Scharfe Kritik an Umsetzung des Karls­ruher Hartz-IV-Urteils — Sank­tionen werden auch für unter 25-Jährige entschärft

Die Umsetzung des Karls­ruher Urteils zu den Sank­tionen bei Hartz IV durch die Bun­des­agentur für Arbeit stößt auf scharfe Kritik. “Die maß­geb­liche Ent­scheidung des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts besagt, dass Min­de­rungen um mehr als 30 Prozent des Regel­be­darfs mit dem Grund­gesetz unver­einbar sind”, heißt es in einem Schreiben von Ulrich Schneider, Haupt­ge­schäfts­führer des Pari­tä­ti­schen Gesamt­ver­bandes, an Bun­des­ar­beits­mi­nister Hubertus Heil (SPD), über das die Zei­tungen des “Redak­ti­ons­netz­werks Deutschland” in ihren Mitt­wochs­aus­gaben berichten. Schneider beruft sich dabei auf interne Wei­sungs­ent­würfe der Bun­des­agentur für Arbeit.“Wir appel­lieren an Sie, den vor­lie­genden Ent­würfen nicht zuzu­stimmen und dafür Sorge zu tragen, dass dem Geist des Urteils vom 5. November voll­ständig Rechnung getragen wird, was zum der­zei­tigen Stand offen­sichtlich nicht der Fall ist”, schreibt Schneider an Heil. Der Geschäfts­führer des Wohl­fahrts­ver­bandes argu­men­tiert, die Beschränkung der Sank­tionen auf 30 Prozent sei durch den Wei­sungs­entwurf “nicht sicher­ge­stellt”. Dabei müsse die Ober­grenze “durch­gängig bei allen Sank­ti­ons­tat­be­ständen” gelten, auch bei der Addition ver­schie­dener Min­de­rungen. Schneider ver­weist dabei auf Kon­stel­la­tionen, bei denen Leis­tungs­emp­fänger nicht allein Ver­pflich­tungen aus der Ein­glie­de­rungs­ver­ein­barung ver­letzt haben, was mit einer 30-Prozent-Kürzung belegt wird, sondern zusätzlich noch gegen Mel­de­pflichten ver­stoßen haben, was übli­cher­weise mit einer Zehn-Prozent-Kürzung belegt wird. Darüber hinaus kri­ti­siert Schneider aus seiner Sicht zu eng gefasster Vor­gaben der Bun­des­agentur für Här­te­fall­re­ge­lungen. Von der vom Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt eröff­neten Mög­lichkeit einer “Ermes­sens­re­gelung” solle offenbar kein Gebrauch gemacht werden.
Hartz-IV-Sank­tionen werden auch für unter 25-Jährige entschärft
Die Sank­tionen gegen Hartz-IV-Emp­fänger werden auch für unter 25-Jährige deutlich ent­schärft. Das geht aus der für Freitag anste­henden Weisung des Arbeits­mi­nis­te­riums zum Hartz-IV-Urteil des Ver­fas­sungs­ge­richts hervor, über welche die “Neue Osna­brücker Zeitung” berichtet. Leis­tungs­be­ziehern unter 25 Jahren drohte in der Ver­gan­genheit bei Pflicht­ver­stößen im Extremfall die kom­plette Strei­chung des Regelsatzes.
Diese Regelung war laut Arbeits­mi­nis­terium aus­drücklich nicht Gegen­stand des Urteils, mit dem das Ver­fas­sungs­ge­richt die Sank­ti­ons­mög­lich­keiten Anfang November deutlich ein­ge­schränkt hatte. Trotzdem soll die Weisung an die Job­center nun auch für die Gruppe der jungen Leis­tungs­be­zieher gelten, wie das Minis­terium auf Anfrage der NOZ mit­teilte. Bun­des­ar­beits­mi­nister Hubertus Heil (SPD) schließt demnach aus, “dass künftig innerhalb eines Monats mehr als 30 Prozent sank­tio­niert werden darf”. Dies gelte auch für die Fälle der unter 25-Jäh­rigen, sagte ein Sprecher. “Eine dem­entspre­chende Weisung wird nach Abschluss des kon­sult­a­to­ri­schen Ver­fahrens am Freitag ergehen.” Mit der vom Minis­terium und der Bun­des­agentur für Arbeit erar­bei­teten Weisung wird geregelt, wie die Job­center das Urteil des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts anzu­wenden haben, bis eine gesetz­liche Regelung dazu in Kraft tritt. Das Gericht hatte die bis­herige Sank­ti­ons­praxis zum großen Teil gekippt. Demnach dürfen bei Pflicht­ver­let­zungen die Leis­tungen höchstens um 30 Prozent gekürzt werden — bislang mög­liche Kür­zungen von 60 Prozent oder sogar der kom­plette Wegfall der Leis­tungen sind laut Ver­fas­sungs­ge­richt mit dem Grund­gesetz unver­einbar. Mit seiner Stel­lung­nahme demen­tierte das Arbeits­mi­nis­terium zugleich einen Bericht, wonach es auch nach dem Hartz-IV-Urteil des Ver­fas­sungs­ge­richts Kür­zungen des Exis­tenz­mi­nimums um mehr als 30 Prozent ermög­lichen wolle.

Berlin (dts Nach­rich­ten­agentur) — Foto: Bun­des­agentur für Arbeit, über dts Nachrichtenagentur