Bildquelle: Wikimedia Commons: Syrian refugees, Mstyslav Cherniv, Bildlizenz: CC BY-SA 4.0

Rupert Scholz (CDU) über die Regierung: „Staats­ver­sagen und Ver­fas­sungs­bruch“ — eine bittere Abrechnung

Gabor Steingart leitete von 2001 bis 2007 das Haupt­stadtbüro des „Spiegel“ in Berlin, danach bis 2010 das Spiegel-Büro in Washington. Vom Spiegel wech­selte er zum Han­dels­blatt, wo er als Chef­re­dakteur und Her­aus­geber von 2010 bis 2018 ton­an­gebend wirkte. Er war dort ab 2012 Vor­sit­zender der Geschäfts­führung und Mit­ei­gen­tümer an der Han­dels­blatt Media Group. Seit Mitte letzten Jahres gibt er an Wochen­tagen einen Podcast, das „Morning Briefing“ heraus, wo er bekannte und inter­es­sante Per­sön­lich­keiten interviewt.
Am Samstag, den 2. November hatte er den ehe­ma­ligen Ver­tei­di­gungs­mi­nister Prof. Rupert Scholz (CDU) zu Gast. Prof. Scholz war unter anderem Jus­tiz­se­nator in Berlin und von 1988 bis 1989 Bun­des­ver­tei­di­gungs­mi­nister. Die Äuße­rungen des Herrn Prof. Scholz zum Wirken der Bun­des­re­gierung haben es in sich.

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Die Bilanz der Regierung Merkel: „Ver­dienste, aber auch gra­vie­rende Fehler“
Ein bri­santes Thema war die don­nernde Wahl­schlappe der CDU am Thü­ringer Wahl­sonntag. Die Partei war auf ein his­to­ri­sches Tief von 21,8 Prozent zusam­men­ge­kracht. Anders als die CDU-Poli­tiker in den Wahl­sen­dungen der Medien (wir haben gute, poli­tische Arbeit geleistet und vieles Gute auf den Weg gebracht, einen tollen Wahl­kampf gemacht, …), nennt Prof. Scholz die Dinge beim Namen. Er sieht die Gründe dafür sehr wohl in der eigenen Partei. „Ich glaube, dass die CDU seit Jahren große Fehler gemacht hat“ stellt er illu­si­onslos in dem Podcast fest. Und auf die Bilanz der Politik der Kanz­lerin ange­sprochen, meint er nur kurz „Ver­dienste, aber auch gra­vie­rende Fehler.“
Gabor Steingart will es genauer wissen. Welche Ver­dienste die Kanz­lerin denn habe? Die Reaktion ist ent­larvend. Prof. Scholz gibt sich Mühe, aber kon­krete Ver­dienste kann er nicht benennen. Er bemüht unscharfe All­ge­mein­plätze ohne Inhalt, um das Wirken der Kanz­lerin irgendwie zu wür­digen, bei den gra­vie­renden Fehlern wird er schon deutlich konkreter.
Der Zerfall der alten Volks­par­teien ist auch Merkels „Ver­dienst“
So lastet Prof. Scholz den Verfall der CDU und zu einem gewissen Grad auch den der SPD der Kanz­lerin an. Beide Par­teien, so Prof. Scholz, haben ver­gessen, was sie zu „wich­tigen Pfeilern der Demo­kratie“ gemacht habe. Der Drift der CDU nach links unter Angela Merkel habe den kon­ser­va­tiven Flügel der CDU abge­würgt, der SPD ihre Iden­tität genommen und der CDU die par­tei­in­terne Mei­nungs- und Gestal­tungs­freiheit weg­ge­nommen. Die CDU habe sich zu einer „bes­seren SPD“ ent­wi­ckelt, die die eigent­liche SPD im Kern inhaltsleer gemacht hat. Als Folge dessen habe sich rechts von der CDU die AfD ent­wi­ckelt. Eine logische Folge, die das poli­tische Urge­stein Franz-Josef Strauß schon damals klar erkannt habe, als er sagte, es dürfe niemals rechts von der CDU/CSU eine „ernst­zu­neh­mende Partei“ ent­stehen. Mit Beschimp­fungen gegen die AfD als „die bösen Rechts­po­pu­listen“ und der Ver­un­glimpfung deren Wähler werde das Problem auch nicht gelöst.
Merkels offene Grenzen: „Eine Katastrophe“
Das Haupt­thema, was den Deut­schen umtreibt und in zwei Lager spaltet geht er mit einer Klarheit an, die man von einem alt­ge­dienten CDU-Mann nicht so erwartet hätte. Eine „Kata­strophe“ sei es gewesen, was Bun­des­kanz­lerin Merkel im Sommer 2015 „ange­richtet“ habe. Er nennt ihre Grenz­öffnung schlicht „ver­fas­sungs­widrig“ und ein „Staats­ver­sagen und Ver­fas­sungs­bruch“ — so ori­ginal im Podcast anzu­hören. Die Reform des Asyl­rechtes im Jahre 1993, als es um 400.000 Asy­lanten ging, wurde in einem Zusatz zum Artikel 16 des Grund­ge­setzes, dem Artikel 16a GG festgeschrieben:
  1. Poli­tisch Ver­folgte genießen Asylrecht.
  2. Auf Absatz 1 kann sich nicht berufen, wer aus einem Mit­glied­staat der Euro­päi­schen Gemein­schaften oder aus einem anderen Dritt­staat ein­reist, in dem die Anwendung des Abkommens über die Rechts­stellung der Flücht­linge und der Kon­vention zum Schutze der Men­schen­rechte und Grundfrei­heiten sicher­ge­stellt ist

Dieser Grund­ge­setz­ar­tikel gelte nach wie vor, stellt Prof. Scholz fest. Im Herbst 2015 wurde er aber einfach miss­achtet. Eine Ent­scheidung des Deut­schen Bun­des­tages hat es dazu nicht gegeben. Kanz­lerin Merkel hat selbst­herrlich einen Artikel des Grund­ge­setzes ignoriert.
Die Aus­höhlung der Staat­lichkeit Deutsch­lands als Vor­be­reitung zum EU-Superstaat
In diesem Zusam­menhang macht Prof. Scholz ein hoch­bri­santes Statement:
„Wer die Grenzen eines Staates in der Form öffnet, wer die Grenzen aufgibt, gibt das Staats­gebiet auf. Wer ein Staats­gebiet aufgibt, gibt den Staat auf“, sagte der Ex-Verteidigungsminister.
Nicht wenige Bürger sehen darin nicht nur eine Ver­fehlung Merkels, sondern ein bewusst geplantes Ziel. Kanz­lerin Merkel habe damit absichtlich einen ent­schei­denden Schritt getan, die Staat­lichkeit der Bun­des­re­publik Deutschland zu unter­graben, um ein Ver­schmelzen mit der EU als Super­staat durch die Hin­tertüre zu erreichen.
Prof. Scholz lässt das nur sehr ver­halten durch­blitzen, wenn er sagt, es sei nicht ganz ehrlich, wenn nun in der Migra­ti­ons­pro­ble­matik immer eine euro­päische Lösung gesucht werde. Die Lösung gebe es ja längst, nämlich im besagten Artikel 16a GG, dem Dublin-Abkommen. Nur halte sich die Kanz­lerin nicht daran. Statt sich an die Gesetze und Ver­träge zu halten, habe Deutschland das Dublin-Abkommen auf­ge­kündigt und nötige die Euro­päi­schen Nationen, Soli­da­rität zu zeigen. Dies, so Prof. Scholz, sei keine ver­ant­wort­liche Politik. Wörtlich sagte er:
„Wir prak­ti­zieren dieses rechts­widrige Ver­fahren immer noch und immer weiter und kein Mensch im Par­lament regt sich darüber auf – mit Aus­nahme der AfD.“
Kein Ende der Migra­ti­ons­krise – weil nicht gewollt
Zwi­schen 10.000 und 15.000 Zuwan­derer erreichen pro Monat Deutschland und werden auf­ge­nommen. Das ist die offi­zielle Zahl. Auch hier wirft Prof. Scholz Kanz­lerin Merkel und der Regie­rungs­ko­alition ekla­tantes Ver­sagen vor: „Die könnten alle sofort zurück­ge­schickt werden und zwar in das Land, aus dem sie kommen“ hadert der CDU-Poli­tiker mit dem Kurs der Regierung. Von den Zig­tau­senden sei nur ein „mini­maler Bruchteil“ über­haupt asyl­be­rechtigt. Aber die deut­schen Behörden bringen es nicht fertig, mehr als 100 illegale Ein­wan­derer und Nicht-Asyl­be­rech­tigte pro Monat wieder auszuschaffen.
Ein Problem liege darin, dass die Beweislast, ob Asyl­be­rech­tigung oder nicht, bei den deut­schen Behörden liegt, was die Aus­schaffung so gut wie unmöglich macht, weil man kaum her­aus­finden kann, woher die Migranten tat­sächlich kommen. In der Regel haben sie keine Papiere, anhand derer man sie iden­ti­fi­zieren könnte – was kein Zufall ist. Denn ihre Handys haben sie meist alle. Überdies sei dann noch lediglich ein „ver­schwindend geringer“ Pro­zentsatz der Zuwan­derer über­haupt im deut­schen Arbeits­markt brauchbar. Was logi­scher­weise in der Folge zu einer mas­sen­haften Ein­wan­derung in die sozialen Netze führt. Dafür war Hartz IV aber nicht gedacht.
Eine Billion Euro Sozi­al­leis­tungen in Deutschland
Eine Billion – das war vor zwanzig Jahren noch eine Zahl, die man mit Erstaunen und nur im Zusam­menhang mit den Staats­schulden der USA hörte. Längst ist heute auch in Deutschland die Billion ange­kommen und selbst­ver­ständlich auf der fal­schen Seite der Bilanzen. Ob nun die Target2-Saldi der Deut­schen Bun­desbank, der Kli­ma­schutz oder die Sozi­al­aus­gaben. Auch das bezeichnet Prof. Scholz als eine Kata­strophe. Schlichtweg eine Umver­teilung sei das, kri­ti­siert er, und die Wirt­schaft werde dadurch stark geschädigt. Öko­nomen pflichten ihm darin heftig bei. Wohl­stand kann nicht durch immer wei­teres Weg­nehmen hier und Ver­teilung nach da und dort erreicht werden, sondern muss durch Wert­schöpfung gebildet werden.

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Ein simples Bei­spiel: Wenn der reiche Onkel der arbeits­losen Familie alle durch­füttert, so ist am Ende alles ver­braucht und am Schluss hat keiner mehr etwas und alle sind arm und hungrig. Bietet der „reiche Ver­wandte“ seinen Leuten aber Mög­lich­keiten, Werte und Dinge für Ein­kommen zu pro­du­zieren (Gemüse anpflanzen im Garten, daraus Kon­serven zu machen, Autos repa­rieren, Brennholz machen, ein neues Haus für die Familie bauen, Möbel schreinern), werden Werte und Nah­rungs­mittel und Waren etc. erzeugt, die ins­gesamt den Wohl­stand der Familie erhöhen, statt alles, was da ist zu ver­brauchen, bis eben nichts mehr da ist.
Zurzeit, so sieht Prof. Scholz die Dinge, stehen die Deut­schen beim Bezahlen von Steuern und Abgaben an zweit­höchster Stelle, hinter Belgien. Es sei ver­blüffend, sagt er, dass die deutsche Wirt­schaft das so lange durch­ge­standen habe. Er fordert vehement „die Steuern müssen runter!“
Zumal die Steuern nicht da inves­tiert würden, wo sie müssten, nämlich zum Wohl des Landes und seiner Bürger. Die Bildung ist eine wichtige Inves­tition in die Zukunft. Enorm wichtig sei auch die Qua­lität der Bildung. Berlin, so führt er als Bei­spiel an, gebe am aller­meisten für die Schulen aus, liege aber, was die Leis­tungs­bilanz der Schul­aus­bildung betrifft, auf dem letzten Platz. Auch das sei eine Katastrophe.
Büro­kratie killt Wirtschaft
Die nicht mehr unter­scheidbare Politik und Haltung aller Parteien im Bun­destag – außer der AfD – hat jeden kri­ti­schen Diskurs abge­würgt, bemängelt Prof. Scholz. Dinge werden nicht mehr kri­tisch hin­ter­fragt, eine echte Oppo­sition gibt es nur in der AfD, und die wird immer nur abge­wiesen und nie­der­ge­macht. Gegen diese sind sich alle einig. Auf der Strecke bleibt das kri­tische Abklopfen der Positionen.
Die ver­schie­denen Bun­des­mi­nis­terien küm­merten sich weniger darum, in ihrem Auf­ga­ben­be­reich gute Arbeit zu leisten und Dinge vor­an­zu­bringen, sondern seien haupt­sächlich damit beschäftigt, neue büro­kra­tische Bestimmungen zu erfinden, die jeden und alles immer schärfer regu­lieren. Das werde im Bun­destag aber gar nicht mehr in Dis­puten geprüft und aus­ge­handelt, sondern nur noch „durch­ge­wunken“. So werde durch die auf­ge­blasene Büro­kratie die Wirt­schaft erdrosselt und lahm­gelegt und jede Inno­va­ti­ons­kraft erstickt. Viele ver­sinken in dem Büro­kra­tie­sumpf und gehen pleite. Hier fordert Prof. Scholz eine umfas­sende Deregulierung.
Die Über­re­gu­lierung und die aus­ufernden Abgaben führen auch dazu, dass viele Firmen einfach ins Ausland abwandern, wo sie freier und fle­xibler sind, nicht von 1000 büro­kra­ti­schen Hürden und Rege­lungen aus­ge­bremst und finan­ziell wesentlich weniger belastet werden. Das aber führt dazu, dass diese Arbeits­plätze in Deutschland ver­lo­ren­gehen, die Mit­ar­beiter gekündigt werden und ins soziale Netz wandern. Eine Ent­wicklung, die unwei­gerlich zur Kata­strophe führen muss.
Einen mas­siven Abbau der Behörden und Büro­kratie fordert zurzeit nur die AfD. Eine sichere Bank, dass das Thema erst recht nicht auf­ge­griffen wird, so nötig das auch wäre. Es ist für die Poli­tiker und Abge­ord­neten wich­tiger, sich ja nicht für irgend­etwas aus­zu­sprechen, was die AfD fordert, als wirklich die Pro­bleme des Landes zu lösen. So bleibt auch der Aus­blick von Prof. Scholz sehr düster.