Rake­ten­tests: Für die Medien gibt es gute und schlechte Tests und manche ver­schweigen sie einfach

Bei kaum einen Thema kann man so deutlich sehen, wie wenig objektiv die deut­schen Medien berichten: Bei Raketentests.
Wenn Nord­korea eine Rakete testet, dann ist die Auf­regung in den deut­schen Medien groß. Und das sogar zu Recht, denn Nord­korea ist das Testen von Raketen per UNO-Reso­lution ver­boten. Aller­dings ist die Auf­regung darüber in Deutschland für mich trotzdem etwas unver­ständlich, denn Nord­korea wird sicherlich nicht Deutschland oder Europa angreifen. Vor einigen Tagen hat Nord­korea wieder eine Rakete getestet und die mediale Reaktion war wenig überraschend.
Gleiches gilt für den Iran. Aller­dings gibt es in seinem Fall keine UNO-Reso­lution, er darf also Raketen testen. Trotzdem sind die Reak­tionen der Medien bei ira­ni­schen Rake­ten­tests nicht anders, als bei Nord­korea. Der deutsche Leser soll nie ver­gessen, dass der Iran der Böse­wicht ist. Bei der Tages­schau begann der Artikel über den letzten Test des Iran mit dem Satz:
„Trotz inter­na­tio­naler Sank­tionen und Span­nungen gibt es aus dem Iran neue Berichte über einen Raketentest.“
Dass die „inter­na­tio­nalen Sank­tionen“ in Wirk­lichkeit illegale Sank­tionen der USA sind, die sie ein­seitig nach dem Bruch des Atom­ab­kommens durch die USA ein­ge­führt haben, davon steht bei der Tages­schau nichts. Das Nar­rativ wird beim ersten deut­schen Staats­sender ganz im Interesse der USA gesetzt.
Auch über rus­sische Rake­ten­tests wird immer so berichtet, dass sie furchtbar bedrohlich wirken. Kurz gesagt, wenn die Staaten, die die USA zu ihren Feinden erkoren haben, Raketen testen, dann finden die deut­schen Main­stream-Medien das ganz schlimm.
Wenn es sich aber um Tests der USA handelt, wird kaum berichtet. Die USA haben am 12. Dezember eine Mit­tel­stre­cken­rakete getestet, die Atom­waffen tragen kann. Solche Waffen waren nach dem INF-Vertrag ver­boten. Die USA haben den Vertrag im Februar gekündigt und im August ist er aus­ge­laufen. Und schon drei Wochen später haben die USA die erste Rakete erfolg­reich getestet, die nach dem Vertrag ver­boten gewesen wäre. Das beweist, dass die USA diese Kün­digung des INF-Ver­trages lange im Voraus geplant haben. Als sie dann im Oktober 2018 ange­fangen haben, Russland vor­zu­werfen, dass es gegen den Vertrag ver­stößt, dürfte ihre Rakete bereits fast fertig ent­wi­ckelt gewesen sein, damit sie im August 2019 zum ersten Mal getestet werden konnte.
In Deutschland wurde über den ame­ri­ka­ni­schen Test kaum berichtet. Ich fand einen Artikel bei der Tages­schau darüber. Aller­dings ging es darin weniger um den Rake­tentest, sondern um die rus­sische Reaktion darauf, wie schon die Über­schrift gezeigt hat: „Ende des INF-Ver­trags – Russland kri­ti­siert US-Rake­tentest„. Es gab in dem Artikel denn auch kein kri­ti­sches Wort über den Rake­tentest und auch die Frage, wie die USA so schnell nach dem Ende des INF-Ver­trages eine solche Rakete ent­wi­ckeln konnten, die eben noch ver­traglich ver­boten war, stellt die Tages­schau natürlich nicht.
Ganz besonders deutlich wird die Mani­pu­lation der deut­schen Öffent­lichkeit, wenn es um Israel geht. Wenn Israel eine Atom­rakete testet, wird in Deutschland einfach gar nicht darüber berichtet. Da der deutsche Leser immer wieder lernt, wie böse der Iran ist, der „trotz der Span­nungen“ Raketen testet, könnte der Leser ja fragen, ob nicht das gleiche auch für Israel gilt. Diese Frage stellt sich der deutsche Leser aber nicht, weil er von israe­li­schen Rake­ten­tests gar nichts hört. Lücken­presse ist noch effek­tiver als Lügen­presse, denn wenn eine Infor­mation weg­ge­lassen wird, pro­vo­ziert sie keine kri­ti­schen Fragen. Eine Lüge kann immerhin auf­ge­deckt werden.
Am 6. Dezember hat Israel eine Rakete getestet, die Atom­waffen tragen kann. Da macht Israel auch kein Geheimnis draus, das Ver­tei­di­gungs­mi­nis­terium hat es selbst per Twitter verkündet.

Aber wenn Sie nicht zufällig RT-Deutsch lesen, werden Sie davon nichts gehört haben, denn die Main­stream-Medien haben darüber nicht berichtet. Die Leser könnten ja Ver­ständnis dafür auf­bringen, dass der Iran sich viel­leicht durch Israel bedroht fühlt, das über Atom­waffen und die nötigen Trä­ger­systeme verfügt, um den Iran anzu­greifen. Der Iran hat keine Atom­waffen und ob er Raketen hat, die Israel erreichen können, ist nicht sicher.
Die Medien in Deutschland sind stets bemüht, ihren Lesern das gewünschte Nar­rativ näher zu bringen, auch wenn sie dabei das eine oder andere weg­lassen müssen.
Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber ich finde es für Deutschland und Europa wesentlich inter­es­santer und wich­tiger, was vor unserer Haustür, also auch in Israel, pas­siert, als was in am anderen Ende der Welt in Nord­korea pas­siert. Die deut­schen Medien sehen das offen­sichtlich anders. 

 


Thomas Röper — www.anti-spiegel.ru
Thomas Röper, Jahrgang 1971, hat als Experte für Ost­europa in ver­schie­denen Ver­si­che­rungs- und Finanz­dienst­leis­tungs­un­ter­nehmen in Ost­europa und Russland Vor­stands- und Auf­sichts­rats­po­si­tionen bekleidet, bevor er sich ent­schloss, sich als unab­hän­giger Unter­neh­mens­be­rater in seiner Wahl­heimat St. Petersburg nie­der­zu­lassen. Er lebt ins­gesamt über 15 Jahre in Russland und betreibt die Seite  www.anti-spiegel.ru. Die Schwer­punkte seiner medi­en­kri­ti­schen Arbeit sind das (mediale) Russ­landbild in Deutschland, Kritik an der Bericht­erstattung west­licher Medien im All­ge­meinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.
Thomas Röper ist Autor des Buches „Vla­dimir Putin: Seht Ihr, was Ihr ange­richtet habt?“