Saures statt Süßes: Klima, Kabeljau und Koralle

Im Märchen ist die Sieben eine magische Zahl. Ebenso im Mar­keting, wo man pos­tu­liert, dass durch pene­trante aber min­destens sie­ben­fache Wie­der­holung einer Bot­schaft Kauf­ent­schei­dungen beein­flusst werden können. Die Nach­richt dringt irgendwann ins Unter­be­wusstsein und ist abrufbar, sei sie auch noch so ver­fälscht. Wichtig ist nur, dass die Bot­schaft simpel und impulsiv ist. Schon deshalb, um sich leichter akti­vieren zu lassen. Nicht nur die Werbung, auch die Politik liebt ein­fache Bot­schaften, wenn es um die Steuerung des Ver­haltens der Bürger geht.
Man koppelt sie mög­lichst mit nega­tiven Emo­tionen. Man denke nur an Begriffe wie „Nazi“ oder „Kli­ma­leugner“, die, wirft man sie jemandem an den Kopf, reflex­hafte und wort­reiche Abwehr­re­ak­tionen her­vor­rufen, weil es an ein­gän­gigen Gegen­pa­rolen mangelt. Dass man beim Kli­ma­wandel nicht mehr genau erkennen kann, wo Wis­sen­schaft aufhört und Politik anfängt, macht die Sache noch bri­santer. Ihnen ist sicher auch schon auf­ge­fallen, dass gerade die Gruppe Kli­ma­for­scher, die das For­schen noch nicht ein­ge­stellt hat, sich mit einer grif­figen Selbst­be­zeichnung so viel schwerer tut als ihre poli­tisch oppor­tunen Gegenspieler.
Echte wis­sen­schaft­liche Debatte ist in der Kon­fron­tation mit Popu­lismus meist sprachlos. Wie sollte es auch anders sein – laut poli­ti­scher Men­gen­lehre gibt es nur Leugner und Hüpfer, und wer nicht hüpft, muss eben leugnen. Wenn man aber als der Leugnung Bezich­tigter anhebt, von anthro­po­genen und anderen Ein­flüssen auf das Klima, von Mess­reihen, Feh­ler­quellen und alter­na­tiven Theorien zu sprechen, ist der Hüpfer schon auf der nächsten Klima-Demo oder klebt an Türen und U‑Bahnen. Kurz: während ein durch­schnitt­licher Kli­ma­ak­tivist es im Feld locker auf 20 ppm (Pro­vo­ka­tionen pro Minute) bringt, bekommen „Falsch­for­scher“ und „Agenten der Öl-Industrie“ kaum eine Erklärung pro Stunde zusammen. Dieses Bom­bar­dement ist kaum aus­zu­halten, weshalb sich viele dem gar nicht erst aussetzen.
Text­bau­steine des Aktivismus
Wichtig für das Dau­er­feuer der Kli­ma­ak­ti­visten ist natürlich stan­dar­di­sierte Munition. Glatt, geschmeidig und bedrohlich fliegen die ewig gleichen Text­bau­steine aus Medien und Mündern. Kli­ma­wandel, CO2, Mensch, Erd­er­wärmung, Was­ser­spiegel, Schuld, Kli­ma­wandel, CO2, Mensch, Schuld, Aus­sterben, Schuld, Noch­mehr­schuld… – und aus Worten formen sich die immer gleichen Argu­mente, die neben einem Körnchen Wahrheit stets absichts­volle Ver­ein­fa­chungen und Ver­dre­hungen ent­halten und kri­ti­schen Nach­fragen schreck­liche Bilder in den Weg stellen und in den Köpfen weniger gut infor­mierter Men­schen hinterlassen.
Ich werde mir von Zeit zu Zeit solche längst nicht mehr hin­ter­fragten Alar­mis­ten­weis­heiten vor­nehmen und, soweit es mir möglich ist, den Blick­winkel darauf etwas vari­ieren. Wie man meist fest­stellen muss, handelt es sich bei diesen Text­bau­steinen nicht um wis­sen­schaft­liche Aus­sagen, sondern um unzu­lässige oder über­trei­bende Ver­kür­zungen und Fehl­in­ter­pre­ta­tionen. Also nicht um Geschöpfe von For­schern, sondern von nach­läs­sigen Jour­na­listen und panik­ma­chenden Akti­visten. Von den Eis­bären war hier schon die Rede, aber die Küsten- und Mee­res­be­wohner bieten noch weitere Bei­spiele, die echte Ever­greens sind.
Behauptung: Nicht Über­fi­schung, sondern Wärme „ver­treibt” den Kabeljau
Die Erwärmung der Meere hat Folgen für Fische und Mee­res­säuger. Sie wandern pol­wärts, ein Phä­nomen, das man auch bei Tieren an Land beob­achten kann. […] Die Popu­la­tionen des Kabeljaus in der Nordsee etwa schrumpfen stärker, als es allein mit Über­fi­schung erklärt werden kann, sie wandern in Folge der stei­genden Tem­pe­ra­turen bereits nordwärts.“ 
So steht es seit Jahren bei Green­peace zu lesen. < Ironie> Gut, dass noch niemand den Fischern ver­raten hat, wohin der Fisch ver­schwindet! Die würden dem Kabeljau doch glatt folgen, wenn sie zur Abwechslung Schiffe statt Angel­ruten ver­wenden würden! < /Ironie> Selbst wenn die Aussage so richtig ist, gibt es ein böses „aber“: Aber das hieße ja, dass selbst Fische nicht so blöd sind, sich nicht an ver­än­derte kli­ma­tische Bedin­gungen anzu­passen! Von wegen Dodo, Mas­sen­aus­sterben und XR-Bewegung! Selt­sa­mer­weise schaffte die Fische­rei­in­dustrie vor Neu­fundland Anfang der Neun­ziger Jahre aus­ge­rechnet das, was Green­peace als Erklärung für das Ver­schwinden der ver­gleichs­weise kleinen Kabel­jau­be­stände in Nord- und Ostsee für nicht aus­rei­chend hält: Vor der ame­ri­ka­ni­schen Nord­ost­küste brachen die Kabel­jau­be­stände wegen Über­fi­schung völlig zusammen und sind seither nicht mehr nutzbar. Und nein, die Fische haben sich nicht zu Santa Claus an den Nordpol auf­ge­macht. Allein auf Neu­fundland gingen in den 90er Jahren 40.000 Arbeits­plätze verloren.
Ja, der Mensch macht dumme Sachen mit den Welt­meeren. Dafür muss er nicht mal einen klit­ze­kleinen Kli­ma­wandel anzetteln, das schaffte er früher locker beim Verzehr von Fisch­stäbchen. Im Übrigen kann auch bei den Wild­fisch­be­ständen im All­ge­meinen vor­sichtig Ent­warnung gegeben werden. Die Kon­trolle der Fang­mengen gelingt immer besser, die welt­weite Gesamt­menge an gefan­genem Fisch sta­gniert mitt­ler­weile. Der weltweit immer noch wach­sende Bedarf an Fisch (mehr Mensch, mehr Fisch…logisch) wird zunehmend aus Aqua­kul­turen gedeckt. Seit 2012 hat die Fisch­zucht die Fang­mengen über­flügelt – Tendenz stark steigend. 

Text­bau­stein: Die Ozeane „ver­sauern”
Im selben Artikel von Green­peace finden wir auch fol­gende Aussage, die seit Jahren in immer alar­mis­ti­scheren For­mu­lie­rungen durch die Medien saust. Die Ozeane versauern!
Ozeane ver­lang­samen als Koh­len­stoff-Speicher zwar die Erd­er­wärmung, doch durch die enormen zusätz­lichen Mengen von Koh­len­dioxid ver­sauern die Meere. Das Koh­len­dioxid, das die Meere auf­nehmen, ver­bindet sich teil­weise mit dem Wasser zu Koh­len­säure. Der so genannte pH-Wert des Meer­wassers sinkt, das Wasser wird zunehmend saurer. Der durch­schnitt­liche pH-Wert hat sich bereits von 8,16 auf 8,05 ver­ringert. Das hört sich nicht nach viel an, dieser Effekt hat aber schwer­wie­gende Folgen z.B. für Orga­nismen mit kalk­hal­tigen Schalen. Ihr Schutz­mantel wird von der Säure ange­griffen oder zer­stört. Besonders Korallen und Kleinst­le­be­wesen wie winzige Mee­res­schnecken und Zoo­plankton, die am Anfang der Nah­rungs­kette stehen, sind betroffen.“
Zunächst machen die Ozeane das mit dem Koh­len­stoff spei­chern natürlich nicht, um uns einen Gefallen zu tun, sondern weil die Gesetze von Physik und Chemie sie dazu zwingen. Die Kon­zen­tration von CO2 ist im Wasser zudem etwa 50-mal höher als in der Luft. „Koh­len­säure“ klingt natürlich erst mal schön gru­selig, schließlich denkt man sofort an spru­delndes Mine­ral­wasser. Doch der pH-Wert von Meer­wasser liegt zwi­schen 7,5 und 8,4 und schwankt zudem regional auf­grund des unter­schied­lichen Salz­ge­haltes so stark, dass ein Mit­telwert etwa so viel aussagt, wie der mittlere Salz­gehalt im glo­balen Nudel­koch­wasser über den Geschmack der Spa­ghetti bei meinem Lieb­lings­ita­liener. Schon weil die Ver­mi­schung der gigan­ti­schen Was­ser­massen der Ozeane und der ver­tikale Wär­me­transport nicht in dem Tempo erfolgen, wie sich Salz im Nudel­wasser auflöst oder das Wasser im Topf kocht. Dazu später mehr.
Auf jeden Fall ist der pH-Wert von Meer­wasser immer noch basisch und oberhalb der Neu­tral­marke 7 von reinem Wasser. Wo aber eine basische Lösung ist, wirken keine Säuren, und angreifen können sie schon mal über­haupt nicht. Nach der Green­peace-Sug­gestion wäre bereits klares Wasser eine starke Säure, die Kalk­stein angreift und zer­stört. Wäre dies so, wäre aus der Antike keine einzige Mar­mor­statue auf die Nachwelt gekommen, weil toxi­sches Regen­wasser mit dem unfassbar gefähr­lichen pH-Wert von etwa 7 sie längst auf­gelöst hätte und Kalk­stein­spe­zia­listen für ihre Pfle­ge­hin­weise (Wasser, Seife) mit Scha­den­er­satz­klagen geradezu über­schüttet würden.
Dass aus­ge­rechnet der Schutz­mantel der Korallen von der „Säure“ ange­griffen werde, ist eine sehr ver­ein­fachte Dar­stellung. Wäre dies so, würden von einem „vom Kli­ma­wandel bedrohten“ Koral­lenriff nicht aus­ge­rechnet und kame­ra­wirksam die toten Kalk­ske­lette übrig­bleiben. Dass Kalk im Wasser unter der soge­nannten Kalzit-Kom­pen­sa­ti­ons­tiefe instabil wird und zer­fällt, ist hin­gegen ein natür­licher Prozess, der das Wasser wieder mit fri­schen Cal­ci­um­ionen ver­sorgt. Fakt ist natürlich, dass der höhere CO2-Gehalt den pH-Wert leicht senkt, was die kalk­bil­dende Reaktion stört und Stress auslöst. Doch das ist bei weitem nicht das einzige Problem von Korallen.
Koh­len­säure und Koralle
Wo Green­peace von „Koh­len­säure“ spricht, befindet sich in der basisch-wäss­rigen Lösung Meer­wasser tat­sächlich Hydro­gen­car­bonat. Die Reaktion, mit welcher kalk­bil­dende Korallen aus Cal­ci­um­ionen und Hydro­gen­car­bonat Cal­ci­um­car­bonat, Wasser und CO2 her­stellen, läuft per­manent und in beide Rich­tungen ab. Unter dem Strich schaffen es die Stein­ko­rallen aber, jährlich etwa 900 Mil­lionen Tonnen Cal­ci­um­car­bonat zu bilden, aus dem über die Jahr­mil­lionen und mit Hilfe allerlei anderer kalk­bil­dender Tiere herz­al­ler­liebste Süd­see­atolle, die weißen Klippen von Dover und Rügen, Michel­an­gelos David und Tafel­kreide ent­standen sind. Zur Ent­stehung dieses Cal­ci­um­car­bonats braucht es vor allem Calcium, Wärme, Wasser und: CO2.
Viele Koral­len­riffe haben Pro­bleme, das ist wahr. Aber neben Tem­pe­ra­tur­stress durch Was­se­r­er­wärmung und Schwan­kungen beim pH-Wert (was auch vom Süß­was­ser­eintrag durch Flüsse und starken Regen, nicht nur durch CO2-Eintrag ver­ur­sacht wird), gibt es noch andere Fak­toren, die für ster­bende Riffe und die soge­nannte Koral­len­bleiche ver­ant­wortlich sind. Ver­schmutzung, Schlepp­netze, Schiffs­anker, Dyna­mit­fi­scherei und der Eintrag von Schad­stoffen durch Industrie und Land­wirt­schaft sind solche Stressfaktoren.
Bei der Koral­len­bleiche, die am Ende nur noch die Kalk­ske­lette übrig lässt, ver­schwinden vor den Polypen der Stein­ko­rallen zuerst die mit ihnen in Sym­biose lebenden Algen, besonders weil ihnen ein Bak­terium stark zu schaffen macht: Ser­ratia mar­ce­scens. Das ist für diese Algen toxisch und stammt aus­ge­rechnet aus mensch­lichen Klär­an­lagen. Aber hey, lasst uns das Koral­len­sterben einfach in toto dem Kli­ma­wandel in die Schuhe schieben! Wenn wir erst die gesamte indus­trielle Ent­wicklung rück­ab­ge­wi­ckelt haben, gibt es ja auch keine Klär­an­lagen mehr – Problem gelöst!
Fazit
Der Mensch mit seinem Tun hatte natürlich zu allen Zeiten Ein­fluss auf seine Umgebung. Die Indus­tria­li­sierung und die ihr fol­gende Bevöl­ke­rungs­explosion sorgten dafür, dass diese Ein­flüsse sich ska­lierten. Es waren jedoch aus­ge­rechnet die Indus­tria­li­sierung, die erstmals in der Mensch­heits­ge­schichte für einen wach­senden tech­ni­schen Weit­blick sorgte und die Wis­sen­schaft, die zur Erkenntnis ganzer Ursache-Wirkung-Ketten gelangte. „Gefahr erkannt” kommt immer vor „Gefahr gebannt”
Das biblisch begründete und agra­risch gemeinte „… macht euch die Erde untertan“ hatte zuvor kaum die Kraft, ganze Öko­systeme aus den Angeln zu heben. Das lag aber nicht daran, dass der Mensch es nicht immer wieder ver­sucht hätte. Manchmal durchaus erfolg­reich – wenn auch mit bes­seren Absichten als in blinder, mut­wil­liger Zer­störung. Man denke an Tiere, die aktiv aus­ge­rottet wurden, die Abholzung der Wälder auf den bri­ti­schen Inseln und der Küsten der Mit­tel­meer­länder oder – schon in der Neuzeit und genauer gesagt in der All­machts­phan­tasie des Sozia­lismus gelegen – die beinahe-Aus­lö­schung des Aralsees.
Welche gigan­to­ma­ni­schen Pläne wird die Nachwelt uns als Grö­ßenwahn und Wis­sens­an­maßung aus­legen? Die Errichtung oder doch eher die Abschaltung von Kern­kraft­werken? Wird man sich fragen, warum wir, statt erreichbare Ziele in den Blick zu nehmen, ein CO2-freies Utopia errichten wollten? Oder warum wir in Europa zur Rettung der Ozeane Plas­tik­tüten ver­bieten, obwohl 90% des Plas­tik­mülls über zehn Flüsse in Asien und Afrika in die Meere gelangt? Deut­licher kann eine Fehl­al­lo­kation von Auf­merk­samkeit auf ein Problem kaum ausfallen.
Dem Schutz der Umwelt ist jeden­falls mehr gedient, wenn man den Men­schen in der dritten Welt über die Schwelle von Armut und Unbildung hilft, weil Men­schen erst dann beginnen, ihre Umwelt als Lebensraum und nicht als Feind zu betrachten. Das mag anfangs nur um den Preis höherer CO2-Emis­sionen zu haben sein, aber sobald die Schwelle über­schritten ist, geschehen zwei Dinge gleich­zeitig: Das Bevöl­ke­rungs­wachstum kommt zum Still­stand und die Ener­gie­ef­fi­zienz steigt. Beides redu­ziert letztlich alle Emis­sionen, seien sie nun schädlich oder nicht.
Und sollten wir wirklich zu dem Schluss kommen, den CO2-Ausstoß kurz­fristig ver­ringern zu müssen (was ich nicht glaube), dann bitte ohne die Mehrheit der Menschheit dau­erhaft von allen Ent­wick­lungs­chancen abzu­schneiden und in Guts­her­ren­manier oder Sek­tenart über den Ener­gie­bedarf jedes ein­zelnen Men­schen zu ent­scheiden. Also lieber aktiv, als durch die Rückkehr zu Men­schen­opfer und Höhlenmalerei.

Der Autor Roger Letsch ver­öf­fent­licht seine sehr lesens­werten Bei­träge auf www.unbesorgt.de