der Rede von heute jedoch… das war alles völlig über­steigert, über­dreht und von medialer Über­auf­merk­samkeit geradezu karikiert.
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Man hatte unwei­gerlich das Gefühl, einer Jahr­markt-Attraktion bei­zu­wohnen, die einen glei­cher­maßen abstößt wie fas­zi­niert. Was wird sie wohl diesmal sagen, wen beschimpfen und belei­digen, was fordern und wie ulti­mativ? Die Poli­tiker wohnen bei jeder ihrer Reden der eigenen Hin­richtung auf der Bühne bei und klat­schen gleich­zeitig im Publikum. Gesund ist das alles nicht. Nicht für die Welt, nicht für die Frei­tags­kinder, nicht für die Poli­tiker und deren Mandat und erst recht nicht für Greta Thunberg. Die sitzt wohl noch eine Weile in Amerika fest, schon weil sie wohl noch nicht weiß, wie sie nach Schweden zurück­kommen soll.
Von New York nach Santiago
Außerdem wird sie im Dezember noch auf der COP25 in Chile erwartet. Bis dahin ist sie in den Ver­ei­nigten Staaten vor­wiegend von Men­schen umgeben, die sie ent­weder lustig finden oder später in Süd­amerika von Men­schen, die weiß Gott andere, drin­gendere Pro­bleme haben, als sofort alle Autos abzu­schaffen, Kraft­werke still­zu­legen und Kühe abzu­schaffen. Wenn sie von New York nach Santiago fährt, ist das mit dem Auto keine Fahrt mehr von Lade­station zu Lade­station wie von Stockholm nach Kat­towitz und auch die Züge fahren größ­ten­teils mit Diesel statt mit Strom. Oder doch wieder per Schiff? Viel­leicht an der West­küste nach Süden? Die „CO2-neu­tralen” Optionen schwinden, wenn man das vor­wiegend urbane Umfeld Europas ver­lässt, wo SUV’s die Städte ver­stopfen, während in Süd­amerika eher „Gelän­de­wagen” die kor­rekte Bezeichnung für hoch­flurige Nutz­fahr­zeuge ist und dort auch nicht die ver­wöhnten Stadt­kinder zur Frei­tagsdemo fahren, sondern den Farmern die Arbeit erleichtern.
Ich habe keine Ahnung, ob und wie man diese Hybris noch stoppen kann, denn egal welche Kli­ma­pakete die Poli­tiker schnüren, egal welche Preise man Greta Thunberg ver­leihen wird… es kann ihr nie genug sein, weil ihr Urteils­ver­mögen offen­sichtlich zu keinem Kom­promiss oder der Aner­kennung von Teil­fort­schritten fähig ist. Genau das ist aber das Feld jener Poli­tiker, die sie hät­scheln. Die Aner­kenntnis, das Schul­ter­klopfen, Aus­zeich­nungen und Ehrungen, die gegen­sei­tigen Beteue­rungen, „auf dem rich­tigen Weg“ zu sein, das „sowohl als auch“ – in dieser Manege führen sich Poli­tiker wohl. Deshalb wird die Welt­po­litik Greta eines Tages fallen lassen und ihre Eltern werden ver­zweifelt fest­stellen, dass sich ihr Wunsch, durch die „Rettung der ganzen Welt“ Greta sozu­sagen ganz nebenbei gleich mit zu retten, nicht erfüllen kann. Das ist traurig.
Wie gesagt, ich bin kein Psy­chologe. Aber könnte sich endlich mal einer von dieser Zunft zu Wort melden und helfend und mäßigend ein­greifen? Denn so kann es kaum weiter gehen, weil Greta offenbar nicht begreift, wie demo­kra­tische Pro­zesse funk­tio­nieren und warum es keine gute Idee wäre, ihr und ihrem Zen­tral­ko­mitee zuliebe eine Dik­tatur des Kli­mat­a­riats zuzu­lassen – auch wenn einige der eif­rigsten Poli­tiker dies sehr ver­lo­ckend finden mögen und gewisse Wirt­schafts­kreise hinter Gretas Maxi­mal­for­de­rungen prak­ti­scher­weise ihre Sub­ven­ti­ons­ge­lüste ver­stecken können. Eine 16-Jährige, die wut­schnau­bende, belei­di­gende, trä­nen­reiche Anklagen an die­je­nigen adres­siert, die ihr anschließend aner­kennend applau­dieren – das kann nicht gut ausgehen!

Der Autor Roger Letsch ver­öf­fent­licht seine sehr lesens­werten Bei­träge auf www.unbesorgt.de