Das Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung hat unter der Überschrift „Gewinner der Globalisierung“ eine Studie darüber veröffentlicht, wie viele Deutsche pro Jahr auswandern und wie viele davon zurückkommen und aus welchen Gründen. Insgesamt wandern jährlich 180.000 Deutsche ins Ausland aus und davon zurück kommen jedes Jahr 130.000. Das ergibt einen Nettoverlust von jedem Jahr in Höhe von 50.000 Menschen. Das ist eine mittlere Stadt. Jedes Jahr.
Die Fragestellung der Studie des GERPS (German Emigration and Remigration Panel Study) lautet: “Ziel des Forschungsprojektes ist es, am Beispiel der Auswanderung aus Deutschland und der Rückwanderung nach Deutschland die individuellen Konsequenzen internationaler Migration für den weiteren Lebensverlauf zu untersuchen. Begünstigen temporäre oder auch längerfristige Auslandsaufenthalte tatsächlich ein beruflich erfolgreiches Leben? Steht räumliche Immobilität im Zusammenhang mit geringeren Lebenschancen und sozialer Exklusion?”
Interessant ist dann noch die Erklärung des speziellen Ansatzes der Studie:
“Das Projekt untersucht die Konsequenzen internationaler Migration in Anlehnung an klassische Differenzierungen der Sozialstrukturanalyse und der Ungleichheitsforschung entlang von vier Dimensionen des Lebensverlaufs: Erwerbstätigkeit und Einkommen, Wohlbefinden und Lebenszufriedenheit, Partnerschaft und Familie sowie soziale Beziehungen und gesellschaftliche Partizipation. Während sich die Migrationsforschung traditionell auf die Untersuchung der Integration von Zuwanderern in die Aufnahmegesellschaft konzentriert hat, werden die Konsequenzen der Mobilität in der German Emigration and Remigration Panel Study insbesondere durch einen Vergleich mit der nicht-mobilen Bevölkerung der Herkunftsgesellschaft sowie als Ergebnisse individueller Lebensverläufe untersucht.”
Man möchte also diesmal nicht nur, wie sonst immer, untersuchen, wie und warum Zuwanderer hier nach Deutschland kommen und ob und wie sie sich integrieren (dazu haben wir bereits genug gelesen und gehört und erfahren die Segnungen der Zuwanderung täglich), sondern umgekehrt, was treibt die Deutschen ins Ausland und welche Schichten sind das? Was erreichen sie im Ausland von ihren Zielen und Erwartungen? Und warum kommt wer zurück, und was unterscheidet diese Auswanderer-Deutschen von denen, die hierbleiben?
Dabei werden die vier Bereiche beleuchtet:
- Berufliche Gründe (Ausbildung, Karrierechancen und Bezahlung)
- Erwartungen an den Lebensstil und die Gesellschaft im Einwanderungsland
- Folgen für Partnerschaft und Familie
- Land und Leute kennenlernen und sich dort aufgenommen und beteiligt fühlen.
Dazu hat das Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung mit Soziologen der Universität Duisburg-Essen 10.000 Probanden zwischen 20 und 70 Jahren befragt, die in Deutschland geboren wurden und die im Zeitraum zwischen Juli 2017 und Juni 2018 aus Deutschland ausgewandert oder aus dem Ausland zurückgekehrt sind.
Das Durchschnittsalter der Auswanderer/Heimkehrer liegt bei 36,6 Jahren (zwischen 20 und vierzig Jahren alt), also im besten Leistungsalter und nicht ganz zehn Jahre unter dem Durchschnittsalter der Gesamtbevölkerung Deutschlands. Das bedeutet einerseits ein relativ hohes Alter im Vergleich zu den Migranten aus Afrika, Nordafrika, Nahost und Afghanistan oder Asien. Es bedeutet aber auch, dass es Menschen sind, die aktiv in der Eltern- oder Familiengründungsphase sind, und die Kinder ihre Kindheit größtenteils nicht in Deutschland erleben.
Die Studie beschreibt diese Gruppe als „im Durchschnitt jünger und deutlich besser qualifiziert als die Gesamtbevölkerung“. Denn 76 Prozent davon sind Akademiker und Akademikerinnen. „Auswanderung ist eine Domäne der Hochqualifizierten“ ist da zu lesen. Das ist etwas, das uns „Zurückgebliebenen“ durchaus nicht neu ist. Genauso wenig, wie dass der Großteil der Zuwanderer nach Deutschland nachweislich nur über eine schlechte oder gar keine Bildung verfügt.
Hier wäre ein Vergleich zum Durchschnitt der Qualifizierung der Zuwanderer nach Deutschland aus dem Ausland interessant. Eine Suche bei Google führte jedoch zu einer geradezu erstaunlichen Schnitzeljagd:
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hatte im Oktober 2019 den „Minas — Atlas über Migration, Integration und Asyl“ in der 9. Ausgabe herausgegeben. Also noch ganz neu und nicht irgendwann im Laufe der Jahre irgendwie untergegangen.
Man konnte sich ursprünglich diese Broschüre als PDF herunterladen.
Dort stand im Suchworttext unter der Überschrift im ersten Google-Ergebnis (Schulische Bildung von Migranten), dass (Menschen in Deutschland mit Migrationshintergrund) „deutlich häufiger über keinen allgemeinen Bildungsabschluss“ verfügen. (Bei Google-Suche gleich das erste Ergebnis, hier). Klickt man dieses aber an, gibt es diesen Inhalt nicht mehr. Gibt man den Link ein, unter dem die PDF herunterladbar ist, und versucht man, die PDF zu öffnen oder herunterzuladen, ist das nicht möglich. Selbst dann, wenn es gelingt, die PDF herunterzuladen, erscheint beim Öffnen in einem PDF-Reader nur, dass die Datei beschädigt ist und nicht repariert werden kann.
Klickt man aber bei dem genannten, ersten Google-Ergebnis auf das kleine, grüne Dreieckpfeilchen, erscheint ein Festerchen. Klickt man auf „Im Cache“, erscheint – oh Wunder! – die gesamte Studie. Interessant, nicht wahr?
Liest man ein wenig darin herum, findet man Texte, wie diesen:
„(Seite 51:) Ein eher niedriges Bildungsniveau zeigt sich dagegen bei den Personen mit einem türkischen Hintergrund sowie bei den Frauen aus Serbien und Montenegro und aus Bosnien und Herzegowina. Bei diesen Gruppen verfügt ein großer Anteil über keinen allgemeinen Schulabschluss, gleichzeitig können nur wenige einen Realschulabschluss sowie die Fachhochschulreife oder das Abitur vorweisen. Besonders problematisch zeigt sich die Situation bei den Frauen mit einem türkischen Hintergrund: Mehr als ein Drittel (35,3 %) von ihnen verfügt über keinen allgemeinen Schulabschluss, nur 12,6 % über einen Realschulabschluss und sogar nur 8,5 % über die Fachhochschulreife oder das Abitur. (Seite 53:) Anhand des Mikrozensus 2006 lässt sich zeigen, dass die Personen mit Migrationshintergrund deutlich häufiger über keinen allgemeinen Bildungsabschluss verfügen als die Personen ohne Migrationshintergrund.“
Wie gesagt, es handelt sich hierbei um eine Studie, ein „Working Paper“ der Forschungsgruppe eines Bundesamtes zum Thema „Schulische Bildung von Migranten in Deutschland“ und nicht um ein Hassposting der AfD.
Aber zurück zu den deutschen Auswanderern.
Als ein wichtiger Grund, den die deutschen Auswanderer für ihre Entscheidung angeben, zählen die besseren Verdienstmöglichkeiten. Über 60% der in der Studie Befragten gaben an, dass ihr Nettohaushaltseinkommen im Ausland im Vergleich zu ihren Einkommen in Deutschland „besser“ oder „viel besser“ war. Ausgewanderte Vollzeitbeschäftigte verdienen (kaufkraftbereinigt) ca. 1200 € mehr im Monat als in Deutschland. Auch das erstaunt den informierten Bundesbürger nicht. Es ist bekannt, dass die Deutschen über das geringste Medianeinkommen in der EU verfügen und fast die höchsten Steuern bezahlen.
Bemerkenswerterweise stellt die Studie fest, dass Geringqualifizierte prozentual sogar eine noch höhere Einkommenssteigerung verzeichnen als die Hochqualifizierten.
Dass Deutschland unter einem „Braindrain“ ausblute, sei aber keineswegs der Fall, meinen die Forscher. Denn die meisten kämen ja zurück und blieben nur einige Jahre im Ausland. „Vielmehr deuten die Befunde auf eine brain circulation hin und damit auf eine weitgehend ausgeglichene Qualifikationsstruktur der Aus- und Rückwanderer“, heißt es hier.
Dass Deutschland jedes Jahr eine mittlere Stadt von 50tausend Menschen im besten Alter samt Familie dauerhaft an den Rest der Welt verliert, weil man hier kaum ordentlich verdienen kann, wird marginalisiert. 50.000 von 180.000 sind immerhin fast ein Drittel. Fast ein Drittel kommt also nicht zurück. Warum wohl? Ein weiterer, wichtiger Grund für das Auswandern ist laut der Studie der bessere und attraktivere „Lebensstil im Zielland“. Vielleicht ohne Klimadiktatur und Weihnachtsmarktpoller?
Sieht man sich die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland an, so wird das wohl in den nächsten Jahren wahrscheinlich noch kräftig mehr werden. Viele Fachleute, Ingenieure, Facharbeiter und Spezialisten zum Beispiel aus der Autobranche werden abwandern und für Deutschland verloren sein.
Aber, so trösten uns die Forscher der Studie, es kommen doch qualifizierte Fachkräfte aus anderen Ländern zu uns. Und das führe doch unter‘m Strich zu einem „positiven Wanderungssaldo“: „Es gehen die Besten, es kommen auch die Besten“.
Wie wundervoll ist doch die Globalisierung. Alle gewinnen nur.
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