Kli­ma­wandel: Die falsche Behauptung vom „97-Prozent-Konsens“

Eines der popu­lären Argu­mente der Ver­fechter aggres­siver Staats­ein­griffe in der Kli­ma­wan­del­de­batte besteht darin, sich darauf zu berufen, dass „97% aller Wis­sen­schaftler“ ihrer Meinung sind, und folglich alle Kri­tiker unwis­sen­schaft­liche „Leugner“.
(von Robert P. Murphy)

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Diese Behaup­tungen waren von Anfang an zwei­felhaft; Leute wie David Friedman haben bewiesen, dass die Behauptung vom 97%-Konsens nur deshalb zum beliebten Argument werden konnte, weil mit einer ver­zer­renden Methode völlig falsch dar­ge­stellt wurde, wie wis­sen­schaft­liche Artikel bewertet werden. So wurde die Zahl extrem aufgeblasen.
Abge­sehen davon ver­wendet die Rezension eines Buches im Magazin The New Republic, das sich kri­tisch mit der Haupt­strom­öko­nomie aus­ein­an­der­setzt, exakt den­selben extrem hohen Konsens-Pro­zentsatz, um die Wis­sen­schaft der Öko­nomie in schlechtem Licht dastehen zu lassen. Mit anderen Worten: wenn es um die fast ein­stimmige Ablehnung von Miet­preis­kon­trollen oder Zöllen unter Öko­nomen geht, kommen zumindest manche Linke zu dem Schluss, dass es sich hier um Grup­pen­denken handeln muss. Die einzige Gemein­samkeit in diesen beiden Fällen besteht darin, dass sich The New Republic auf die Seite derer stellt, die mehr Staats­ein­griffe befür­worten – eine der Kern­phi­lo­so­phien seit Gründung durch Herbert Croly vor fast einem Jahrhundert.
Die zwei­fel­hafte „97%-Konsens-Behauptung“ zur Klimaforschung
Schon 2014 stu­dierte David Friedman intensiv den Ori­gi­nal­ar­tikel, der den Ursprung des „97%-Konsens“-Argumentes dar­stellt. Tat­sächlich stellten die dama­ligen Autoren, Cook et al., in ihrem Artikel von 2013 nur fest, dass 97,1% aller rele­vanten Artikel der Behauptung zustimmen, die Men­schen würden zur glo­balen Erwärmung bei­tragen. Das ist aller­dings über­haupt nicht das­selbe, wie zu behaupten, die Men­schen seien die Haupt­ver­ur­sacher einer beob­ach­teten glo­balen Erwärmung seit der indus­tri­ellen Revolution.
Im Gegenteil – dies ist ein großer Unter­schied. So bin ich zum Bei­spiel Mit­autor einer Studie des Cato-Instituts, zusammen mit den Kli­ma­wis­sen­schaftlern Pat Michaels und Chip Knap­pen­berger, in der wir uns vehement gegen eine CO²-Steuer in den USA aus­sprechen. Und trotzdem sind sowohl Michaels als auch Knap­pen­berger laut Cook et al. als Kli­ma­wis­sen­schaftler Teil des „97%-Konsenses“, weil sie beide der These zustimmen, dass, vor­aus­ge­setzt alle anderen Bedin­gungen bleiben gleich, CO²-Ausstoß durch mensch­liche Akti­vi­täten die Welt wärmer macht als sie es sonst wäre. Diese Beob­achtung an sich bedeutet noch nicht, dass es eine Krise gibt, oder dass eine hohe CO²-Steuer gerecht­fertigt wäre.
Übrigens hat der Ökonom David R. Hen­derson her­aus­ge­funden, dass der Artikel von Cook et al. tat­sächlich sogar zu einer noch unspek­ta­ku­lä­reren Beob­achtung kommt, als Friedman berichtete. Hen­derson schreibt:
[Cook et al.] sind zu ihren 97% gekommen, in dem sie nur die Zusam­men­fas­sungen berück­sichtigt haben, die zur men­schen­ge­machten glo­balen Erwärmung über­haupt Stellung bezogen haben. Ich finde es inter­essant, dass 2/3 der Zusam­men­fas­sungen über­haupt keine Position bezogen haben. Wenn man also David Friedmans und meine Kritik berück­sichtigt, lassen sich Cooks und Bedfords Ergeb­nisse fol­gen­der­maßen zusammen fassen: „Von ca. einem Drittel der über die globale Erwärmung schrei­benden Kli­ma­wis­sen­schaftler, die sich zu der Rolle der Men­schen geäußert haben, sind 97% der Meinung, dass die Men­schen zumindest irgend­einen Teil dazu bei­tragen.“ Das klingt längst nicht mehr so dra­ma­tisch, oder? [David R. Hen­derson, Fett­schrift hinzugefügt.]
Um es also zusam­men­zu­fassen: Die saloppen Bemer­kungen in den Haupt­strom­medien und den Online-Dis­kus­sionen bringen den Durch­schnitts­bürger dazu, zu glauben, dass 97% aller Wis­sen­schaftler, die zum Kli­ma­wandel etwas ver­öf­fent­licht haben, denken, dass die Men­schen zum größten Teil dafür ver­ant­wortlich sind. Wenn wir aller­dings die ursprüng­liche Ver­öf­fent­li­chung von Cook et al. von 2013 betrachten, so haben sie tat­sächlich her­aus­ge­funden, dass von den unter­suchten Ver­öf­fent­li­chungen zum Thema Kli­ma­wandel nur ein Drittel über­haupt eine Meinung zu dessen Ursachen enthält, und von diesem Drittel 97% der Meinung sind, dass die Men­schen zumindest einer der Gründe dafür sind. Dies so zu schreiben wäre wahr­heits­gemäß – aber die Wahrheit hat in poli­ti­schen Dis­kus­sionen (und heute sind fast alle Dis­kus­sionen über den men­schen­ge­machten Kli­ma­wandel poli­tisch) keinen allzu hohen Stellenwert.
Die abwei­chenden Mei­nungen von The New Republic zum Konsens
Die Zeit­schrift The New Republic wurde 1914 gegründet. Auf ihrer Inter­net­seite heißt es: „Seit über 100 Jahren ver­fechten wir pro­gressive Vor­stel­lungen und stellen land­läufige Mei­nungen in Frage. … The New Republic setzt sich für neue Lösungen zu den wich­tigsten Fragen unserer Zeit ein.“
Wenn man dies weiß, wundert es einen nicht weiter, dass The New Republic den angeb­lichen 97%-Konsens der Kli­ma­wis­sen­schaftler so ver­wendet wie es links­pro­gressive Medien übli­cher­weise tun. Dies ist ein Auszug aus einem Artikel aus dem Jahr 2015 von Rebecca Leber, in dem Repu­bli­kaner für ihre angeblich wis­sen­schafts­feind­liche Haltung zum Kli­ma­wandel ver­dammt werden:
Vor zwei Jahren hat eine Gruppe inter­na­tio­naler Wis­sen­schaftler unter Führung von John Cook von der Uni­ver­sität von Queensland 12.000 Zusam­men­fas­sungen von wis­sen­schaft­lichen Ver­öf­fent­li­chungen zum Kli­ma­wandel, die seit den 1990er Jahren erschienen sind, unter­sucht. Von den 4.000 Artikeln, die sich auf die eine oder andere Weise zu den Ursachen der glo­balen Erwärmung geäußert haben, waren 97% einer Meinung: Die Men­schen sind die Haupt­ver­ur­sacher. Die Studie hat allen Men­schen, von Prä­sident Barack Obama bis zum Komiker John Oliver, ein wun­der­bares Argument geliefert, in dem sie den wis­sen­schaft­lichen Konsens mit einer Zahl ver­sehen hat. [Leber, Fett­schrift hinzugefügt.]
Wir stellen fest, dass Leber hier schon falsche Tat­sachen ver­breitet, obwohl man sie ent­schul­digen kann – David Friedman zeigt in seinem Artikel, dass schon John Cook selbst für die Ver­wirrung in Bezug auf die tat­säch­lichen Ergeb­nisse der Studie ver­ant­wortlich ist (David Friedman spricht von einer offenen Lüge). Und stellen wir weiter fest, dass Leber bestätigt, was ich schon weiter oben ver­mutet habe, nämlich dass der Artikel von Cook et al. (2013) die Quelle des „Argu­ments“ (ihre Worte) vom soge­nannten Konsens der Kli­ma­wis­sen­schaftler ist.
Zweck von Lebers Essay ist der dann fol­gende Angriff auf Ted Cruz und einige andere Repu­bli­kaner, weil sie diesen Konsens der Kli­ma­wis­sen­schaftler ignorieren:
All diese Debatten über eine einzige Sta­tistik mögen albern erscheinen, aber es ist wichtig, dass die Ame­ri­kaner ver­stehen, dass eine über­wäl­ti­gende Mehrheit von der men­schen­ge­machten glo­balen Erwärmung über­zeugt ist. Die Leugner haben es geschafft, die öffent­liche Meinung über die Kli­ma­wis­sen­schaften zu unter­graben, was dazu führt, dass es weniger wahr­scheinlich ist, dass die Wähler für Kli­ma­schutz­maß­nahmen stimmen.
Und jetzt kommt das wirklich Inter­es­sante: Ein Kollege hat mir eine Kritik von The New Republic eines Buches von Binyan Appelbaum geschickt, welches sich kri­tisch zum Beruf des Öko­nomen äußert. Der Kri­tiker, Robin Kaiser-Schatzlein, zitiert zustimmend Appel­baums negative Meinung zum Konsens in der Ökonomie:
Appelbaum weist auf den merk­würdig ein­stim­migen Konsens auf dem Feld der Öko­nomie hin, ein­schließlich einer Umfrage unter Öko­nomen von 1979, die her­aus­ge­funden hat, dass “98% gegen Miet­preis­kon­trollen sind, 97% gegen Zölle, 95% für freie Wech­sel­kurse, und 90% gegen Min­dest­löhne.” Mit bit­terem Humor merkt er an: „Obwohl die Natur zur Entropie neigt, waren sie alle über­zeugt, dass Wirt­schaften sich stets im Gleich­ge­wicht ein­pendeln.” Den Öko­nomen waren selt­sa­mer­weise jeg­liche Zweifel darüber, wie die Welt funk­tio­niert, fremd. [Kaiser-Schatzlein, Fett­schrift hinzugefügt.]
Ist das nicht fas­zi­nierend? Anstatt Jagd auf demo­kra­tische Poli­tiker zu machen und sie zu dämo­ni­sieren, weil sie es wagen, den Konsens der Experten in Bezug auf Dinge wie Miet­preis­kon­trollen – für die sich Bernie Sanders noch vor kurzem ein­ge­setzt hat – in Frage zu stellen, gibt es eine ganz andere Reaktion: Man macht sich über die Über­heb­lichkeit und das „seltsame Fehlen jeg­licher Zweifel, wie die Welt funk­tio­niert“, lustig.
Fazit
Die Behauptung vom 97%-Konsens zum Kli­ma­wandel war von Anfang an dubios. Seine Unter­stützer haben ihn stets weit über seine tat­säch­liche Bedeutung überhöht. Außerdem zeigt eine kürzlich erschienene Buch­kritik in der The New Republic, dass ein 97%-Konsens unter Wis­sen­schaftlern rein gar nichts bedeutet, sofern er links­pro­gres­siver Politik nichts nützt.
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Aus dem Eng­li­schen über­setzt von Florian Senne. Der Ori­gi­nal­beitrag mit dem Titel The Bogus „Con­sensus“ Argument on Climate Change ist am 23.10.2019 auf der website des Mises-Institute, Auburn, US Alabama erschienen.
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Robert P. Murphy ist Senior Fellow des Mises Institute und Autor zahl­reicher Bücher – zuletzt erschienen: Contra Krugman: Smashing the Errors of America’s Most Famous Keynesian. Weitere Bücher: Chaos Theory, Lessons for the Young Eco­nomist, and Choice: Coope­ration, Enter­prise, sowie Human Action (Inde­pendent Institute, 2015), ein modernes Destillat der Grund­lagen von Mises‘ Denken für den Laien. Murphy ist Co-Mode­rator in Tom Woods popu­lärem Podcast Contra Krugman, einer wöchent­lichen Gegenrede zu Paul Krugman’s Kolumne in der New York Times. Außerdem ist er Gast­geber der Bob Murphy Show.